BMW 1er:Eins mit Sternchen

Lesezeit: 4 min

Mit einer ungewohnt entspannten Preispolitik dringen die Bayern in die Kompaktklasse vor. Aber keine Angst: Bei Bedarf kann man auch wieder ordentlich investieren.

Von Georg Kacher

BMW expandiert atemberaubend: erst Sechser, dann X3, jetzt der Einser. Drei neue Modelle in weniger als einem Jahr, das strapaziert das Leistungsvermögen der eigenen Mannschaft und die Leidensfähigkeit der Konkurrenz.

Keine Frage: Der Einser zeigt Kontur und stilistische Eigenständigkeit. (Foto: Foto: BMW)

Doch der Einser wird nicht nur in Ingolstadt und Stuttgart mit Argusaugen beobachtet - die sechsstellige Jahresstückzahl (geplant ist eine zügige Steigerung von 130.000 Einheiten von 2005 auf bis auf 200.000 Wagen von 2008 an) hat ohne Zweifel auch störende Nebenwirkungen für Volumenmarken wie VW oder Toyota.

Dafür sorgt schon die aggressive Preispolitik. Mit 19.800 Euro ist der BMW 116i gerade mal 810 Euro teurer als ein viertüriger Golf FSI 1.6 - zwar ohne serienmäßige Klimaanlage, aber, so der Entwicklungsvorstand Burkhard Göschel augenzwinkernd, "die bringen wir spätestens zum 30. Geburtstag".

Zunächst mit fünf Türen

Der Einser startet mit folgenden Varianten: 116i (85 kW/115 PS), 19.800 Euro; 120i (110 kW/150 PS), 23.600 Euro; 118d (90 kW/122 PS), 21.900 Euro; 120d (120 kW/163 PS), 24.400 Euro. Im Dezember folgt der 96 kW (130 PS) starke 118i; 2005 steht mit dem 125i dann der erste Sechszylinder auf dem Programm. Die einzige anfangs lieferbare Karosserie ist das fünftürige Steilheck. Ebenfalls in Arbeit sind ein Dreitürer und ein zweitüriges Stufenheck-Coupé.

Auch diesmal dürften sich am Design die Geister scheiden, doch es steht außer Frage, dass die Bangle'sche Formensprache mit jedem neuen BMW-Modell ein Stück kundenverträglicher wird. Abgesehen von den Basedow-Scheinwerfern und der Hängebauch-Fuge im Schwellerbereich, gibt es beim Einser in der Tat kaum Anlass für einen Verriss.

Im Gegenteil: Die dynamischen Proportionen unterstreichen das in dieser Klasse einmalige Front-Mittelmotor-Layout, die subtil ausgeformten Flanken füllen die viel zitierte Prämisse der "flammenden Oberflächen" erstmals mit Leben, und die Kombination aus Sehschlitz-schmaler Heckscheibe, spannend strukturierten Seitenfenstern und streng nach hinten frisierter Windschutzscheibe wirkt mindestens so modern wie beim diesbezüglich stilverwandten Opel Astra.

Ansprechendes Cockpit

Die Familienähnlichkeit mit Sechser, Z4 und sogar der X-Reihe ist unverkennbar. (Foto: Foto: BMW)

Auch die Cockpit-Architektur überrascht positiv. Nach dem verbauten Sechser und dem lieblosen X3 empfindet man den lichten Einser als optischen Befreiungsschlag. Manche Plastikflächen sehen zwar immer noch billig aus, doch die große Linie stimmt: klassische Rundinstrumente im Großformat, eine zum Fahrer hin abgewinkelte Mittelkonsole, weitgehend unproblematische Ergonomie, ansprechende Werkstoffe für Armaturenbrett und Türtafeln.

In Verbindung mit dem aufpreispflichtigen Navigationssystem wird leider auch der Einser vom kontroversen iDrive-Dreh-Drücksteller heimgesucht - ein verzichtbares, weil immer noch nicht ausreichend intuitives Extra, das kompliziert ist und ablenkt. Durchaus empfehlenswert sind dagegen die Ausstattungspakete Advantage (Klimaanlage, CD-Radio, Nebelscheinwerfer, Sitzhöhenverstellung für 1450 Euro) und Dynamic (Sportsitze, Sportlenkrad, Sportfahrwerk, Alufelgen, Anbauteile in Wagenfarbe, ab 1390 Euro).

Kein Raumwunder, denn...

"Ist der Einser ein Raumwunder? Nein, das ist er nicht." Projektleiter Gerd Schuster weiß, wovon er spricht, denn als hoch aufgeschossener Erwachsener passt der BMW-Mann nur dann auf den Rücksitz, wenn vor ihm ein kleinwüchsiger Mensch Platz nimmt.

Schuld daran hat neben der minimalen Beinfreiheit und der nach hinten abfallenden Dachlinie auch der beschwerliche Einstieg. Die oben breite Tür ist nämlich im Bereich des Schwellers extrem schmal und die Stellfläche zwischen rückwärtigem Fersenblech und vorderem Sitzkissen reicht kaum für grazile Kinderfüße. Ein Passant bezeichnete den Testwagen nicht ganz unzutreffend als "Zweisitzer mit vier Türen".

...Boards und Bikes statt Babies

Die Marketing-Strategen werden mit dieser Einschätzung leben können - schließlich ist der Einser das neue BMW-Einstiegsmodell für Singles und junge Paare, die sich eher für Boards und Bikes interessieren als für Babies. Familien sollen künftig verstärkt den Dreier kaufen, der mit der nächsten Modellgeneration von 2005 an deutlich größer und geräumiger wird.

Mit 2,66 Meter besitzt der Einser einen um acht Zentimeter längeren Radstand als der Golf, doch davon profitiert nicht die Besatzung, sondern die Mechanik. Die weit nach hinten versetzte Einbaulage von Motor und Getriebe dient der absolut ausgeglichenen Achslastverteilung.

Das heißt im Klartext: sehr gute dynamische Traktion, agiles Handling, weitgehend entlastete Vorderachse. "Der Einser ist einzigartig", erklärt Burkhard Göschel, "weil seine Lenkung im Gegensatz zu den Wettbewerbern keine Antriebsaufgaben übernehmen muss." Entsprechend präzise, transparent und mühelos arbeitet das Zahnstangen-Arrangement, mit dem sich der zwischen 1280 und 1425 Kilogramm schwere BMW millimetergenau manövrieren lässt.

Auch hier wieder: ab durch die Mitte

Keine Frage: Fahrspaß ist die herausragende Tugend der Einser-Reihe. Der Wagen gibt sich agil und spritzig, das Chassis ist gleichermaßen leichtfüßig und trittfest, Traktion und Grip überzeugen, die Bremse gehorcht beinahe auf Zuruf, das vorwiegend neutrale Eigenlenkverhalten kann per Gaspedal und Lenkbefehl ausgesprochen feinfühlig in Richtung leichtes Unter- oder Übersteuern abgewandelt werden.

Die wenigen Schwachstellen sind rasch aufgezählt. Scharfes Anlenken bei hohem Tempo (Ausweichmanöver auf der Autobahn) treibt den Wagen schon mal bis in den Regelbereich der Stabilitätskontrolle, die steifen Flanken der Notlaufreifen reagieren ziemlich zickig auf seitliche Anregungen wie bei schneller Kurvenfahrt auf welligem Belag, und der Abrollkomfort erfüllt in der Kombination von Sportfahrwerk und 17-Zoll-Rädern (Serie sind 195/55er auf 16-Zoll-Stahlfelgen) nur bescheidene Ansprüche.

Lebendiger Diesel

Weil wir gerade beim Kritisieren sind: Der brave 2,0-Liter-Benzinmotor klingt wenig BMW-like, kommt trotz Sechsgang-Getriebe nur mühsam in die Hufe und bestraft Bleifuß-Aktionen durch frühe Boxenstopps. Statt für den 120i (0-100 km/h in 8,7 Sekunden, 217 km/h, 7,4 l/100 km) könnten wir uns eher für den 120d erwärmen (0-100 km/h in 7,9 s, 220 km/h, 5,7 l/100 km). Der Diesel mobilisiert statt 200 Nm Drehmoment satte 340 Nm, die schon bei 2000 Touren die Kurbelwelle ins Schwitzen bringen - eine ideale Leistungscharakteristik für alle, die lieber gleiten statt hetzen.

Das Geheimnis des Einser liegt im Entwicklungs- und Produktionsverbund mit dem nächsten Dreier. BMW hat hier erstmals eine neue Fahrzeuggeneration geschaffen, die zwei Modellfamilien abdeckt. Gemeinsam sollen beide Typen in der Spitze pro Jahr mehr als 700.000-mal produziert werden. Da sich wesentliche Elemente der Kostenrechnung am billigeren Einser orientieren, dürfte die Strahlkraft der Konzernbilanz weiter steigen.

© Süddeutsche Zeitung - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: