Fiat Punto Cabriolet:Das neue Knuffelchen aus Turin

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Für 29 200 Mark gibt es 60 PS und viel Open-air-Vergnügen / Ein Windschott braucht man nicht

(SZ vom 12.10.1994) Cabrios kauft man aus dem Bauch heraus, mit den Augen, mit dem siebten Sinn und mit dem wohlig-kribbelnden Gefühl in der Magengrube, gerade etwas ziemlich Unvernünftiges getan zu haben. Doch der kugelrunde Fiat Punto mit der Kapuze strapaziert das schlechte Gewissen lange nicht so stark wie ein Rover 114 oder der auslaufende Peugeot 205. Das Auto aus Italien hat es geschafft, die meisten cabrio-typischen Nachteile in cabrio-untypische Vorteile zu verwandeln.

Beginnen wir bei der Sicherheit, die beim Verkaufsgespräch eine immer größere Rolle spielt. Der Punto hat sich auf den Fall der Fälle gut vorbereitet: Fahrer- Airbag, ABS, Gurtstraffer und Flankenschutz sind serienmäßig, der Prallsack für den Beifahrer kostet 470 Mark Aufpreis. Auf die Frage nach dem Überrollschutz verweist der Fiat-Händler auf den umfassend verstärkten Windschutzscheibenrahmen, der selbst üble Pirouetten abfedern soll. Natürlich bietet ein starrer Bügel noch mehr Crash-Sicherheit, aber im Cabrio ist eben ein gewisses Restrisiko nicht auszuschließen.

Elefantenhäutige Persenning

Nämliches Verdeck klappt im teureren Punto 90 ELX (von 33 500 Mark an) auf Knopfdruck auf und zu. Im preiswerteren 60 S (von 29 200 Mark an) ist man auf Handbedienung angewiesen, aber das ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn das Faltdach bewegt sich bei gutem Zureden fast von selbst, und zum An- oder Abmontieren der elefantenhäutigen Persenning muß man ohnehin aussteigen. Mit offenem Verdeck lassen sich die Lüfte und Düfte ohne Reue genießen. Die schräge, weit nach hinten gezogene Frontscheibe und die beiden vorderen Dreiecksfenster schützen Fahrer und Beifahrer nämlich derart professionell vor widrigen Luftströmungen, daß man das hübsche Auto nicht durch ein häßliches Windschott verunstalten muß. Hinten bläst dagegen ab Tempo 60 eine kräftige Brise, die Frisuren verunstaltet und den sonnenbebrillten Damen eine Prise Mißmut ins Gesicht streut.

Bei geschlossenem Verdeck ändern sich die Sichtverhältnisse nach vorne und zur Seite nur unwesentlich, aber nach schräg rückwärts drohen zwei tote Winkel, hinter denen sich im Zweifelsfall (Murphy's Law) ein Pfosten oder irgendein anderes Hindernis versteckt. Wie bei jedem Cabrio spielen auch im Punto mit zunehmendem Tempo die Windgeräusche eine immer nervigere Rolle, doch wer 160 km/h schnell fahren und dabei die ersten Takte von Bolero verinnerlichen will, der muß sich - mi despiace, signore - ganz einfach in eine Limousine zurückziehen.

Die Ausstattung des Punto Cabrio ist ordentlich, aber nicht unbedingt logisch. In das ELX-Modell hat man zwar unter anderem Fensterheber, Zentralverriegelung, Colorscheiben, Halogenscheinwerfer und ein höhenverstellbares Lenkrad hineingepackt, aber die elektronische Diebstahlsicherung kostet ebenso Aufpreis wie die unvermeidlichen Aluräder. Die hübschen Felgen gibt es für den S nicht einmal gegen Zuzahlung, und auch die für uns eigentlich lebensnotwendige Servolenkung ist in Verbindung mit dem 1,2-Liter-Maschinchen schlichtweg nicht lieferbar. Vergessen haben die Italiener darüberhinaus die schicken Ledersitze und einen vernünftig dimensionierten Kofferraum. Die Ladeluke des Punto Cabrio faßt nämlich nur 200 Liter und damit nie und nimmer das Wochenendgepäck von vier Erwachsenen. Zur Ehrenrettung sei gesagt, daß sich die Fondsitze einzeln umklappen lassen.

Zwei Motoren stehen zur Auswahl: ein 1,2-Liter mit 43 kW oder 58 PS (Null auf 100 km/h in 15,0 Sekunden, 150 km/h Spitzengeschwindigkeit, Drittelmixverbrauch 6,9 Liter auf 100 Kilometer) und ein 1,6-Liter-Aggregat mit 65 kW oder 88 PS (Null auf 100 km/h in 12,3 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 170 km/h, Durchschnittsverbrauch 8,4 Liter auf 100 Kilometer). Die 88-PS-Version beschleunigt zwar um zwei, drei Wimpernschläge schneller, aber der 1,6-Liter-Motor brummt und vibriert, rumort und knurrt, daß es schwerfällt, sich mit ihm anzufreunden. Weil die Fahrleistungen mit steigendem Lichtschutzfaktor immer nebensächlicher werden, bevorzugen wir das 1,2-Liter-Schnurrwerk, das deutlich leiser und geschmeidiger arbeitet. Doch Vorsicht - den Punto 60 S gibt es nicht mit Servolenkung, und das heißt kurbeln, kurbeln und nochmals kurbeln. Der Lenkaufwand an sich ist gar nicht so hoch, aber die Übersetzung reicht von Caorle bis Rimini, und dazu untersteuert der Sonnenanbeter aus bella Italia . Positiver Nebeneffekt der Kurbelei: Die Oberarmmuskulatur nimmt pro Sommer um mindestens 1,5 Zentimeter zu.

Die Turiner Knutschkugel ist trotz dieser Einschränkungen ein Auto zum Liebhaben. An der Form wird man sich nicht so schnell sattsehen, das Preis-/Luft-Verhältnis ist konkurrenzlos günstig, und der Fahr- und Ausstattungskomfort schlägt die Konkurrenz um zweieinhalb Daunen und ein paar hundert Mark. Nicht gefallen hat uns allenfalls das dampfige, grau- in-graue Plastikinterieur, das einen Affront gegen Augen und Nase darstellt. Aber bevor wir mit der Faust auf den Tisch hauen und zu schimpfen anfangen, erinnert uns der mahnende Zeigefinger von Mama Fiat an den Preis: Wollt ihr wirklich für einen schwächer motorisierten, wenn auch erwachseneren Golf 6000 Mark mehr bezahlen? Nein, wollen wir nicht.

Von Georg Kacher

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