Ford Focus FCV:Wettrennen um die Brennstoffzelle

Lesezeit: 3 min

Der Prototyp soll 2004 in die Fahrerprobung gehen Nahezu lautlose Beschleunigung auf Tempo 128

(SZ vom 24.03.2001) Als Wettlauf der Automobilhersteller sieht die Öffentlichkeit das Ringen um das erste serienmäßige Auto mit Brennstoffzellen-Aggregat, das DaimlerChrysler für 2003 und Honda sowie Toyota für 2004 angekündigt haben. Tatsächlich aber forschen viele Marken hinter den Kulissen im engen Schulterschluss. "Die Aufgabe ist einfach zu komplex und kostspielig, um das Risiko des eingeschlagenen Weges nur von einem Konzern tragen zu lassen", weiß ein Insider. So hören wir seit Jahren insbesondere von DaimlerChrysler über die Fortschritte der Entwicklung, die gegenwärtig in einer NECAR 5 genannten A-Klasse mit Brennstoffzellen-Aggregat den Stand der Technik dokumentiert. Dass hinter dieser Entwicklung aber die Forschungsgemeinschaft Fuel Cell Alliance steckt, zu der neben DaimlerChrysler auch die Ford Motor Company gehört, ist nur wenig bekannt.

Die kanadische Ballard Power Systems zeichnet innerhalb der Gemeinschaft für die Entwicklung der Brennstoffzelle verantwortlich. An Ballard ist DaimlerChrysler mit 20 Prozent beteiligt und Ford zu 15 Prozent. Die Tochterfirmen XCELLSIS, die mehrheitlich (51 Prozent) zu DaimlerChrysler gehört, und Ecostar mit Mehrheitsbeteiligung (62 Prozent) von Ford, beschäftigen sich mit der Peripherie der Brennstoffzelle. Dabei übernimmt XCELLSIS die Verantwortung für alle Funktionen vom Gaswechsel bis zur Kühlwasser-Entsorgung. Und Ecostar entwickelt die elektrische Steuerung einschließlich der Antriebsmotoren. Des Weiteren arbeiten DaimlerChrysler und Ford getrennt an der Integration aller Komponenten in ein Automobil der eigenen Marke. Chrysler unterhält dazu das Konzeptfahrzeug Jeep Commander als Aggregateträger, Mercedes-Benz eine A-Klasse und Ford den Stufenheck-Focus FCV (Fuel Cell Vehicle).

Die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle in Fahrzeugen der Ford Motor Company wird global von einer Ford-Außenstelle in Kalifornien gesteuert. Für die Weiterentwicklung des umweltfreundlichen Antriebssystems unter Berücksichtigung europäischer Anforderungen ist innerhalb des Konzerns das Ford Forschungszentrum in Aachen zuständig. Dessen Leiter Rudolf Kunze gab nun erstmals den konkreten Zeitplan bekannt:

Ab 2004 nimmt eine Flotte Focus FCV in Sacramento die Fahrerprobung auf. Dabei wird es erste Kundenkontakte geben. Die Erprobungsflotte erhält 2007 eine zweite Generation des Brennstoffzellenantriebs und wird für den Einsatz in weiteren Städten der USA, in Japan und Europa deutlich vergrößert. Erst nach 2010, glaubt Kunze, werde eine Vermarktung von Brennstoffzellen-Pkw zu akzeptablen Preisen möglich sein. Alle anderen Prognosen hält er für unseriös, denn "die Serienfertigung muss erst den Preis aller Komponenten drücken. Auch muss die Infrastruktur für das Betanken der Fahrzeuge geschaffen werden. Doch der umweltfreundliche Antrieb an sich funktioniert schon heute beachtlich reibungslos", sagt Kunze.

Völlig fremde Motorgeräusche

Das bestätigte ein erster Fahreindruck im Focus FCV. Wer nicht weiß, dass unter den Vordersitzen Brennstoffzellen-Stacks, bestehend aus insgesamt 400 Einzelzellen, elektrische Energie erzeugen, glaubt in einem konventionellen Elektromobil zu fahren. Bis zu 67 kW (92 PS) Leistung setzt ein Drehstrommotor an die Frontachse in Beschleunigung um und treibt den 1750 Kilogramm schweren Focus FCV nahezu lautlos auf bis zu 128 km/h. In 14 Sekunden ist aus dem Stand Tempo 100 erreicht - ohne Schaltunterbrechung. Spontan nimmt das System Gas an und unterhält den Fahrer mit völlig fremden Motorgeräuschen. Sie entstehen allerdings nicht ursächlich durch den Fahrbetrieb, sondern bei der Umwandlung von Wasserstoff in Antriebsstrom. Den mit 355 bar komprimierten Wasserstoff führt der Focus FCV in zwei 41 Liter großen Drucktanks im Fahrzeug-Heck mit. Eine Füllung reicht für rund 250 Kilometer Wegstrecke.

Damit wird deutlich, dass Ford auf das Betanken seines Brennstoffzellen-Focus mit Wasserstoff setzt und nicht - wie DaimlerChrysler - eine bordeigene Raffinerie zur Umwandlung herkömmlicher Kraftstoffe in Wasserstoff mitführen möchte. "Bei der Reformierung konventioneller Kraftstoffe entsteht CO2", betont Kunze. Was dem Einsatz völlig abgasfreier Autos widerspricht. Allerdings kann die Frage, wie der Wasserstoff in Zukunft hergestellt wird und zum Kunden gelangt, auch von Ford noch nicht überzeugend beantwortet werden. Wünschenswert ist die energetisch aufwändige elektrolytische Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Luft mit Wasser- oder Solarenergie. Denn dieser Prozess läuft rückstandsfrei ab - und ist somit ökologisch sinnvoll.

Nach Ansicht von Ford könnte eine Dampf-Reformierung aus Erdgas sogar in Tankstellen-Nähe erfolgen, betont Rudolf Kunze. Denn Erdgas lässt sich problemlos durch Fernleitungen schicken. Sobald 15 Prozent des heutigen Tankstellen-Netzes mit einer solchen Hydro-Füllanlage ausgestattet sind, kann die Massenmotorisierung mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen - zumindest im Umkreis der Ballungsräume - einsetzen. Allerdings muss noch eine weitere Prämisse erfüllt sein: Der Preis von Erdgas-Dampf-Reformern müsste von heute drei Millionen auf rund 500 000 Mark sinken.

Von Jürgen Zöllter

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: