BMW 316ti Compact:Der Schein trügt

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Mit Vorschusslorbeeren wurde der neue BMW 3er Compact bei seiner Vorstellung nicht eben überhäuft. Aber der kleine BMW hat es in sich.

Eric Schmeer

"Man sollte einen Fehler nicht zweimal machen." Der Kommentar zum neuen BMW 3er Compact sprudelte dem hochrangigen VW-Designer so flott über die Lippen, als hätte er auf die Frage gewartet.

Eine breite Brust zeigt der neue Dreier Compact (Foto: Foto: BMW)

Nur lieblose Amputation?

Der neue Compact sei abermals das Ergebnis einer lieblosen Amputation des Hecks der Limousine, sagt er. Der Spötter blieb nicht allein. Während der Weltpremiere auf dem Genfer Automobilsalon verfiel das Fachpublikum ob des wenig frisch wirkenden 3er Compact nicht unbedingt in Lobeshymnen. Tatsächlich erscheint der Versuch, der zweiten Generation des kurzen Dreiers mit Blenden vor Front- und Heckleuchten ein eigenes Gesicht zu geben, verkrampft und einfallslos. Aber kommt es nicht auf die inneren Werte an?

Im neuen 3er steckt revolutionäre Technik

So oder so: Es ist vermessen, von der Wiederholung eines Fehlers zu sprechen. Schließlich wurden von 1994 bis zum Produktionsende im Herbst vergangenen Jahres rund 400.000 Dreier Compact der ersten Generation verkauft. Für BMW war der Compact also ein Erfolg. Er lockte nicht nur junge, sondern vor allem Neukunden.

Da dies auch dem Nachfolger gelingen soll, der sich auch gegen das C-Klasse Sportcoupé und somit erstmals gegen einen Mercedes behaupten muss, hätte ihm ein flotteres Styling wohl gut getan. Andererseits steckt in dem BMW wahrhaft revolutionäre Technik, die sehr wohl ein ansprechendes Etikett verdient hätte. Denn als erstes nimmt der Betrachter nur zur Kenntnis, dass der Compact deutlich zulegt hat. Er wurde fünf Zentimeter länger und breiter sowie zwei Zentimeter höher.

Modernes Cockpit, wenig Platz

Innen fällt die Armaturentafel aus den bereits laufenden Modellen der Dreier-Reihe auf. Damit wirkt das Cockpit um Klassen moderner als beim Vorgänger. Vorn hat sich das Platzangebot nicht verändert. In der zweiten Reihe indes ist ein Zuwachs zu spüren. Berauschend ist das Ergebnis aber dennoch nicht.

Insbesondere im Vergleich mit dem Sportcoupé von Mercedes geht es deutlich beengter zu. Auch ist der Einstieg in den acht Zentimeter kürzeren BMW mühsamer. Was den Laderaum betrifft, so halten sich beide die Waage. Das Gepäckabteil misst jeweils magere 310 Liter.

Zwei Motoren am Start

Zum Marktstart am 16. Juni spendierte BMW dem Compact zwei Aggregate. Zum einen ein 115 PS starker 1,8-Liter-Vierzylinder (316ti), zum anderen ein 2,5-Liter-Reihen-Sechszylinder mit 192 PS (325ti). Der große, aus dem BMW-Programm hinreichend bekannte Sechszylinder bietet in dem knapp 1,5 Tonnen schweren Kompaktwagen eine fulminante Vorstellung, kostet allerdings über 56.000 Mark. Da ist der kleine Motor eine mehr als nur überdenkenswerte Alternative. Denn dieser kostet nicht nur gut 16.000 Mark weniger, sondern ist zugleich eine Art Revolution im Motorenbau.

Sparsamer Vierzylinder mit Valvetronic

Sicher ist der Vierzylinder auch nur eine Konstruktion, die zu 99 Prozent aus Metall besteht, doch kommt spätestens seit Einstein und Sharon Stone auch keiner auf den Gedanken, den Menschen auf seine 60 Prozent Wasser zu beschränken. Da steckt schon mehr dahinter. Beim komplett neu entwickelten 1,8-Liter wird erstmals auf ein Bauteil verzichtet, das so alt ist wie der Ottomotor: Der 1,8er arbeitet ohne Drosselklappe. Galt sie bislang als einzige Möglichkeit, die Leistung zu regeln, so geschieht das in dem neuen BMW-Motor über die Veränderung der Ventilhübe. Ein nicht einmal wirklich kompliziertes System aus Mechanik und Elektronik namens Valvetronic steuert die Ventile.

Weniger Sprit, mehr Leistung

Der Effekt: ein höherer Wirkungsgrad, weil Drosselklappen-Verluste wegfallen. Oder anders gesagt: Mehr Leistung für weniger Sprit. Um zehn Prozent konnte der Verbrauch reduziert werden, erklärt BMW-Motorentwickler Manfred Klüting vollmundig.

Ein Resultat, das man bislang nur per Benzindirekteinspritzung erreicht habe. Diese jedoch benötigt schwefelarmen Kraftstoff, die Valvetronic nicht. Klüting ist stolz. Tatsächlich überzeugt der Vergleich mit dem Motor des alten 316i: Der Hubraum wurde von 1,9 auf 1,8 Liter reduziert, die Leistung um zehn auf 115 PS erhöht und auch das Drehmoment wuchs von 165 auf 175 Newtonmeter. Damit ist der neue Compact eine Sekunde schneller (10,9) auf Tempo 100, fährt 201 statt 190 km/h und verlangt 6,9 Liter Super, während zuvor 7,6 fällig waren.

Auf der Straße ein As

Aber was bedeutet schon Theorie bei einem Auto, das zur Freude am Fahrer erwickelt wurde? Entscheidend ist doch die Praxis. Und auch hier bietet der 316ti eine tadellose Vorstellung.

Der Vierzylinder hängt hervorragend am Gas. Kleinste Bewegungen am Fahrpedal werden in Echtzeit in Vortrieb umgesetzt. Soll heißen: Das Valvetronic-Aggregat erfüllt von der Gasannahme über die Leistungsentfaltung bis hin zum Motorklang, den jenseits der 4000 Touren wohl nur Kenner vom Sound eines bayerischen Reihensechszylinders unterscheiden können, alle Erwartungen, die man an einen BMW stellt. Perfektioniert wird die Performance mit einem herausragenden Fahrwerk, das dem kurzen 3er zu einer beeindruckenden Agilität verhilft. Er besticht mit einer sehr präzisen und direkten Lenkung, einer gekonnten Abstimmung, und einem knackigen Fünfgang-Getriebe.

Wenn der Produkt-Verantwortliche Hans Rathgeber sagt, dass der neue Compact ein Fahrgefühl vermittelt, das man sich von der 3er Limousine immer erhofft hat, so heißt das nichts anderes, als dass sich der Compact agiler bewegen lässt als die Limousine.

Agiler als die Limousine

Dies ist umso interessanter, da sich das Angebot in Grenzen auch preislich sehen lassen kann. Mit 39.900 Mark steht der 316ti in der Liste. Dafür gibt es nicht wenig Serienausstattung, aber dennoch schrammt die Aufpreisliste nur knapp am Umfang des New Yorker Telefonbuchs vorbei. So lässt sich der Compact mit vielen Details aufrüsten, die das Fahren angenehmer machen können - zum Beispiel mit einem schönen Lederlenkrad für 430 Mark anstelle des serienmäßigen, spindeldürren Kunststoffteils. Perfekt ist er also doch nicht, aber BMW findet ja schon bald einen Anlass zum Nachbessern: Im Herbst komplettieren ein Zweiliter-Turbodiesel mit 136 und ein Zweiliter-Valvetronic-Benziner mit 145 PS das Programm.

Quelle: autocert.de

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