(SZ vom 22.04.1995) Eines vorweg: Mein Typ ist er nicht. Zu klein, nichts auf den Rippen, zu wenig Power. Und doch verfügt er über das gewisse Etwas, daß sich ein Flirt lohnt. Gemeint ist der Daihatsu Cuore, der Zwerg unter den mobilen Einkaufskörben. Seit 15 Jahren nun in Aktion, schickt Daihatsu die Steilhecklimousine nicht etwa in Pension, sondern verordnete ihr eine kosmetische Operation.
Auffälligste Änderung: Passé ist die markante, kantige Optik, statt dessen rollt der Cuore nun ebenfalls im abgerundeten Blechkleid daher. Schade, denn damit hat er auch etwas von seinem eigenständigen Charakter verloren.
Am ursprünglichen Konzept - klein, leicht und sparsam - wurde jedoch nicht gerüttelt, lediglich sanft korrigiert. So präsentiert sich die Neuauflage des Cuore mit 3,31 Metern um 15 Millimeter länger, um 25 Millimeter höher (1,44 Meter) sowie mit 20 Millimeter längerem Radstand (2,30 Meter). Das Ergebnis ist ein für die Klasse riesiger Innenraum, in dem selbst großgewachsene Germanen ausreichend Platz finden. Ob sie sich darin auch wohl fühlen, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Kommandozentrale des Mini- Mobils ist etwa so spartanisch wie eine Klosterzelle. Vier Sitze, ein Lenkrad und ein Schalthebel - je nach Gusto Fünfgang oder Automatik (dreitürig mit Automatik 15 890 Mark). Auch beim neugestalteten runden Cockpit beschränkten sich die Väter des Cuore mit einem Tachometer, Drehzahlmesser (nur GLX-Version) sowie einer Benzinanzeige auf das Notwendigste. Besonders lästig: Bis auf die Ablagefläche im Armaturenbrett auf der Beifahrerseite verfügt der Cuore auch über keinerlei Staumöglichkeiten.
Also doch lieber die S-Klasse bestellen. Doch die gibt es eben nicht für 12 990 Mark. Soviel, besser gesagt so wenig kostet der neue Daihatsu Cuore in der dreitürigen Basisversion. Und damit kann man immerhin verhältnismäßig bequem von zu Hause Richtung City eilen. Schließlich schafft der leiser gewordene Dreizylinder (847 ccm Hubraum, 32 kW/44 PS) locker auf jeder Schnellstraße 135 km/h und erobert sich mit 16 Sekunden von Null auf 100 km/h auch an der Ampel mühelos die Pole-Position. Überhaupt ist die City sein Revier: Nach dem Schokoladen-Motto 'quadratisch - praktisch - gut' schlüpft er durch jede noch so kleine Lücke, findet Platz in der kleinsten Hütte, ist dank großer Fensterflächen extrem übersichtlich und selbst ohne Servolenkung leicht zu rangieren. Auch dem Tütenansturm am langen Donnerstag pariert er gekonnt: Heckklappe auf, Tüten rein, Klappe zu.
Praktisch ist er also ohne Zweifel, nur mit der Sicherheit hapert es. An einen Crash wollen wir im Cuore lieber nicht denken. Alleine die Antwort auf das sanfte Klopfen an den Türen läßt einen nachdenklich stimmen. Sie klingt so hohl wie jene von einem leeren Ölfaß. ABS sucht man beispielsweise in der Aufpreisliste ebenso vergebens wie den Airbag. Letzteres soll wenigstens in diesem Jahr noch lieferbar sein.
Dennoch mangelt es dem niedlichen Kleinen nicht an Fans. 49 000 Cuore wurden seit dem Verkaufsstart Anfang der achtziger Jahre an die Frau gebracht. Möglicherweise sind es die Unterhaltskosten und der Verbrauch (5,3 Liter auf 100 Kilometer im Drittelmix), daß sich selbst Damen in noblem Nerz zum Cuore bekennen. Seltsam, aber wahr.
Von Ina Reckziegel