Fiat Cabrio / Spider / Coupé:Welches Sahnestückchen darf es sein?

Lesezeit: 3 min

Vom Cinquecento mit Klappverdeck bis hin zum 220 PS-Coupé werden alle Wünsche erfüllt

(SZ vom 02.08.1997) Die Italiener haben uns Deutschen - schon lange bevor Ferdinand Piëch mit seiner Plattformstrategie die neue Modellvielfalt im Hause VW initiierte - immer wieder mit ihren Nischenmodellen begeistert. Ein paar Erinnerungen gefällig? Fiat 850 Coupé und 850 Spider - die schönste Möglichkeit der 60er Jahre, billig etwas anderes zu fahren. Oder der 124 Spider - diese Nische entdeckten die Deutschen (im Zuge des Roadster-Revivals) erst drei Jahrzehnte später. Der X1/9, der Dino Spider, das Dino Coupé - was für Namen und was für Fahrzeuge.

Zurück in die Gegenwart: "Seit 75 Jahren ist Fiat in Deutschland vertreten und damit eine der ältesten Importmarken. Ein dreiviertel Jahrhundert, geprägt von Kontinuität, großen Markterfolgen und der Liebe zu Nischenmodellen: rassigen Spidern, schnittigen Coupés und eleganten Cabriolets" - für Claus Witzeck, Pressesprecher des Unternehmens, lebt diese Tradition fort. "Eine Tradition, der sich Fiat bis heute verbunden fühlt, und die wir mit neuen Modellen erfolgreich wiederaufleben lassen", sagt er.

Der Beweis für diese Behauptung fand sich auf einem gut bestückten Parkplatz im bayerischen Voralpenland, auf dem die neuesten Varianten auf eine Probefahrt warteten - allen voran das Coupé 20V/Turbo, das mit seinem 2,0-Liter-Fünfzylinder (unterstützt durch einen Turbolader und Fünfventiltechnik) nicht weniger als 162 kW (220 PS) leistet, und damit zum stärksten Serien-Fiat aller Zeiten mutiert. Dieses - vom Fiat Centro Stile gemeinsam mit Pininfarina gezeichnete Coupé - polarisiert zweifellos, denn die extreme Keilform wird von den meisten entweder geliebt oder gehaßt. Wer die Form goutiert, schwärmt von ihrer Extravaganz - wer sie zu extrovertiert findet, sollte sich einmal hineinsetzen, um zu entdecken, daß sich hinter den Sicken und Kanten ein beachtlicher Innenraum versteckt, in dem man auch lange Reisen locker angehen kann.

Im neuen Modelljahr präsentiert sich die Baureihe in drei Versionen: Als Basisvariante steht ein 1,8-Liter-Vierzylinder mit Vierventiltechnik und 96 kW (131 PS) Leistung, der - zum Preis von 38 350 Mark - schon 205 km/h Höchstgeschwindigkeit bietet. Neu sind zwei 2,0-Liter-Fünfzylinder mit Fünfventiltechnik: Das bereits erwähnte Turbo-Modell, das (zum Preis von 49 600 Mark) mit 250 km/h Höchstgeschwindigkeit in Supersportwagenregionen vorstößt, und eine schwächere Variante ohne Turbolader, die (zum Preis von 45 050 Mark) 108 kW oder 147 PS Leistung und 212 km/h liefert.

Klar ist, daß 220 Pferdestärken und ein Frontantrieb an ein gewisses Mindestmaß sittlicher Reife appellieren - und bei nasser Fahrbahn mehr Zurückhaltung nötig ist, als die guten Bremsen suggerieren. Klar ist auch, daß es im Angebot nur wenig Konkurrenz gibt, die dieses Preis-/Leistungsverhältnis bietet - so braucht man sich um die 2300 Exemplare, die Fiat noch in diesem Jahr verkaufen will, wohl keine großen Sorgen machen.

Das - leistungsmäßig - entgegengesetzte Extrem ist zweifellos der Cinquecento Soleil. Claus Witzeck: "Der Soleil ist weder sportlich, spurtstark noch topless - dafür aber pfiffig, praktisch und kompakt. " Bei dieser Variante des kleinsten Fiats (Hubraum: 0,9 Liter, Leistung: 29 kW oder 40 PS, Preis: 15 910 Mark) sorgt ein elektrisches Faltschiebedach für eine große Öffnung (1,08 mal 0,79 Meter), die dem Sonnenschein - so er sich hier sehen läßt - freie Bahn läßt.

Daneben standen diverse Exemplare des Punto Cabriolets mit dem neuen 1,2-Liter-Vierzylinder, der nun - mit Vierventiltechnik - 63 kW (85 PS) leistet. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h und einer Beschleunigungszeit von zwölf Sekunden von Null auf 100 km/h gehört dieser offene Viersitzer zweifellos zu den temperamentvollsten Angeboten in dieser Hubraumklasse - und auch hier scheint der Preis von 32 000 Mark nicht überzogen. Daß das Verdeck elektrisch zu betätigen ist, wird den Puristen zwar stören, doch die Marktuntersuchungen beweisen, daß vor allem die Frauen (die in immer größerer Zahl Cabrios erwerben) diese Form des Komforts zu schätzen wissen. Wer auf elektrischen Schnickschnack verzichten mag, und wem auch 44 kW oder 60 PS zum Frischluftglück genügen, kann zum Punto Cabrio 60 S greifen, das für 29 500 Mark bei den Händlern steht.

Zweifellos hat sich die barchetta 1,8 16V zu einem absoluten Bestseller entwickelt - rund 7000 Käufer hat dieser Spider im vergangenen Jahr gefunden, und auch für 1997 plant Fiat, rund 5300 Exemplare abzusetzen. Das Schiffchen - so der übersetzte Name - bietet zum Preis von 37 650 Mark einen 1,8-Liter-Vierzylinder mit Vierventiltechnik, der bei 6300/min 96 kW (131 PS) zur Verfügung stellt. Eine Leistung, die mit dem Gewicht von 1060 Kilogramm leichtes Spiel hat: Nach 8,9 Sekunden ist Tempo 100 erreicht - und die Höchstgeschwindigkeit pendelt sich bei 200 km/h ein.

Mit diesen vier Nischenmodellen haben die Fiat-Händler - in Zeiten, in denen die Kundschaft nach immer mehr Individualität ruft - bessere Karten als etliche Konkurrenzunternehmen. Den Vertriebschef wird es freuen.

Von Jürgen Lewandowski

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: