Das Forschungsprojekt Invent:Sicher und staufrei fahren

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Die mobile Gesellschaft steckt in der Zwickmühle: Zum einen sind Verkehr, Transport und Mobilität wichtige Wirtschaftsfaktoren und ein wesentlicher Bestandteil von Lebensqualität. Zum anderen wird steigendes Verkehrsaufkommen aber auch von Unfällen und Staus begleitet. Was tun?

Einen Weg aus dem Dilemma sollte die vor vier Jahren von der Bundesregierung gegründete Forschungsinitiative Invent für "intelligenten Verkehr und nutzergerechte Technik" finden. Sie ist in diesem Sommer mit einem Hoffnungsschimmer zu Ende gegangen.

Nahe Zukunft: Das Auto lenkt von alleine. (Foto: Foto: press-inform / Opel)

Die mehr als 20 Invent-Partner aus Industrie und Wissenschaft haben die Entwicklung einer Fahrzeuggeneration auf den Weg gebracht, die in der Lage sein wird, "in kritischen Situationen selbstständig zu handeln", bilanziert das Forschungsministerium in Berlin. Dabei verfolgen die Entwickler vor allem zwei Ziele: Das Fahren soll sicherer und flüssiger werden.

Für noch mehr Sicherheit sollen künftig neue Assistenzsysteme sorgen, die den Fahrer in komplexen Verkehrssituationen unterstützen. So lassen sich nach Angaben von BMW-Sprecher Michael Blabst bis zu zwei Drittel aller Unfälle auf Spurhaltung, Spurwechsel und falsches Verhalten an Kreuzungssituationen zurückführen. Deshalb haben BMW und Mercedes im Rahmen des Projekts Testwagen auf die Räder gestellt, die Stoppschilder oder querenden Verkehr an einer Kreuzung erkennen und den Fahrer warnen.

Der Querführungs-Assistent

Außerdem unterstützt die Elektronik den Menschen beim Halten oder Wechseln der Fahrspur, indem Sensoren die Farbahnmarkierungen und den Toten Winkel überwachen und auch das Lenken unterstützen. "Allein mit diesem Querführungs-Assistenten adressieren wir etwa 20 Prozent der möglichen Unfallsituationen", sagt BMW-Sprecher Blabst.

Ebenfalls unterstützt werden die Fahrer im Stau. So hat etwa Opel für Invent einen Vectra GTS umgerüstet, der nach Angaben von Pressesprecher Ulrich Weber mit Lasersensoren und Kameras automatisch im Stop-and-go-Verkehr "mitschwimmt".

Dabei orientiert der Testwagen nicht nur sein Tempo am Vordermann, bremst bis zum Stillstand ab und fährt auch automatisch wieder an. Mit Hilfe der Fahrspurinformation sowie einer weiterentwickelten Servolenkung übernimmt der Stauassistent auch die Spurhaltung. "Abweichungen von der Fahrbahnmitte werden durch Lenkeingriff selbstständig korrigiert."

Eine Viertelmilliarde

Damit es nicht erst zu Staus und Behinderungen kommt, haben die Invent-Teilnehmer neue Ansätze für Navigation und Verkehrsmanagement gesucht. Nach einer ADAC-Studie bedeutet der tägliche Stau auf deutschen Straßen einen Zeitverlust von rund 13 Millionen Stunden, einen zusätzlichen Kraftstoffverbrauch von 33 Millionen Litern und einen volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 250 Millionen Euro. Diese Folgen könnten mit neuen Straßen gemindert werden. Weil dafür aber Geld und Platz fehlen, muss der vorhandene Verkehrsraum besser genutzt werden.

Dafür setzt die Industrie vor allem auf Navigationssysteme, die ihre Routenplanung an der realen Verkehrslage orientieren. Deshalb wollen die Invent-Forscher nach Angaben von Walter Scholl aus dem Projektbüro nicht nur die aktuellen Verkehrsmeldungen aus dem Radio nutzen, sondern auch Umweltdaten wie Wetter oder Luftqualität, Nachrichten über Baustellen oder Großveranstaltungen und die Informationen aus anderen Fahrzeugen.

Diese machen die Techniker quasi zu Pfadfindern, die als fahrende Sensoren den tatsächlichen Verkehrsfluss ermitteln und an eine Zentrale senden, von der aus die Informationen wieder an alle anderen Verkehrsteilnehmer verteilt werden.

Vorbei am Stau

Ein günstiger Nebeneffekt dieses "Floating Car Data"-Szenarios ist der aktualisierte Straßenzustandsbericht. So können intelligente Fahrzeugsysteme nach Angaben des Projektbüroleiters nicht nur die Verkehrsdichte ermitteln, sondern auch vor Nebel oder Glatteis warnen.

Zwar ist die in den Invent-Fahrzeugen montierte Technik nach Angaben der Ingenieure oft noch ein bis zwei Fahrzeuggenerationen von der Serienreife entfernt. Doch zumindest die ersten Vorstufen künftiger Assistenzsysteme sind bereits verwirklicht: So fahren viele Navigationssysteme nach Angaben von Bosch in Stuttgart mit Hilfe der in den so genannten TMC-Daten verschlüsselten Verkehrsinformationen schon heute am Stau vorbei.

Die neue Mercedes S-Klasse schwimmt laut Firmensprecher Norbert Giesen dank "Distronic Plus" nahezu selbstständig im zäh fließenden Verkehr mit.

Citroën hält die Fahrer von C4, C5 und C6 nach Angaben der Presseabteilung mit einem Vibrationsalarm im Sitz auf der Ideallinie.

Und der neue Audi Q7 macht den Fahrer beim Spurwechsel mit einem Blinklicht im Rückspiegel auf einen zu schnell auffahrenden Hintermann aufmerksam. "Ein Anfang ist also längst gemacht", sagt Audi-Sprecher Udo Rügheimer.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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