Cadillac Seville:Auf dem Weg aus dem Schattendasein

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In Deutschland sollen jährlich 500 Exemplare der überarbeiteten Limousinen einen Käufer finden

(SZ vom 06.06.1998) In den USA ist er mit jährlich 37 000 verkauften Exemplaren unangefochtener Marktführer seines Segments, bei uns bestenfalls ein Exote. Der von General Motors unter dem Markennamen Cadillac produzierte Seville führt hierzulande als Luxuslimousine neben der Mercedes S-Klasse, dem 7er BMW und dem Audi A8 nur ein Schattendasein. Nach dem Willen von General Motors soll die fünfte Modellgeneration nun Licht ins Dunkel bringen und Cadillac einen kräftigen Imageschub.

Deshalb geht GM erstmals auch in die Märkte Frankreichs, Italiens, Spaniens und Griechenlands. Erstmals seit Jahrzehnten wird nun sogar eine rechtsgelenkte Version gebaut, um auch die Engländer, Südafrikaner, Japaner, Malayen, Hongkong-Chinesen und Singhalesen auf den Cadillac-Geschmack zu bringen. Insgesamt 1000 Exemplare planen die Verantwortlichen jährlich europaweit abzusetzen, von denen künftig 500 Fahrzeuge in Deutschland einen Käufer finden sollen.

Die magische Fünf-Meter-Marke

Auf den ersten Blick vermag man den neuen Cadillac Seville kaum vom Vorgänger zu unterscheiden. Anders als bisher verringerten die Designer zwar die absoluten Ausmaße, veränderten die Gesamterscheinung aber nur marginal - was Cadillac als evolutionäre Fortentwicklung definiert. Dabei sind Karosserie und Bodengruppe, die die Forderung nach einem großzügigen Interieur für fünf Personen auf geringerem Verkehrsraum als bisher nachkommen, komplett neu. Deshalb schrumpfte die Gesamtlänge des Seville um 20 Zentimeter unter die Fünf-Meter-Marke (4,99 Meter), bekam aber eine um 5,2 Zentimeter breitere Spur. Doch trotz desvergrößerten Interieurs herrscht auf den Fondplätzen leider noch immer keine klassengerechte Beinfreiheit, wenn vorne Reisende mit mehr als 1,80 Meter Körpergröße bequem sitzen. Dafür reicht nun der auf 445 Liter gewachsene Kofferraum aus.

Den Cadillac Seville gibt es in der komfortabel ausgelegten Version SLS (Seville Luxury Sedan) und der sportlicher abgestimmten Version STS (Seville Touring Sedan). Beide werden von dem bekannten 4,6-Liter-V8-Northstar-Motor angetrieben, der im SLS 205 kW (279 PS) leistet, während der STS über 224 kW (305 PS) verfügt. Damit erreicht der komfortable STS eine Höchstgeschwindigkeit von 204 km/h, während der sportliche SLS auf 240 km/h kommt. Die unterschiedliche Rollenverteilung von SLS und STS im Seville-Angebot wird auch durch das Drehmomentverhalten deutlich: Während der SLS seine maximale Kraft von 407 Nm bei 4400/min abgibt, stellt der leistungsstärkere STS mit 400 Nm etwas weniger Kraft bereit. Im praktischen Fahrbetrieb wirkt der sportliche STS etwas wenig agil, um sich erst im obersten Drehzahldrittel spürbar spurtstärker zu geben.

Daß eine Limousine dieser Leistungsklasse als Fronttriebler problemlos zu händeln ist, verdankt sie ihrer aufwendiger Technik. So verfügt der Seville über eine Traktionskontrolle, die ein Durchdrehen der Antriebsräder verhindert. Das neue Modell besitzt zudem eine aufwendige Multilenker-Hinterachse und Querlenker, die in leichtem Aluminium ausgeführt sind. Sie halten den Cadillac auch bei schnellen Lastwechseländerungen in Kurven spurstabil auf der Straße. Außerdem sind beide Versionen des Seville mit einer StabiliTrak genannten Fahrdynamik-Regelung ausgestattet, die durch einen elektronisch dosierten Bremseingriff an den Vorderrädern verhindert, daß der fahrdynamische Grenzbereich überschritten wird, und das Fahrzeug ins Schleudern gerät.

Die amerikanischen Väter des Cadillac Seville sind sehr bemüht, die Sicherheit und Fahrdynamik ihrer Luxuslimousine durch High-Tech auf höchstem Niveau anzusiedeln. Deshalb gehören neben der elektronischen Niveauregulierung auch ein Vierkanal-ABS sowie ein elektronisch geregeltes, aktives Fahrwerk zum Serienumfang. Das CVRSS (Continuously Variable Road Sensing Suspension) genannte System paßt die Dämpfungsrate des Fahrwerks den herrschenden Fahr- und Straßenzuständen automatisch an - wobei es schon eines sehr routinierten Fahrers und besonderer Straßen bedarf, um die Unterschiede präzise definieren zu können.

Besonders üppig ausgestattet zu sein gehört bei amerikanischen Luxuslimousinen zum guten Ton. So umfaßt die Serienversion des Seville Lederausstattung, Sitzheizung vorn, Klimaautomatik und Holzeinlagen. Optional verfügt der Seville STS über ein adaptives Sitzsystem vorn. Während einer einmaligen, zwischen 30 und 60 Sekunden währenden Sitzprobe von Fahrer und Beifahrer "tastet" das System die individuelle Sitzhaltung mit Hilfe von acht Sensoren ab. Einmal gespeichert, werden die Daten ständig mit der aktuellen Sitzhaltung abgeglichen. Bei Bedarf greift das System über zehn Luftkammern bei den Sitzkonturen korrigierend ein. Cadillac verspricht einen wesentlich verbesserten Sitzkomfort auf Reisen.

Realistische Verkaufschancen

Wer nach den Schwächen des Cadillac Seville sucht, findet sie heute nur noch in Verarbeitungsdetails. Insbesondere das im Interieur verbreitete Kunststoffmaterial sollte hochwertiger aussehen und etwas weniger nach Kunststoff riechen, die Schalter und Hebel könnten solider angebracht und übersichtlich zu Funktionsgruppen zusammengefaßt sein, während es an der Laufkultur seines V8 noch nie viel auszusetzen gab. Da der Preis des leistungsstärkeren STS bei 99 800 Mark liegt und der SLS für 89 800 Mark zu haben ist, darf man die angepeilten Verkaufszahlen für Deutschland als realistisch bewerten.

Von Jürgen Zöllter

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