Driving over Leopold (7): Honda Legend:Das höfliche Sushi

Lesezeit: 3 min

Warum nur entspricht der Honda Legend gewissen Klischees, die ich so über Japan im Kopf habe? Die Geschichte eines Erstkontakts.

Günther Fischer

Bemühen wir sie einfach mal, die Klischees: Wie sind sie, die Japaner? In meiner westeuropäisch zentrierten Denkweise erlebe ich sie als immer höflich, immer nett, sehr zurückhaltend, freundlich und bienenfleißig. Letzteres muss wohl so sein, ist doch die Aufholjagd der japanischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg fast ebenso legendär wie die rasante Entwicklung ihrer Automobile. Nicht ohne Grund ist Toyota inzwischen die Nummer eins unter den Autobauern der Welt.

Das Knöpfchenparadies: Zu bedienen gibt's viel im Honda Legend. (Foto: Foto: David Fischer)

Ein Luxuxmobil, aber ein sehr unauffälliges

Aber eigentlich will ich hier von Honda sprechen. Vom Legend, dem "Flaggschiff" der Honda-Truppe, ihrem Luxusmobil. Ob als Anspielung auf Japans Geschichte oder als Neustart eines Automobils, das es vor 20 Jahren schon einmal unter diesem Namen gab, ist eigentlich egal: Die Namensgebung ist für japanische Verhältnisse jedenfalls äußerst extrovertiert und mutig - schließlich ist das Auto nicht gerade ein Blickfang, trotz stattlicher 4,96 Meter Länge.

Ich mache erst mal einen kleinen Rundgang: Die Nase des Legend mit dem mächtigen Grill und den großen Scheinwerferaugen ist ziemlich weit nach vorne gezogen (sind nicht eigentlich wir Westler die Langnasen?), von der Seite erinnert er an Passat/Phaeton und von hinten, ja doch, an den 7er-BMW. Das Motto könnte also sein: bloß nicht auffallen bitte. Honda tritt also, ganz meinem Klischee entsprechend, mit vornehmer Zurückhaltung an.

Ob er's dafür faustdick unter der Haube hat? Nichts wie rein. Haben Sie schon mal versucht, sich in Tokios Innenstadt zu orientieren? All die bunt flimmernden Aufschriften, die Werbeplakate zu identifizieren, um zu wissen, wo Sie hin müssen? Das Cockpit und das Lenkrad des Legend hinterlassen beim ersten Mal einen ähnlichen Eindruck: Sie sind übersät mit Knöpfchen und Schaltern.

Die Unauffälligkeit des Luxus: Auch seitlich und von hinten sind dem Legend seine Talente nicht anzusehen. (Foto: Foto: David Fischer)

Es ist erstaunlich: Die Entzifferung des ersten Schaltknopfs führt unweigerlich zum nächsten. So geht es weiter - nach fünf Minuten ist mir der Arbeitsplatz hinterm Lenkrad vertraut wie mein zwei Jahre alter PC. Wenn man überhaupt von Arbeitsplatz sprechen kann: Abgesehen von den Irritationen, die das Cockpit beim Erstkontakt hinterlässt, ist das Wohlfühlambiente äußerst gelungen.

Ich versuche einen standesgemäßen Ausflug. Die 295 PS des Motors lassen den Legend wieselflink und mühelos durch den Verkehr wuseln. Aber es ist nicht nur die Kraft: Im Auto arbeitet ein "Super Handling" genannter Allradantrieb, der der Sicherheit und der Fahrdynamik auf die Sprünge hilft: Denn zum ersten Mal kann die Technik die Antriebskraft nicht nur zwischen vorn und hinten verteilen, sondern auf der Hinterachse auch zwischen links und rechts. So viel zur Theorie. Im Alltag merke ich nur, dass es einfach Spaß macht, mit dem Zweitonner um die Kurven zu räubern. Nur in engen Gassen ist zu spüren, dass ich eigentlich in einem ziemlich großen und ziemlich breiten Auto sitze.

Lärm wird mit Gegenlärm eliminiert

Auch die sechs Zylinder brummen beruhigend - allerdings muss ich mich, um sie zu hören, sehr darauf konzentrieren. Schließlich gibt's im Legend eine "Active Noise Cancelation" - eines der vielen technischen Sushis, die sich im Legend befinden: Mikrofone im Dachhimmel analysieren alle Störgeräusche und kompensieren sie mit Gegenschall aus den Lautsprechern. Selten war der Lärme der Außenwelt so ausgesperrt, selten die Musik an Bord so herrlich zu genießen.

Natürlich gibt es noch mehr Technik-Sushis: Zwei-Zonen-Klimautomatik, Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Kurvenlicht, Schiebedach, Rückfahrkamera, DVD-Navigation. Und all das ist bei einem Preis von 54.600 Euro serienmäßig mit dabei.

Das leckerste Sushi allerdings ist der Tempomat mit automatischer Abstandsregelung - obwohl es mich zunächst etwas erschreckt: Als ich kurz vorm Überholen meinem Vordermann etwas zu sehr auf die Pelle rücke, ertönt ein Warnsignal, leuchtet ein orangfarbenes Warnsymbol im Armaturenbrett auf, der Gurt ruckt und wird straffer, der Wagen bremst leicht. Nicht schlecht, hat aber auch bisschen was Erzieherisches. Der Sicherheit dient's prima, die Autobahnfahrt geht damit entspannter vor sich.

Endlich: Vorfahrt am Nymphenburger Schloss. Bin ich nun enttäuscht? Der Legend passt zwar prima ins Ambiente, kurvt mit mir allerdings ziemlich unauffällig herum. So unauffällig, dass nicht mal die Truppe der anwesenden Polizisten bemerkt, dass ich aus Versehen glatt gegen die Einbahn fahre. Und die eigene Frau meint in diesem Moment doch auch noch: "Endlich mal ein Wagen, mit dem man nicht so obszön auffällt."

Sollten die Japaner mit ihren Tugenden am Ende schließlich doch recht haben? Ich find's irgendwie schade, dass all die anderen Autofahrer nicht sehen können, was für ein prächtiges Teil ich da bewege, das sich - ganz höflicher Japaner - meistens allen Wünschen seines Besitzers unterordnet.

Vielleicht bin ich aber auch nur zu westlich. Irgendwie wünsche ich mir doch etwas mehr Charakter (Alfa), etwas mehr Coolness (Mini), etwas mehr transportiertes Lebensgefühl (Fiat 500). Der Legend heißt zwar so, aber eine Legende kann man nicht qua Namensgebung verordnen. Auch die Japaner nicht.

Und schon gar nicht einem Auto, dass wie ein höfliches Sushi wirkt.

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