Fiat Tempra Station Wagon SX 4*4:Schwungvoll gezeichnet

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Der Kombi mit Allradantrieb kostet allerdings 38 130 Mark

(SZ vom 05.05.1993) Sie haben es einfach im Blut, die Italiener, heißt es nicht nur in der Modebranche. So verstehen es auch die italienischen Automobildesigner, Modelle auf die Räder zu stellen, die über das gewisse Etwas verfügen. In diesem Fall hat es Fiat geschafft, einen Kombi so zu verpacken, daß er überhaupt nicht mehr nach Nutzfahrzeug aussieht. Der Fiat Tempra Station Wagon SX 4*4 macht nämlich mit den geschwungenen Dach- und Fensterlinien, die zuerst sanft ansteigen und dann mit einem leichten Knick nach hinten zu abfallen, einen außerordentlich dynamischen Eindruck. Dieser Eindruck wird allerdings getrübt, wenn man das Interieur betrachtet. Als erstes sticht das 'Mäusekino' ins Augo, jenes Sammelsurium von von digitalen Anzeigen, das mit seinen nervös umherspringenden Zahlen und an- und abschwellenden Balkendiagrammen selbst einen aufmerksamen Betrachter zu verwirren vermag. Offensichtlich hat es sich noch nicht bis Turin herumgesprochen, daß Digitalanzeigen nicht mehr - wie zu Zeiten des seligen Audi Ur-Quattro - als fortschrittlich gelten, sondern schlichtweg unpraktisch sind.

Auch der Motor hält leider nicht, was das Outfit des Tempra-Kombi verspricht: Der 2,0-Liter-Motor mit einer Leistung von 83 kW (113 PS) erweist sich als sehr unwilliger Geselle, der durch häufiges Betätigen der schwergängigen und hakeligen Schaltung bei Laune, sprich auf einem hohen Drehzahlniveau, gehalten werden will. Bei Überholmanövern oder an Autobahnsteigungen ist Zurückschalten angesagt, um nicht zu 'verhungern'. Die unharmonische Charakteristik dieses Aggregats tritt auch beim normalen Beschleunigen an einer Ampel zutage: Zumindest unserer Tempra ruckelte und die Maschine war nicht bereit, gleichmäßig und kontinuierlich Leistung aufzubauen. Eines modernen Motors unwürdig waren auch der Ölkonsum und der Benzinverbrauch: Etwa einen Liter Schmierstoff mußten wir auf 1000 Kilometer nachfüllen. Und der Benzinverbrauch lag - mit drei Personen und viel Gepäck auf großer Urlaubsfahrt - bei unzeitgemäßen 13,5 Litern unverbleiten Superkraftstoff. Gerade in puncto Motor bleibt den Fiat- Technikern noch viel Arbeit, um das Niveau ihrer Design-Kollegen zu erreichen.

Vom Nutzwert her ist der Tempra Station Wagon allerdings ganz auf der Höhe der Zeit: Der Kofferraum ist so üppig dimensioniert, daß reichlich Staugut hineinpaßt, und zudem mit einer Abdeckung versehen, die das Gepäck vor begehrlichen Blicken schützt. Die Ladekante läßt sich durch eine zweite Klappe unterhalb der Heckklappe so absenken, daß auch Getränkekisten mühelos in das Stauabteil gehievt werden können. Wer will, kann aus dem Station Wagon durch das Umklappen der geteilten Rückbank einen Transporter machen, mit dem sich auch ein Umzug bewältigen läßt. Als souverän bei schlechten Witterungsbedingungen stellte sich der permanente Allradantrieb heraus, dessen Technik dem Lancia Dedra integrale entliehen ist, und der zum hohen Benzinverbrauch beiträgt.

Nichts auszusetzen gab es an der Ausstattung, die mit einem jeweils höhenverstellbaren Fahrersitz und Lenkrad, Servolenkung, ABS, elektrischen Fensterhebern und Colorverglasung aufwartet. Fünf Erwachsene finden auf dem bequemen Gestühl, das auch eine Langstreckenfahrt nicht zu einer Strapaze ausarten läßt, ausreichend Platz. So halten sich beim 38 130 Mark teuren Tempra Station Wagen Licht und Schatten die Waage - und wir sind auf die nächste Überarbeitung gespannt.

Von Otto Fritscher

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