Fahrbericht: Peugeot 308:Tradition verpflichtet

Lesezeit: 3 min

Die Kompaktklasse wird erwachsen: Mit dem neuen 308 will Peugeot den Golf angreifen. Der Franzose bietet erstaunlich viel Komfort, leidet aber unter seinem barocken Äußeren.

Joachim Becker

Es war im Jahr 1929, als Peugeot den 201 präsentierte - das erste Modell mit der Mittelnull. Mittlerweile ist die Zeitrechnung im Zeichen des Löwen beim 308 angelangt und der PSA-Konzern - also Peugeot und Citroën - ist wieder einmal "reif für die Sanierung".

Das Heck mit dem umlaufenden Fenster und dem ausladenden Steiß erinnert ein wenig an Renault. (Foto: Foto: Peugeot)

Christian Streiff sagt das, seit Anfang des Jahres steht der Interims-Chef von Airbus an der Spitze von PSA und drückt mächtig aufs Tempo: Statt vier Jahre soll die Entwicklung neuer Modelle künftig nur noch 36 Monate dauern. Durch den Zeitgewinn können die Ingenieure bis 2010 sechs weitere Fabrikate auf die Straße bringen. Insgesamt sollen bis zum Ende des Jahrzehnts 41 neue Peugeot- und Citroën-Fahrzeuge an den Start gehen, davon 21 in Westeuropa, der Rest in Asien und Lateinamerika.

Wachsen, um unabhängig zu bleiben, lautet die Devise. Streiff hat mit seinem Plan "Cap 2010" neben der Modelloffensive vor allem die Rentabilität im Blick. So sollen die Fixkosten in den nächsten drei Jahren um 30 Prozent sinken, gekoppelt an den Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen; gleichzeitig soll die Qualität erheblich besser werden. "Wir müssen in die Spitzengruppe bei der Produktqualität vorstoßen, das ist die beste Strategie, um Geld zu verdienen", erklärt Streiff sein atemloses Programm.

Die Zuverlässigkeit muss bei Peugeot in der Tat zulegen: Erst vor kurzem wurden mehrere hunderttausend 307 wegen Bremsproblemen in die Werkstätten gerufen. Der Nachfolger startet also mit einer großen Hypothek, das leugnet auch der neue Chef nicht: "Wir haben vor dem Start drei Mal so viele Testfahrten durchgeführt. Drei Viertel der kleinen Fehler, die früher von unseren Kunden entdeckt wurden, haben wir vor dem Verkaufsstart nicht nur erkannt, sondern auch behoben" - darauf legt der Chef wert.

Ist der neue 308 also der beste Kompakt-Peugeot aller Zeiten? Bei der ersten Probefahrt wirkt die Limousine solide wie aus einem Guss. Nichts quietscht oder klappert, das Geräuschniveau ist angenehm niedrig und die Materialien im Innenraum sehen nicht nur prima aus, sondern fassen sich auch gut an.

Keine mutigen Designer

Beim Außendesign kann der 308 weniger überzeugen: Von vorne ist er dem kleineren 207 wie aus dem Gesicht geschnitten und hinten ragt ein barocker Steiß über die Räder. "Stilistisch ist nicht viel gewagt worden", gibt Christian Streiff zu - das Design war schon fertig, als er seinen Job antrat.

Peugeot 308
:Die ersten Bilder

Schnittiger, mit deutlich weiter entwickeltem Gesicht: der neue Peugeot 308 will wieder ein ernstzunehmender Golf-Konkurrent sein.

Im Vergleich zum Vorgänger ist der 308 sichtlich gewachsen, die zusätzlichen 6,4 Zentimeter in der Länge sind ein Tribut an die Crash-Sicherheit, den Fußgängerschutz und die Reparaturfreundlichkeit. Die Passagiere profitieren kaum von dem Längenwachstum, weil zwischen den Achsen wenig passiert ist. Große Teile des Fahrwerks und der Radstand von 2,61 Meter wurden vom Vorgänger übernommen.

Dass der 308 trotzdem größer wirkt als seinesgleichen, ist auf die Breite von 1,81 Meter zurückzuführen: knapp sechs Zentimeter mehr als beim 307 und dem aktuellen VW Golf. Nur zum Vergleich: 1974 wäre ein solches Breitwandformat passend für die Oberklasse gewesen, der Ur-Golf maß 1,61 Meter von Tür zu Tür, die Passagiere erwartete das Platzangebot einer Sardinenbüchse.

Zum Glück sind die Zeiten der automobilen Grundversorgung vorbei - der 308 bietet vorne erstaunlich viel Komfort, was auch an den guten Sitzen liegt. Hinten hängt die Kniefreiheit stark von der Größe der Passagiere ab; mit dem Panorama-Glasdach (Serie bei Sport Plus und Platinum, sonst 410 Euro Aufpreis) liegt aber zumindest das gefühlte Raumangebot auf dem Niveau eines 20 Zentimeter längeren Vans.

Die Kompaktklasse wird also erwachsen und bietet jetzt auch auf Langstrecken genügend Platz für vier Personen - wenn sie nicht allzu viel Gepäck mitnehmen wollen. Zur Freude am Fahren tragen neben dem spurstabilen Fahrwerk die gut ansprechenden Bremsen und die präzise Lenkung bei. Selbst an zeitgemäßen Motoren herrscht kein Mangel: Den größten Absatzanteil erwartet Peugeot bei den 1,6-Liter-Dieselmodellen; der Tendance HDi FAP 110 mit 80 kW (109PS) und 260 Newtonmeter Drehmoment verbraucht im Schnitt 4,7 Liter und kostet 20.450 Euro. Den Aufpreis von 2000 Euro für den 136-PS-Diesel kann man sich getrost sparen, weil der Zweiliter-Motor die Vorderachse mit 100 Kilo zusätzlich belastet.

BMW liefert Benziner zu

Wer die sportliche Spurbreite des 308 richtig auskosten will, sollte die Benziner aus der Kooperation mit BMW Probe fahren. Die 1,6-Liter-Motoren erreichen die Leistung früherer 2,0-Liter-Vierzylinder, sind aber deutlich sparsamer und laufen zudem sehr ruhig. Der Tendance 120 VTi mit 88kW (120 PS) ist als Viertürer für wenigstens 18.600 Euro zu haben, der 30 PS stärkere 150 THP kostet in der Ausstattungslinie Sport 21200 Euro. Diese Turbo-Variante macht bei forscher Gangart richtig Laune, verbraucht dann allerdings gut und gerne zehn Liter Super, im Normzyklus sind es 7,1 Liter. Doch der Spaß ist es wert: Selten zuvor hat ein Peugeot ähnlich viel Handlichkeit, Dynamik und Komfort miteinander verbunden.

© SZ vom 1.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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