Fahrbericht: Nissan X-Trail:Alles bleibt anders

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Der neue Nissan X-Trail sieht fast aus wie der alte, aber die Elektronik hat heftig Einzug gehalten.

Joachim Becker

Ende einer Dienstfahrt: Das Navi zeigt ein schneeweißes Nichts irgendwo an der albanischen Grenze. Das Handy funktioniert kaum noch und wir sitzen fest in den nordgriechischen Bergen, ausgebremst in der längsten Schlucht Europas. Dabei könnten wir zufrieden sein mit unserem Tagwerk. Wir haben mit dem Nissan X-Trail ausgiebig im Dreck gewühlt und den Wald zum Abenteuer-Spielplatz gemacht. Während wir ahnungslos durch Furten wateten und an Böschungen fast umgekippt wären, hatten wir längst den Draht zur Außenwelt verloren. Natur schön und gut, aber was machen wir eigentlich in diesem Reservat für Waldschrate und Ziegenhirten?

Mit der Unbeirrbarkeit eines Tausendfüßlers krabbelt der X-Trail den Gelände-Parcours entlang. (Foto: Foto: Pressinform)

Der X-Trail ist das Pendant zum Hobbykeller

Der Nissan X-Trail bewahrt uns vor zu viel Stille und Stillstand. Er ist das Pendant des Hobbykellers für die freie Wildbahn: Es gibt immer was zu tun. Wie bei einem Schweizer Offiziersmesser verbergen sich ungeahnte Möglichkeiten hinter der kantigen Oberfläche. Dazu gehört ein Laderaum von maximal 1773 Liter Volumen, den weder BMW X3 noch Land Rover Freelander bieten können. Schubladen und Fächer unter dem Ladeboden sorgen für Ordnung im Gepäckabteil, Sportutensilien lassen sich wie in einer Kommode verstauen. Mit einer Länge von 4,63 Meter ist der Nissan ohnehin der längste Offroader in dieser Runde, gegenüber seinem Vorgänger hat er um 17,5 Zentimeter zugelegt.

Von vergleichbaren Fortschritten beim Design kann aber keine Rede sein. Der neue Allradkraxler kommt so kernig daher wie die erste Generation im Jahr 2001. "Wir haben unseren Kunden genau zugehört, als sie uns erklärten, dass ihnen das Design des X-Trail außerordentlich gut gefällt. Ein neuer Ansatz hätte also keinen Sinn gemacht", so Pierre Long, zuständig für die Produktplanung bei Nissan Europe.

Der X-Trail darf weiter aussehen wie eine Holzhütte auf Rädern, auch wenn in Wirklichkeit kein Balken auf dem anderen blieb. Das Prinzip Starrachse hat ausgedient, der Naturbursche hat Mechatronik studiert und verwöhnt heute mit Einzelradaufhängung und intelligentem Allradantrieb. Mit der Unbeirrbarkeit eines Tausendfüßlers krabbelt der X-Trail den Gelände-Parcours entlang, selbst wenn er zwei Räder gleichzeitig in die Luft streckt. Bis 40 km/h greifen die elektronischen Sperren im Lock-Modus, darüber hinaus agiert eine Allrad-Automatik, die blitzschnell bis zu 50 Prozent der Antriebskraft auf die Hinterräder verschiebt. Einmal per Knopfdruck aktiviert, absolviert der Downhill Drive Support selbst schwierige Bergabpassagen, während der Fahrer tunlichst den Fuß von der Bremse lässt. Der neue X-Trail ist also ein Bergfex auf der Höhe der Zeit, ohne beim Preis abzuheben.

Der X-Trail darf weiter aussehen wie eine Holzhütte auf Rädern

29.440 Euro kostet der Nissan mit einem neuen 150-PS-Selbstzünder inklusive Partikelfilter - mehr als sieben Tausender weniger als Freelander und X3. Dabei gleicht der Innenraum nicht mehr der Plastikwüste des Vorgängers, auch das neu gestaltete Cockpit, das wieder auf die Fahrerseite gerückt ist, gefällt. Zudem lässt der Turbodiesel, den Nissan zusammen mit Renault entwickelt hat, keine Wünsche offen. Common-Rail-Direkteinspritzung und Piezo-Injektoren machen die Verbrennung so flüsterleise, dass selbst Offenfahren zum Genuss wird. Folglich ist das 900 Euro teure, elektrisch verschiebbare Glasdach eine klare Kaufempfehlung. Die große Panoramascheibe ist allerdings genau wie die Dieselvariante mit 127 kW (173 PS) nur in der SE-Ausstattung erhältlich. Mindestens 32.140 Euro werden für den stärkeren Selbstzünder fällig, der ebenfalls 2,0 Liter Hubraum nutzt. Er entlockt den vier Zylindern 360 statt 320 Nm Drehmoment und verbraucht im Durchschnitt 7,4 statt 7,1 Liter auf 100 Kilometer.

Der X-Trail ist kein Auto für Leute, die Entfernungen in Flanier-Meilen oder Formel-1-Distanzen messen. Asphalt-Cowboys wie dem BMW X3 kann er in schnellen Kurven nicht folgen, weil er sich stärker in den Hüften wiegt. Die komfortable Auslegung hat allerdings den Vorteil, dass die Mundwinkel auch auf Rüttelstrecken oben bleiben. Nach einem Offroad-Tag steigen selbst Großstadtindianer ohne Blessuren aus. Schön ist er nicht, aber der Nissan macht Laune und kommt (fast) überall durch. Schade, dass uns schließlich ein profaner Reisebus aus dem griechischen Hinterland befreit hat.

© SZ vom 26.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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