Faurecia Premium:Russen-Disco

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Faurecia, einer der größten Automobilzulieferer Europas, hat einen ungewöhnlichen Weg gewählt, sich in Szene zu setzen: Der legendäre Tatra 603 wurde wieder zum Leben erweckt - mit coolem Lounge-Interieur.

Von Stefan Grundhoff

In de ehemaligen Tschechoslowakei war der Tatra 603 jahrzehntelang das Feindbild der werktätigen Massen. Nur Mitglieder des Staatsapparates und hohe Parteifunktionäre kamen in den Genuss der rund 20.000 Mal gebauten S-Klasse Ost.

Könnte so eine edle Ost-Limousine aussehen?

Von 1955 bis Mitte der 70er Jahre wurde die knapp fünf Meter lange Luxuskarosse gebaut, angetrieben von einem müden und zumeist röchelnden Achtzylinder mit gerade mal 105 PS. Die gelungene Aerodynamik ermöglichte immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h. Nach der Wende war Ende.

Über 30 Jahre später bringt nun Innenausstattungs-Spezialist Faurecia den Tatra 603 zurück. Zumindest für den Augenblick: In knapp einjähriger Entwicklung wurde ein 72er Tatra 603-2 neu aufgebaut und mit einem futuristisch anmutenden Luxusinterieur versehen. Der neue Name: Faurecia Premium Attitude.

Der Einstieg in Volant und Fond geschieht - anders als beim ehemaligen Oligarchenmodell - über gegenläufig öffnende Türen. Außen sind die durchaus faszinierenden geschwungenen Formen erhalten geblieben, die eher an ein Flugzeug oder ein Rennboot denn an einen fahrbaren Untersatz erinnern.

Besonders das Bootsheck mit dem charakteristischen Entenbürzel hatte Designer in Ost und West schon immer zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Abgesehen von diesem äußeren Retro-Charme ist das Interieur das eigentlich Sehenswerte, von Faurecia stilvoll in Szene gesetzt.

"Wir haben uns deshalb für den Tatra entschieden, weil er nach heutigem Maßstab von Innen- und Außenabmessungen ungefähr einem 5er BMW oder einer Mercedes E-Klasse entspricht", sagt Chefdesigner Thorsten Süss, der das Projekt federführend von Karlsruhe aus betreute: "Wir wollten einfach zeigen, was wir als Zulieferer können."

Zum Thema Zulieferer: Faurecia ist in Sachen Innenausstattung die Nummer zwei in Europa und die Nummer neun weltweit. Besonders Edelmarken wie Mercedes und BMW werden von den global operierenden Franzosen mit Sitzen, Mittelkonsolen und Verkleidungen beliefert.

Wie eine Reise in einer Zeitkapsel

Wer in das Innere des Premium Attitude sieht, blickt in eine Zeitkapsel. Ein bisschen Fiat 500, etwas Mini Cooper und mehr als ein Hauch Citroen C6 - diese Mischung versprüht einen ungewöhnlichen Charme. Die warmen Rottöne und indirekten Illuminationen wirken nicht nur trendig, sondern auch wohnlich. "Man kann es mit einem alten Gebäude vergleichen, in dem coole, neue Designmöbel stehen", findet Fitzpatrick.

Innovationsfreudig zeigt sich der 603er aber nicht nur im Innenraum. Im Heck, wo einst der träge Achtzylinder knatterte, zeigt Rob Fitzpatrick einen Hightech-Laderaum, edel ausgekleidet und mit ausfahrbarem Ladeboden. Für eine Limousine mit Frontmotor wäre unter dem Boden noch genügend Platz für einen Flachauspuff - natürlich ebenfalls aus dem Hause Faurecia.

Leider ist nicht geplant, diesen Tatra wieder auf die Straße zu bringen. Der Premium Attitude ist ein Einzelstück, einzig dazu gedacht, das Potenzial von Faurecia zu zeigen. Nach der Weltpremiere auf der Los Angeles Autoshow findet die Europapremiere am 13. Dezember in Berlin statt.

Faurecia folgt einem Trend: Zahlreiche Zulieferfirmen geben sich mit der Statistenrolle im Hintergrund der Autohersteller nicht mehr zufrieden und drängen in den Vordergrund. Ähnlich engagiert wie Faurecia sind Zulieferer und Karosseriebauer wie Webasto, Karmann und Paragon unterwegs. Der westfälische Autozulieferer etwa will im nächsten Jahr den Artega GT, einen Sportwagen nach Machart des Porsche Cayman, auf die Straße bringen.

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