BMW 850 CSi:Wie von einem anderen Stern

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Mit 380 PS sollte der Achter nun endlich männlicher werden

(SZ vom 19.06.1993) Wenn die Bayerischen Motorenwerke in den vergangenen Jahren mit einer Automobilkategorie ganz offensichtlich Probleme hatten, dann ist es die der großen, prestige- und gewinnträchtigen Coupés. Offensichtlich hatte man nie den Mut, sich mit einem richtigen Macho- Gefährt mit dem Haus Porsche anzulegen, und gegen die Mercedes-Cabrios und -Coupés wollte man auch nicht antreten. Weshalb auch das fertige 850 i-Cabriolet wieder verschrottet wurde. So kamen nach dem geflügelten Batmobil die 6er- Coupés, die sich erst als M 635 CSi mit dem M 1-Motor bei den Insidern durchsetzen konnten, und auf die folgte dann der 850 i, der sich interessanterweise genau zwischen den Stühlen Komfort und Sport plazierte.

Das letzte große BMW-Coupé?

Für den eher sportlichen Fahrer war dieses Zwölfzylindergefährt - trotz seiner 220 kW oder 300 PS - zu schwer und zu unhandlich, der Langstreckenreisende bemängelte den verbauten Innenraum, und der innerstädtische Geschäftsmann fragte sich zu Recht, warum BMW einerseits ein (relativ überflüssiges) Sechsganggetriebe montieren konnte, während der 5-Liter-Zwölfzylinder andererseits mit einer niedrigen Verdichtung und zu hohen Verbrauchswerten ausgeliefert wurde. Kurz gesagt: Der Achter dürfte wohl das einzige BMW-Modell sein, bei dem die Bayern Hersteller bisher richtig draufzahlen - weshalb sich auch mehr und mehr die Gerüchte verdichten, daß die Arbeiten an einem Nachfolgermodell eingestellt wurden.

Mit einem großen Modellpflegeprogramm haben die Münchner jetzt versucht, dem Achter ein zweites Lebenslicht einzublasen - als Einstiegsmodell soll nun der 840 i mit dem 210 kW (286 PS) starken 4-Liter-Achtzylinder Kunden anlocken, der 300 PS starke 850 Ci wird zukünftig nur noch als Automatikversion für die eher komfortbewußten Käufer zur Verfügung stehen - während der 850 CSi mit seinen 279 kW oder 380 PS die Porsche- 928- und Mercedes-SEC-Kunden anlocken soll, denen die elegante Münchner Erscheinung bislang nicht potent genug erschien.

Ja - wir kennen die Diskussionen: Wieviel Leistung braucht der Mensch? Muß es wirklich immer mehr sein? Und was sollen 380 PS auf Deutschlands Straßen?

Seien wir ehrlich, dies ist wieder einmal eine typisch deutsche Diskussion: In den USA, wo es seit Jahrzehnten eine straff kontrollierte Geschwindigkeitsbeschränkung gibt, gehört die Corvette seit 1955 zu den nationalen Kulturgütern, über die nicht einmal ansatzweise diskutiert wird. Auch die britischen Jaguar- und Aston Martin-Sportwagen werden eher als Kultur- und Exportgut denn als Synomyme für eine verfehlte Firmenpolitik verstanden. Und auf das Verhältnis der Italiener zu ihren Sportwagenfirmen wollen wir hier auch nicht eingehen, da es eh jedem klar ist. Es gibt eben Käufer, die bereit sind, rund 200 000 Mark in ein Automobil zu investieren - und warum akzeptieren wir nicht, daß dank dieser Käufer das Haus BMW eine Menge Arbeiter anstellen und gut bezahlen, und der Staat auch noch kräftig Steuern kassieren kann?

Um auf die bereits erwähnten 380 PS zu kommen, mußten die BMW-Techniker den Motor auf 5,6 Liter Hubraum vergrößern, da der britische Rennwagenhersteller McLaren alle Rechte an dem von ihm finanzierten Vierventiltriebwerk für den superteuren Mittelmotor-Sportwagen F 1 besitzt - und damit ist der Weg über 48 Ventile einstweilen versperrt. Nun sind die Bayern viel zu erfahrene Motorenbauer, als daß sie nicht auch aus dieser Situation etwas besonderes gemacht hätten: Mit Hilfe modernster Elektronik und einer auf 9,8:1 angehobenen Verdichtung stehen nun bereits bei 4000/min nicht weniger als 550 Nm Drehmoment an - diesen Zahlen entnehmen wir, daß der 850 CSi in jedem Drehzahlbereich über Leistung im Überfluß verfügt.

Dieser Motorcharakteristik verdankt der 850-CSi-Fahrer auch ein ungewohnt entspanntes Fahren: Die Verkehrsverhältnisse geraten nahezu zur Nebensache - wenn Platz und Raum gegeben sind, werden Überholvorgänge zur Leichtigkeit. Und wenn auf der Autobahn einmal ein paar Kilometer Leerraum vorhanden ist, nähert sich der Wagen in Blitzeseile der (elektronisch begrenzten) Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h - ohne die Begrenzung würde das knapp zwei Tonnen schwere Coupé die 280-km/h-Marke streifen. Nach sechs Sekunden ist die 100- km/h-Grenze erreicht - aber letztlich sind diese Werte nur Schall und Rauch, denn der 850 CSi ist ein viel zu elegantes und luxuriös ausgestattetes Langstreckengefährt, als daß man es mit pfeifenden Pneus und quietschenden Bremsen einer sowieso genervten Umwelt vorführen möchte.

Was allerdings auch dann wirklich verblüfft, sind die Verbrauchswerte, die sich gegenüber dem 850 i drastisch verbessert haben - bei zügiger und vorausschauender Autobahnfahrt (also ohne volle Beschleunigung und brachiale Bremsmanöver) fließen nicht mehr als 13 bis 15 Liter bleifreies Superbenzin durch die Einspritzanlage. Und in der Stadt (wo der Wagen weniger hingehört) sind es dann 14 bis 17 Liter auf 100 Kilometer - Werte, die in dieser Leistungs- und Hubraumklasse bislang kaum erreicht wurden.

Der 850 CSi hat mit seinem Vorgänger 850 i nichts mehr zu tun: Optisch unterscheidet er sich mit den breiteren Reifen - vorne: 235/45 ZR 17, hinten: 265/40 ZR 17 -, mit der größer dimensionierten Auspuffanlage (erkennbar an den vier runden Auspuffrohren) und mit dem zusätzlichen Spoilerwerk an der Frontpartie und unter der Heckstoßstange (das Prinzip wurde erstmals bei dem mittlerweile eingestellten Z 1 eingesetzt) von dem 1989 vorgestellten Ur-Modell. Neben diesen Äußerlichkeiten und dem neuen Triebwerk hat der CSi jedoch von seiner ganzen Charakteristik her ein neues Achter- Kapitel aufgeschlagen: Er ist souveräner geworden - er ist sportlicher, schneller und dennoch sparsamer, ohne dabei aufdringlicher zu sein. Er hat allerdings auch einige der Schwächen seines Vorfahren behalten: Noch immer sind die zwei rückwärtigen Sitzschalen nicht einmal Kleinkindern zuzumuten (wir empfehlen, hier endlich auf Wunsch eine vernünftige Kofferablage einzubauen), und die Übersicht der ungewöhnlich eleganten Karosserie ist (besonders für kleiner Gewachsene) mehr als gewöhnungsbedürftig.

Der beste seines Stammes?

Wir wollen hier nicht über die Unterhaltskosten, den wahrscheinlich hohen Wertverlust und die Selbstverständlichkeit eines zusätzlichen verbrauchsgünstigen Stadtwagens im Fuhrpark sprechen - wer exakt 185 000 Mark für das Basismodell bezahlen kann, wird wahrscheinlich auch die Folgekosten im Griff haben. Der 850 CSi ist ein beachtliches Stück deutscher Ingenieurskunst, mit dem die Kunden in Kalifornien, Japan und Australien viel Spaß haben - trotz aller Tempobeschränkungen. Warum sollen also nicht auch jährlich einige hundert Deutsche an diesem Coupé ihren Spaß haben? Die Voraussetzungen dafür sind gegeben - und wie sagte ein hoher Vertreter des Hauses BMW so schön: 'Wenn wir den 850 i gleich als 850 CSi auf den Markt gebracht hätten, wäre die ganze Achter- Diskussion nie entbrannt.' Recht hat er - der CSi ist zweifellos der Beste seines Stammes.

Von Jürgen Lewandowski

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