Ersatzreifen:Die Luft ist raus

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Die Zeiten ändern sich: Die Tage des fünften Rads am Wagen sind gezählt. Der Ersatzreifen wird bald von der Bildfläche verschwinden.

Wann hat man sich das letzte Mal das Ersatzrad im Auto angeschaut? Viele merken beim Plattfuss erst mit Schrecken, dass kein fünfter Pneu, sondern ein Reparaturset unter dem Ladeboden schlummert. Andere haben den Ersatzreifen irgendwann einmal gebraucht und fahren seit Jahren mit leerer Mulde durch die Welt.

Der Unterschied ist deutlich zu erkennen: rechts ist Runflat. (Foto: Foto: BMW)

So richtig gemocht wurde das fünfte Rad noch nie. Anfang des 20. Jahrhunderts machte es die Optik vieler Autos kaputt. Intelligente Unterbringungsmöglichkeiten gab es nicht. So wurde der Reifen einfach seitlich oder am Heck außen am Fahrzeug befestigt. Im Laufe der Jahre hat man die runde Sache immerhin verkleidet.

Die Autos wurden schneller und schwerer - die Reifen immer größer. Den Ingenieuren war der Pneu schon lange ein Dorn im Auge, verbrauchte die Nummer 5 doch viel Platz und sorgte mit ihrem Gewicht für einen erhöhten Kraftstoffverbrauch.

Harte Wände

Immer weniger Autos sind heute mit einem Ersatzrad ausgestattet. Die üblichen Reparatur-Kits sind jedoch nur ein Zwischenschritt. BMW setzt als erster Hersteller weltweit auf die wegweisende Runflat-Technologie. Die meisten weißblauen Autos sind daher nicht mehr mit einem fünften Rad oder einem Kompressor-Kit unterwegs. Vielmehr lässt sich ein defekter Reifen bis zu einer Geschwindigkeit von 80 km/h weiter nutzen.

Das Prinzip ist einfach: Die Reifen verfügen über verstärkte Seitenwände. Hat der Pneu einen Plattfuß, kann das Fahrzeuggewicht durch die härteren Seitenwände weiter getragen werden. Das reicht allemal für die Strecke bis zum nächsten Pannendienst. Tests haben ergeben: Die Reifen können im Notfall mehr als 150 Kilometer zurücklegen. Der Fahrer merkt gegebenenfalls durch ein Signal vom Reifendruck-Kontrollsystem und wohl meistens am Fahrverhalten, wenn ein Reifen platt ist - kann jedoch mit dem leicht schwammigen Fahrverhalten ungefährdet weiterfahren.

Die Vorteile neben der Gewichts- und Platzersparnis liegen auf der Hand: Die - ohnehin überaus seltenen - Reifenplatzer sind ebenso keine Gefahr mehr wie ein gefährlicher Reifenwechsel am dunklen Straßenrand. Das sorgt für Sicherheit.

Druck-volle Diskussion

Die Nachteile der Runflat-Reifen sind rar. Durch die härten Seitenwände fährt sich das Auto eine Spur härter und unkomfortabler als ein Reifen mit normaler Seitenwand. Doch praktisch nur Experten merken den Unterschied, und gerade bei einem sportlichen Auto gibt es Schlimmeres als ein strammes Abrollen. Zudem soll der Mehrverbrauch aufgrund der härteren Mischung bei mindestens einem Prozent liegen. Doch wahre Dimensionen sehen anders aus.

BMW macht in der Reifendiskussion seit Jahren viel Druck und hat seine Modelle nach und nach umgestellt. Auch Winterreifen sind längst als Run-Flats zu bekommen. Bei den anderen Herstellern hinkt man deutlich hinterher. Mercedes-Benz bietet den Runflat-Pneu nur als Option. Die Ausstattungsquote liegt je nach Fahrzeugklasse bei zehn bis 35 Prozent, Tendenz steigend.

Teurer Pax-Pneu

Audi setzt seit einigen Jahren mit überschaubarem Erfolg auf eine andere Lösung. Auch hier können zum Beispiel die Modelle der luxuriösen A8-Reihe nach einem Reifenschaden weiterfahren. Beim Pax-System, das zusammen mit dem französischen Reifenhersteller Michelin entwickelt wurde, fährt das Fahrzeug auf einem von außen unsichtbaren Gummiring auf der Innenfelge weiter - auch wenn der Reifen keine Luft mehr hat.

Pax ist gut, jedoch deutlich aufwändiger und teurer als andere Systeme. Man benötigt spezielle Reifen und Felgen. Zudem muss der Handel besondere Geräte haben, um Pax-Reifen beziehen zu können. Folge: teuer und schlecht zu verkaufen. Nur wenige Audimodelle sind daher mit Pax-Lösungen unterwegs. Der Aufpreis liegt inklusive Breitreifen für einen Audi A8 bei mehr als 2100 Euro. Zudem bietet Pax-Erfinder Michelin selbst mittlerweile einen Runflat-Reifen an.

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