Fiat Seicento Elettra H2 fuel cell:Mini-Kraftwerk im Kofferraum macht den Kleinen mobil

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Dem Stadtwagen fehlt es an Platz und Reichweite - doch beweist er die Sparsamkeit dieser Antriebsart

(SZ vom 16.06.2001) Mittlerweile leistet sich kaum noch ein Hersteller den Luxus, keinen Personenwagen mit alternativem Antrieb im Angebot zu haben. Steigende Mineralölpreise und wachsendes Umweltbewusstsein der Kunden sorgen dafür, dass Motoren mit den alternativen Energieträgern Flüssiggas, Erdgas und Strom, immer stärker in die Rentabilitätsberechnungen einer kostenbewussten Kundschaft einbezogen werden. Dabei haben Hybridversionen besondere Attraktivität. Denn sie vertreiben die Angst vor der mangelnden Verfügbarkeit des Alternativtreibstoffs unterwegs: Wenn Gastank oder Akkus dieser Hybridversionen leer sind, kann mit Mineralöl-Kraftstoffen weitergefahren werden - diese gibt es überall.

Auch der italienische Hersteller Fiat hat die Zeichen der Zeit erkannt und möchte seine preissensiblen Kunden nicht gern an andere Marken verlieren. Deshalb bietet er für innerstädtische Pendler den stromgespeisten Kleinwagen Seicento und für den Platzbedarf einer Großfamilie den Minivan Multipla Bipower an. Für die weitere Zukunft forschen Fiat- Techniker an einem Seicento Elettra H2 fuel cell, dem ersten italienischen Pkw mit Brennstoffzelle.

Brennstoffzelle verkleinern

Die Probefahrt im bisher einzigen Prototyp verläuft vielversprechend und hinterlässt den Eindruck, der Kleinwagen stehe kurz vor der Serienreife. Doch bei näherer Betrachtung der Baugröße des Wasserstoff- Kraftwerks wird klar: Diesem ersten Prototypen werden noch weitere mit miniaturisiertem Brennstoffzellen-Aggregat folgen müssen. "Die Konkurrenzfähigkeit eines Kleinwagens dieser Größe gegenüber einem konventionell angetriebenen Schwestermodell können wir innerhalb der nächsten zehn Jahre sicherlich nicht erreichen", dämpft ein Fiat-Techniker den Optimismus. Die beiden Hauptprobleme derzeit sind: Die chemische Fabrik an Bord muss dramatisch schrumpfen, um vier Insassen und Gepäck Platz zu machen. Außerdem muss die umweltgerechte Erzeugung sowie die flächendeckende Verfügbarkeit von Wasserstoff gewährleistet sein.

Strom an Bord erzeugt

Der zweitürige und zweisitzige Prototyp ist eine Weiterentwicklung des bereits am Markt verfügbaren Seicento Elettra mit Heckantrieb. Wie dieser trägt auch der Prototyp aufladbare Batterien im Fahrzeugboden vor der Hinterachse. Diese treibt ein Dreiphasen-Drehstrom- Asynchronmotor an. Doch im Unterschied zum Elektromobil, das seinen Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht, stellt ihn der Prototyp mit Hilfe der Brennstoffzelle an Bord selbst her.

Dazu betankt man den Fiat Seicento Elettra H2 fuel cell mit gasförmigem Wasserstoff. Er wird in sechs Druckflaschen mitgeführt, die hinter den Vordersitzen stehen und jeweils neun Liter fassen. Allein der Gedanke daran, nur wenige Zentimeter vor dem hochexplosiven, mit 200 bar Überdruck gespeicherten Wasserstoff am Lenkrad zu sitzen, erzeugt Gänsehaut. Sie mag sich auch nach der Fiat-Angekündigung, die Drucktanks demnächst im Mitteltunnel unterzubringen, nicht wirklich glätten.

Das verbleibende Volumen im Fond des Prototyps füllt bis zur Ladekante eine in Mailand entwickelte Niedertemperatur-Brennstoffzelle aus, der Stack. Er wird gekühlt und mit Wasserstoff, der unter einem Druck von 1, 5bar steht, sowie mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft, die auf 1,3 bar verdichtet wird, versorgt. Die Brennstoffzelle erzeugt eine Stromspannung von 48Volt und sieben Kilowatt Leistung. Ein nachgeschalteter Wandler erhöht die Spannung auf 216Volt, die der Elektromotor benötigt, um eine Leistung von maximal 30 Kilowatt bereitzustellen.

In der Fahrpraxis benimmt sich das hochkomplexe Kraftwerk völlig unspektakulär. Mit einem herkömmlichen Zündschlüssel werden die chemischen Prozesse gestartet, doch statt des vom Verbrennungsmotor bekannten Leerlaufgeräuschs ist ein leises Summen zu vernehmen. Es stammt vom Kompressor, der den Sauerstoff verdichtet und die Stromproduktion anschiebt. Nach etwa 20 Sekunden wird über einen klobigen Drehschalter in der Mittelkonsole, der einst eine Waschmaschine geziert haben mag, die Fahrstufe D gewählt.

Das beherzte Niederdrücken des Gaspedals quittiert der Seicento dann mit unerwarteter Vehemenz: Seine Beschleunigung wirkt so nachhaltig, wie wir es von Elektromobilen kennen und sie wird zudem vom vertrauten Gesang des E- Motors untermalt. Nur wenn das System in regelmäßigen Abständen geräuschvoll Überdruck abbläst, fühlt man sich an die chemische Fabrik erinnert, die einem ständig im Nacken sitzt. Auch wenn der rund 1200 Kilogramm schwere Zweisitzer in Kurven über die Vorderräder schiebt, fühlt man sich warnend erinnert: nur nicht umwerfen, dieses millionenteure Stück.

So empfiehlt sich der Seicento Elettra H2 fuel cell eher für das gleichmäßige Mitschwimmen im öffentlichen Verkehr als für die sportliche Herausforderung. Nein, über Fahrspaß muss man in einem Auto mit Brennstoffzellen-Antrieb nicht mehr nachdenken. Diese Vokabel sollte vor Markteinführung rechtzeitig aus der Erlebniswelt gestrichen sein.

In der unspektakulären Fahrpraxis mit Dauergeschwindigkeit um 60 km/h braucht der Prototyp durchschnittlich (Fahrweise nach ECE-Stadtzyklus) nur 3,3 Kilowatt Strom. Der von der Brennstoffzelle erzeugte Überschuss wird derweil in den Fahrzeug-Akkus gespeichert. Nur zehn Minuten reichen aus, sie komplett aufzuladen. Abgerufen wird der Akku-Strom bei voller Beschleunigung, wenn aus dem Stillstand beispielsweise 50 km/h in acht Sekunden erreicht werden sollen - etwa beim Ampelstart.

Auch kann die maximale Reichweite des Brennstoffzellen-Seicento von mageren 100 Kilometern mit Unterstützung des zwischengespeicherten Batteriestroms auf immerhin 140 Kilometer erhöht werden. In dieser Anordnung liegt der wesentliche Unterschied des Brennstoffzellen-Seicento von Fiat zu den Fahrzeugen anderer Hersteller. Der Vorteil dieser Zwischenspeicherung von Energie erlaubt den Konstrukteuren, eine kompakte Brennstoffzellen-Einheit in den kleinen Seicento einzusetzen, insbesondere auch mit dem Volumen der Wasserstoffspeicher zu knausern. Fest steht, dass die viel Platz beanspruchenden Druckflaschen in der nächsten Prototyp-Generation ohnehin einem Metallhydrid-Speicher weichen sollen.

Zu einer flächendeckenden Versorgung mit Wasserstoff werde es nicht vor Ende dieser Dekade kommen, möglicherweise erst im Laufe des nächsten Jahrzehnts, wissen die Experten. Deshalb muss dem Brennstoffzellen-Seicento, wenn er nach dem Willen seiner Erbauer schon vorher das Laufen in aller Öffentlichkeit lernen soll, auch die On-Bord-Erzeugung von Wasserstoff möglich sein. Analog zur deutsch-amerikanischen sowie japanischen Konkurrenz entwickelt auch Fiat für diese Übergangszeit einen so genannten Reformer. Er kann Wasserstoff aus Methanol oder anderen kohlenwasserstoffhaltigen Brennstoffen gewinnen und die Risiken der Wasserstoffspeicherung entschärfen.

Von Jürgen Zöllter

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