Fahrbericht: KTM 690 Supermoto:Uhrwerk Orange

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KTM hat der neuen 690 SM den leistungsstärksten Serien-Einzylinder der Welt verpasst - es hat sich gelohnt.

Ulf Böhringer

Es ist exakt 20 Jahre her, dass der kleine, bescheidene, österreichische Motorradhersteller KTM seinen ersten eigenen Einzylinder-Viertaktmotor entwickelte. Das LC4 genannte Triebwerk hatte anfangs knapp 600, später dann annähernd 650 cm3 Hubraum und zeichnete sich Zeit seines Lebens durch alpenländisch-raue Manieren aus.

Einzylinder mit Stärkegarantie: die KTM 690 SM (Foto: N/A)

Noch nicht einmal die nachträgliche Implantation einer Ausgleichswelle konnte daran viel ändern. Inzwischen hat sich KTM von einem Konkurs erholt, ist nicht mehr klein, und Bescheidenheit ist die Sache der oberösterreichischen Sportmotorrad-Fabrik auch nicht mehr.

"Den leistungsstärksten Serien-Einzylindermotor" wolle man bauen, tönte es aus Mattighofen. Nun ist er da - im Gewand einer brandneuen Supermoto, der 690 SM.

Das Aggregat stellt zufrieden, sogar seine Trinksitten

Die Leistungsdaten des ebenfalls LC4 genannten Einzylinder-Viertakters sind mit 47 kW (64 PS) bei 7500/min zwar objektiv die besten der (wenigen) aktuell angebotenen Singles, doch überragend sind sie keineswegs.

Andererseits sind knapp 100 PS pro Liter Hubraum aber im Zeitalter der Euro-3-Abgas- und Geräuschregelung eine Leistung, auf die man in Mattighofen durchaus stolz sein kann.

Von der Modellbezeichnung darf man sich dennoch nicht täuschen lassen: Der 690er Motor hat in Wahrheit exakt 654 Kubikzentimeter Hubraum. Sein maximales Drehmoment von beachtlichen 65 Newtonmeter stellt sich leider erst 1000 Umdrehungen unter Nenndrehzahl ein - ein Sportmotor eben.

Aber, endlich, ein kultiviertes Aggregat und kein Raubein mehr. Mit einer spontanen, aber eben nicht mehr rustikalen Gasannahme, mit nur geringen mechanischen Vibrationen, mit einigermaßen zufriedenstellenden Trinksitten auch.

Alle diese Punkte können die modifizierten BMW-Einzylinder der neuen G-Serie zwar besser, aber dafür fehlen ihnen auch fast 20 Prozent Leistung auf den KTM-Single. Was den Österreichern insgesamt ein gutes Zeugnis ausstellt.

Mit dem Fahrwerk der 690 SM geht KTM gänzlich neue Wege. Man hat sich zu einem stählernen Gitterrohrrahmen mit angeschraubtem Alu-Heckrahmen entschlossen und der Vorteil der aufwendigen Konstruktionen ist fühlbar: Die Stabilität der SM ist unerschütterlich. Die Feder- und Dämpfungselemente sind hochwertig und vorzüglich abgestimmt, wobei die Dimension der

Roh und doch kein Rauhbein (Foto: N/A)

Upside-down-Gabel mit 48 Millimeter Durchmesser erwähnenswert groß ausgefallen ist. So ist die KTM insgesamt von derart mustergültiger Handlichkeit, dass Kurvenfahren die pure Freude ist.

Das Bremsen: eine Freude

Zwei technische Schmankerl kommen ihr dabei zugute: Die Antihoppingkupplung schaltet das lästige Hinterradstempeln beim Herunterschalten im harten Anbremsen aus und die radial montierte Bremszange vorne lässt sich hervorragend dosieren - so transparent wünschte man sich das Bremsen auf allen heutigen Bikes.

Dass ein abschaltbares ABS dabei durchaus seine Vorteile hat, ist ein Gedanke, an den man sich in Mattighofen noch nicht so recht gewöhnen möchte. Aber die Zeit wird's womöglich richten.

In den Punkten Sitzposition, Ausstattung und Verarbeitung verspielt die KTM 690 SM kein bisschen von dem Kapital, das sie in den Kapiteln Motor, Fahrwerk und Bremsen eingespielt hat.

Mit 8398 Euro trägt die KTM 690 SM ein für einen Einzylinder bemerkenswertes Preisschild; sie wird da nur noch von der neuen BMW G 650 Xmoto geringfügig übertroffen.

Auch wenn der mitteleuropäische Markt für Einzylinder nicht gerade von überschäumender Nachfrage gekennzeichnet ist, so wird dieses Modell mit diesem Motor, von dem noch einige weitere Modellvarianten zu erwarten sind, vermutlich seinen Weg machen. Die Revolution in Orange ist jedenfalls erst einmal vollbracht.

© SZ vom 24.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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