Der Pensionär im Porsche:Ein Cabrio für den Lebensabend

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Mehr als ein Drittel aller Autokäufer in Deutschland ist älter als 60 Jahre. Eine Automechanika-Studie spricht von "Vergreisung der Gesellschaft".

Harald Schwarz

Die Vorstellung, dass ein rüstiger, braungebrannter, mehr als 70 Jahre alter Rentner mit Sonnenbrille sich seinen Lebenstraum erfüllt und ein Cabrio zulegt, ist gar nicht so abwegig, wie man vielleicht zunächst denken könnte. Denn die privaten Neuwagenkäufer in Deutschland sind immer älter. Das zeigt eine Studie von Ferdinand Dudenhöffer, die der Professor von der Fachhochschule Gelsenkirchen zur Fachmesse Automechanika erstellte.

Das Haus ist abbezahlt, die Kinder sind aus dem Haus - da bleibt manchem Rentner unter Umständen Geld für den lang ersehnten Sportwagen übrig. Neuwagen-Käufer sind einer Studie zur Automechanika zufolge in Deutschland immer älter. (Foto: Foto: Getty Images)

Demnach waren im vergangenen Jahr hierzulande immerhin 13,6 Prozent der Autokäufer älter als 70 Jahre. Bei sogar 36,3 Prozent aller Neuzulassungen hatte der Autokäufer das 60. Lebensjahr erreicht oder überschritten. Diese Quote lag damit noch höher als in der Altersklasse von 30 bis 49 Jahren, die auf einen Anteil von lediglich 34,9 Prozent an den privaten Neuwagenkäufen kam. Und nur 3,8 Prozent machte die Gruppe der stolzen Besitzer eines neuen Autos aus, in der die 18- bis 29-Jährigen erfasst werden.

Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass mancher Rentner oder Pensionär seinen Lebensabend mit einem Cabrio oder Sportwagen schmückt. Dudenhöffer freilich spricht von einer "Vergreisung der Gesellschaft", die auch das Bild auf den Straßen mitbestimme. In seiner bis zum Jahr 2025 angelegten Untersuchung heißt es, neben dieser "Vergreisung" bremsten die sinkenden Bevölkerungszahlen und die vorausgesagten weiteren Aufschläge bei den Treibstoffpreisen die langfristige Entwicklung auf dem deutschen Automarkt.

Dem Experten zufolge wird dieser in den nächsten Jahren ein "Sättigungsniveau" erreichen. Die Schwelle, an der weniger als drei Millionen Pkw-Verkäufe jährlich registriert werden, erwartet er in Deutschland um das Jahr 2020. Dies werde auch Auswirkungen auf die Größe und das Arbeitsplatzangebot der Autoindustrie haben, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Westeuropa. Es möge paradox klingen, so Dudenhöffer, doch werde der Fahrzeugbestand weiter steigen. Hauptgrund dafür seien die jährlich sinkenden Fahrleistungen, die ihre Ursachen in der alternden Bevölkerung und in steigenden Treibstoffpreisen hätten. Dudenhöffer: "Damit altern Personenwagen langsamer und bleiben länger auf der Straße."

Für die 4680 Aussteller, die ihre Produkte bei der in der nächsten Woche in Frankfurt beginnenden Fachmesse Automechanika präsentieren, ist das zunächst einmal eine gute Nachricht: Denn ein wachsender Fahrzeugbestand bedeutet ein steigendes Potential für Werkstatt- und Servicebesuche. Allerdings werden auch die Autohersteller selbst die zunehmende Bedeutung des Service- und Ersatzteilemarktes erkennen, was den Druck auf das Kfz-Gewerbe erhöhen wird.

Die in den kommenden Jahren zunehmende Zahl von Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen bringt die Branche, der in Deutschland 39.500 Autohäuser und Werkstätten mit 468.000 Beschäftigten angehören, zugleich in Zugzwang. Sie muss investieren, um für Leistungen rund um diese neuen Wagen gerüstet zu sein. Parallel dazu gilt es, Autos mit dem klassischen Verbrennungsmotor zu betreuen. "Wichtige Umsatz- und Ertragsbringer wie etwa Schmierstoffe, Abgasanlagen, Zündkerzen und Motorfilter werden durch die Entwicklung zum Elektromotor an Bedeutung verlieren", sagt Dudenhöffer voraus.

Dass ein tiefer Strukturwandel einsetzen wird, ist auch Robert Rademacher klar. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes sagt: "Wir haben uns mit einer neuen automobilen Realität zu arrangieren." Von Krise in der Branche will er zwar nicht sprechen, doch räumt er einen "Erdrutsch bei den Erträgen" ein. Ihm zufolge erwirtschaftete ein durchschnittlicher Kfz-Betrieb mit Neu- und Gebrauchtwagenhandel sowie Werkstatt im vergangenen Jahr eine Umsatzrendite vor Steuern von 0,3 bis 0,4 Prozent, wobei allein die Service-Abteilung mit ihrer Rendite von fünf Prozent die Firma vor einem Verlust bewahrte. In diesem Jahr stehe die Rendite weiter unter Druck, sagt Rademacher, der anfügt: "Bisher konnten wir sie mit der Lupe sehen, jetzt brauchen wir ein Mikroskop."

Autofahrer, die sich in diesem Umfeld günstigere Werkstattpreise wünschen, werden daher mit ziemlicher Sicherheit enttäuscht. Sie werden sich künftig ohnehin entscheiden müssen, welchem Geschäftssegment sie angehören wollen. Dudenhöffer sagt nämlich eine "Spaltung des Marktes" voraus. Auf der einen Seite wird es somit die Sparte der abgespeckten Billigautos nach dem Vorbild des Dacia von Renault geben und andererseits den Zweig mit hochinnovativen Autos, die dank neuester Technik "mitdenken" können.

© SZ vom 12.9.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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