Der neue Fiat 500:Ein Volk tobt sich aus

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Demokratisches Design: Fiat lässt jeden im Internet am neuen 500er mitgestalten. Zumindest ein bisschen. So entstehen täglich neue virtuelle Blechkugeln, die zwischen Computerspiel-Ästhetik, Teenie-Träumerei und grandios schlechtem Geschmack rangieren. Auf den ersten Blick ein großer Werbewurf.

Sebastian Viehmann

Rallyestreifen auf der Haube? Verchromte Stoßstangen? Oder doch lieber eine Flower-Power-Lackierung mit bunten Blümchen auf rosa Grund? Wer nicht warten will, bis der neue Fiat 500 im September vorgestellt wird, kann sich schon jetzt seinen Traum-"Cinquecento" zusammenstellen. Die Internet-Seite fiat500.com macht's möglich.

Jeder darf mal Hand anlegen. Der neue Fiat 500. (Foto: Screenshot: fiat500.com)

13 Millionen Registrierte

Hier können sich Fiat-Fans bei der virtuellen Gestaltung des Autos austoben, eigene Soundtracks zusammenbasteln oder an Design-Wettbewerben teilnehmen. Neun Monate vor dem geplanten Verkaufstart des Autos haben sich schon mehr als 13 Millionen Besucher auf der Website registriert. Im kürzlich eröffneten "Concept Lab II" geht es um das Interieur der Kult-Kugel: Polster, Farben, Armaturenbrett und Accessoires - der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

So ganz nebenbei präsentiert Fiat auf diese Weise auch zum ersten Mal einen virtuellen Blick in den Innenraum des Wagens. Schließlich ist der neue Fiat 500 noch ein Phantom: Zu sehen gab es bislang nur die Design-Studie "Trepiùno". Selbst auf der Automesse in Bologna mussten sich die neugierigen Besucher mit neuen Versionen des Panda begnügen. Dafür war der Slogan "500 wants you" allgegenwärtig, und ein originaler Fiat 500 durfte sich über attraktive Damen freuen, die sich auf seiner Motorhaube räkelten.

Giorgio Armani hat entschieden

Die ersten Wettbewerbe auf der Website hat Fiat bereits abgeschlossen, etwa den "Designboom-Contest". Die Teilnehmer waren aufgerufen, in drei Kategorien jeweils auf den Charakter des neuen Fiat 500 abgestellte Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen. Das unter bewertung einer international besetzten Jury mit Star-Designer Giorgio Armani und Fiat-Präsident Luca Cordero di Montezemolo.

Bis zur Markteinführung des 500 will Fiat seine Kunden mit weiteren Aktionen bei der Stange halten. Ebenso ungewöhnlich wie einmalig ist zum Beispiel der "Baby Boom Contest". Die Aktion richtet sich an schwangere Frauen, deren Babies aller Voraussicht nach am 15. September 2007 geboren werden - dem Tag, an dem auch der neue Fiat 500 "auf die Welt kommt". "Mütter, deren Kinder tatsächlich zu diesem Zeitpunkt das Licht der Welt erblicken, haben die Chance, einen Fiat 500 zu gewinnen - sie müssen dazu nur eine Kopie der Geburtsurkunde einsenden", heißt es bei Fiat.

Wer zurzeit keinen Nachwuchs plant, kann sich beim "500 Sticker Art Contest" austoben. Dabei gestalten die Teilnehmer das Außendesign des neuen Fiat 500 in Form von Stickern. Der beste Vorschlag wird von der 500-Web-Community per Online-Abstimmung ermittelt. "Der Sieger erhält einen Geldpreis, sein Entwurf fließt in die Gestaltung des künftigen Lifestyle-Minicars mit ein", versprechen die Italiener.

Design
:Der neue Fiat 500

Fiat lädt zum Designen: Auf der Internetseite www.fiat500.com kann jeder seinen persönlichen Wunsch-500er gestalten. So entstehen täglich etliche neue virtuelle Blechkugeln, die zwischen Computerspiel-Ästhetik, Teenie-Träumerei und einfach nur grandios schlechtem Geschmack rangieren. Eine Auswahl in Bildern

Nicht nur die Wettbewerbe zeigen, dass die Webseite mehr ist als ein Marketing-Gag, um potenzielle Kunden neugierig zu machen. Fiat bekommt massenhaft Daten für die Marktforschung - und das fast kostenlos.

Cleverer Schachzug

Die zahlreichen Design-Entwürfe und Zuschriften der User zeigen den Fiat-Strategen, auf welche Details viele potenzielle Kunden besonderen Wert legen. Das könnte sich am Ende als cleverer Schachzug erweisen: Statt nach dem Motto "Friß oder Stirb" ein fertiges Konzept zu präsentieren, können die Italiener auf das Feedback reagieren und am Konzept des 500 noch etwas feilen.

Man darf gespannt sein, wie groß die Optionsvielfalt beim Serienmodell tatsächlich sein wird. Auch einer anderen Neuauflage eines Kult-Klassikers hat die Wandlungsfähigkeit zum Erfolg verholfen: Beim neuen Mini gibt es allein 319 Kombinationsmöglichkeiten für die Außenausstattung und 372 Optionen für die Innenraumgestaltung. Das führt zu der aberwitzigen Zahl von 15.000.000.000.000.000 theoretisch möglichen Kombinationen.

Ein echter Kleiner

Mit etwa 3,3 Metern Länge dürfte sich der wieder geborene Cinquecento den Namen "Kleinwagen" redlich verdienen. City-Flitzer wie Opel Corsa oder VW Fox sind einen halben Meter länger. Die minimalen Überhänge, die breite Spur, die kurze Motorhaube und das Kuppeldach sollen im 500 maximalen Platz schaffen.

Den Innenraum will Fiat einfach gestalten, ohne auf moderne Elemente zu verzichten. Die Design-Studie Trepiùno zeigte ein innovatives Sitzkonzept: Der Beifahrersitz kann dank flexibler Armaturenblende weit nach vorn geschoben werden, wodurch sich der Fußraum für den dahinter sitzenden Passagier erheblich vergrößert.

In die Herzen geknattert

Neben Mini, Ente und Käfer hat kein Auto einen derartigen Kultstatus, wie ihn der Fiat 500 erreicht hat. Das Ur-Modell von 1936 wurde von den Italienern liebevoll "Topolino" (Mäuschen) genannt und hatte gerade mal 13 PS.

Seine kugelrunde und unverwechselbare Form hat der 500er erst seit 1957. Als "Nuova 500" (neuer 500) knatterte er sich sofort in die Herzen der Italiener und wurde bis 1975 in kaum veränderter Form gebaut - fast vier Millionen mal. Besonders beliebt war die Faltdach-Version, die den Cinquecento zum Cabrio der einfachen Leute machte. Die Option wurde so oft geordert, dass ein 500 ohne Faltdach ein eher seltener Anblick war.

In Deutschland konnte der spartanisch ausgestattete Fiat nie so recht Fuß fassen. Sein Name wurde schon mal gern mit dem Spruch "500 gute Gründe, keinen Fiat zu fahren" verballhornt. In Italien gehörte der kleine Flitzer auch Jahrzehnte nach seinem Produktionsstopp noch zum alltäglichen Straßenbild.

Der Neue ist ein Pole - wieder

In Polen lief ein Lizenzbau als Fiat 126 sogar bis ins Jahr 2000 vom Band. Wenn der Rost sie nicht dahinrafft, werden sie auch nicht so schnell von den Straßen verschwinden. Den Charme des Originals erreichte der "Polski-Fiat" allerdings nie.

Ironie der Geschichte: Der neue Fiat 500 wird in Polen vom Band laufen und sich die Plattform mit dem Panda sowie dem neuen Ford Ka teilen. Abzuwarten bleibt, ob der Neue es schafft, den Status seines Ahnen zu erreichen.

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