Chevrolet S-10 Pickup 4.3 V6 4WD:Für den Freizeit-Rancher

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General Motors präsentiert Modelle für Pickup-Fans

(SZ vom 24.06.1995) In den USA sind Pickups die selbstverständlichste Sache der Welt. Kein Mensch fragt nach Sinn oder Nutzen dieser kleinen Lastwagen mit offener Ladefläche, sie gelten einfach als praktisch und werden millionenfach verkauft. Jeder amerikanische und fast alle japanischen Autohersteller haben Pickups im Programm - allein die US-Firmen bieten Hunderte von Varianten an. Hierzulande ist das anders, da konnten sich die Pickups nach US- Vorbild nie gegen die etablierten Lieferwagen mit Kasten- oder Pritschenaufbau, etwa den VW-Transporter, den Ford Transit oder die kleinen Mercedes-Transporter, durchsetzen. Dennoch spricht man in der Branche derzeit von einem Pickup-Boom, weil sich die Zahl der angebotenen Modelle in den letzten beiden Jahren stark vergrößert hat.

Von sofort an versucht auch der weltgrößte Automobilhersteller, General Motors, in dieser winzigen Marktnische ein Wörtchen mitzureden und präsentiert eine Modellreihe aus seinem umfassenden Pickup-Programm für den deutschen Markt. Der Chevrolet S-10 ist das jüngste Produkt aus der Lkw-Abteilung des Konzerns, auf dem amerikansichen Markt löste er im letzten Jahr seinen mehr als zehn Jahre lang gebauten Vorgänger ab. In den USA zählt man den S-10 zur Kategorie Small Size Pickups, was nach europäischen Maßstäben nicht unbedingt einleuchten mag - der Chevrolet ist etwa so lang wie ein S-Klasse-Mercedes, sofern er die verlängerte Kabine mit den beiden Notsitzen hat. Es gibt aber auch kürzere Ausführungen im deutschen Modellprogramm des S-10 Pickup, das insgesamt 15 Varianten umfaßt.

Neben der Wahl zwischen Standard- und verlängerter Kabine kann der Käufer noch zwischen kurzer und langer Ladepritsche sowie zwischen zwei Motorisierungen und daran gekoppelten Antriebssystemen wählen. Beide Motoren sind Benziner, was im Umfeld der anderen in Deutschland verkauften Pickups die absolute Ausnahme darstellt. Der kleinere hat 2,2 Liter Hubraum, vier Zylinder, 88 kW (120 PS), Fünfganggetriebe und Hinterradantrieb. Das größere Triebwerk ist eine V6-Maschine mit 142 kW (193 PS) aus 4,3 Liter Hubraum und wird grundsätzlich mit Automatikgetriebe und zuschaltbarem Allradantrieb ausgerüstet. Die Preisspanne der Kleinlastwagen reicht von 29 800 Mark für das Basismodell bis zu 60 050 Mark für die Topversion.

Den einfachen Varianten des Chevrolet Pickup dürften hierzulande kaum über eine krasse Außenseiterrolle hinauskommen. Denn was in aller Welt sollte einen deutschen Handwerker dazu veranlassen, vom Volkswagen-Pritschenwagen mit sparsamem Dieselmotor auf den durstigen Chevrolet-Benziner umzusteigen, der auch nicht weniger kostet? Die teuren, starken Versionen des S-10 Pickup haben da bessere Chancen. Denn sie erheben gar nicht erst den Anspruch der Vernunft, sondern präsentieren sich dem Freund amerikanischer Automobile als interessante Alternative zu herkömmlichen Sportwagen. Übermotorisiert, eng, unvernünftig, originell und hübsch anzusehen, bietet der 4,3-Liter-Lastwagen alle Untugenden, die Liebhaber von 2+2sitzigen Coupés und Sportwagen so schätzen.

Der üppig ausgestattete Kleinlastwagen aus Amerika zeigt sich in vieler Hinsicht moderner als seine Kollegen aus Japan. Airbag und ABS dürfen bei einem Pickup beinahe als revolutionär gelten, das Automatikgetriebe und der hubraumstarke V6-Benziner hingegen sind amerikanischer Standard in der gehobenen Pickup-Preisklasse. Auch die Fahrwerkskonstruktion des S-10 entspricht der Norm. Vorne Einzelradaufhängung mit Drehstabfedern, hinten Starrachse an Blattfedern. In der Fahrpraxis drängt sich wieder der Vergleich mit einem Sportwagen auf. Der S-10 spurtet los wie die Feuerwehr.

Einen Hauch von Komfort bietet das Fahrwerk. Der Chevrolet verteilt auf Bodenwellen keine brutalen Schläge ins Kreuz, wie fast alle anderen Vertreter seiner Zunft, sondern federt sogar an der Hinterachse ein wenig. Dafür darf er auch kaum etwas aufladen. 433 Kilogramm Zuladung sind ein klarer Hinweis an Handwerker und sonstige Gewerbetreibende, für die schwere Arbeit doch bitteschön einen anderen Pritschenwagen zu wählen.

Wesentlich mehr Freude als andere Pickups macht der S-10 auf der Autobahn. Zwar bedarf es der Gewöhnung, daß ihm die Amerikaner per elektronischer Tempobegrenzung bei 160 km/h die Benzinzufuhr zudrehen. Doch dafür verwöhnt der Lastwagen mit gutem Geradeauslauf, bequemen Sitzen, einer durchdachten, reich mit Ablageflächen und Dosenhaltern bestückten Innenausstattung und vor allem einem angenehm niedrigen Lärmpegel. Mehr als zwei Menschen sollten allerdings nicht auf große Reise im Chevy gehen. Die beiden hinteren Miniatur-Klappsitze taugen bestenfalls als Notlösung für kurze Strecken, längere Zeit sind sie selbst Kleinkindern nicht zuzumuten. Aber als Familienkutsche ist der S-10 Pickup auch nicht gedacht.

Von Bernhard Weinbacher

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