Blech der Woche (28): Honda S800:Ein seltener Traum

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Der erste Honda, der nach Europa kam, war eine Sensation: ein kleines Coupé, das wie eine Miniatur des Jaguar E-Types daherkam. Mark hat sich damit einen Traum erfüllt.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Der Japan-Jaguar: Honda S800 (Foto: Foto: Carsablanca)

Seit gut 20 Jahren dreht ein Honda S800 Coupé nun schon seine Runden im Kopf des Carsablanca-Mitglieds Mark aus Hamburg. Vor kurzem hat er sich den Traum von einem eigenen Exemplar dieser seltenen Spezies verwirklicht.

"Meine erste Begegnung mit dem kleinen Flitzer datiert aus dem Jahr 1988", erinnert sich der 35-Jährige. "Als Auto-Freak vom ersten Lebensjahr an erblickte ich im Foyer eines Düsseldorfer Elektronikkaufhauses ein mir bislang unbekanntes Auto. Schon beim ersten Blick auf das kleine Fahrzeug in klassischer Coupéform mit langer Motorhaube und zwei Sitzen war ich auf der Stelle hin und weg. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals ein solches Fahrzeug im Straßenverkehr gesehen zu haben. Es sah irgendwie aus wie ein geschrumpfter Jaguar E-Type."

Mark brachte in Erfahrung, wo der kleine Flitzer normalerweise zu Hause war. Es handelte sich um eine Leihgabe eines Autohauses in der Düsseldorfer Innenstadt. Dort stand der Wagen für die nächsten Jahre im Schaufenster - kein Wunder bei einem Phantasiepreis von 33.000 DM. Immerhin hatte Mark so die Gelegenheit, seinem Traumauto immer mal wieder einen Besucht abzustatten.

"Da ich noch drei Jahre zum Führerscheinerwerb hatte, blieb genug Zeit für Trockenübungen", lacht der Wahl-Hambruger. "In der Vor-Internet-Ära trug ich folglich alles zusammen, was - inklusive eines Spirou und Fantasio-Heftes - an S800-Literatur zu finden war."

Die technische Ausführung des Bonsai-Coupés begeisterte bei seiner Einführung 1967 schon Fachpresse und Publikum. Es handelte sich um den ersten Honda-Pkw, der nach Europa exportiert wurde. Sein Vierzylindermotor aus Aluminium-Druckguss mit zwei oben liegenden Nockenwellen und vier Keihin-Einzelvergasern hatte als Highlight eine nadelgelagerte Nockenwelle - ein Detail, das sonst bei Straßensportwagen nur noch im Königswellen-Motor des Porsche Carrera zu finden war. So brachte der Motor aus nur 791 ccm eine Leistung von 67 PS zustande und das bei einer Nenndrehzahl von 7570 U/min. Die Literleistung von fast 85 PS entsprach seinerzeit dem Niveau von Rennfahrzeugen.

Das technische Layout ließ die Konkurrenz aus England oder Italien damals alt aussehen. Anders sah es bei der konservativen Konstruktion von Aufbau und Fahrwerk aus. Der Aufbau ist mit insgesamt 22 Schrauben auf einem stabilen Kastenrahmen befestigt, was auch das relativ hohe Gewicht von 782 Kilogramm erklärt. Oldtimerbesitzer sind heute dankbar dafür, da es die Instandsetzung deutlich erleichtert. Mark selbst blieben größere Instandsetzungen an seinem S 800 bislang zum Glück erspart.

Trotz der entfachten Leidenschaft wurde Marks erstes selbst finanziertes Auto aber kein S800. Immerhin blieb er der japanischen Marke treu und legte sich einen Honda CRX der Baureihe ED9 zu, den er sechs Jahre lang fuhr. In den folgenden Jahren lief ihm immer mal wieder auf Oldtimermessen oder bei Händlern ein S800 über den Weg, aber als angehender Mediziner fehlte Mark die Zeit wie die finanziellen Mittel zur Verwirklichung seines Traums. "Als Highlight ist mir ein Besuch beim Treffen der S800-IG am Harzring im Jahr 2000 in Erinnerung geblieben", weiß der Flitzer-Fan. "Dort waren knapp 35 Cabrios und Coupés versammelt, und ich bekam zum ersten Mal die Gelegenheit, in einem 800er mitzufahren. Danke Arno, die Fahrt hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen!"

Das Treffen ging auf die Initiative von Michael Ortmann zurück. Der ausgewiesene Spezialist in Sachen S800 ist seit Mitte der Siebziger Jahre eine wichtige Anlaufstelle für alle Besitzer eines solchen Exoten. Honda selbst bot zwar bis in die zweite Hälfte der 80er noch viele S800-Teile an, Ortmanns Ersatzteilservice und der Initiative diverser Nachfertigungen ist aber wohl die Existenz der meisten noch in Deutschland fahrenden S800 zu verdanken.

Das nächste Zusammentreffen mit einer Gruppe S800 fand für Mark am 1. Mai 2008 in Rethem statt. Hier in Norddeutschland veranstaltet die Honda S800-Interessengemeinschaft im Rahmen eines kleinen Oldtimertreffens seit zwei Jahren eine jährliche Zusammenkunft. Beim Anblick der angereisten Schmuckstücke war ihm am Ende des Tages klar: Jetzt ist der Zeitpunkt, den Traum vom S800 zu verwirklichen. Es gab nur zwei Bedingungen: Es sollte ein Coupé sein und es durfte nicht rot sein.

Das Angebot eines Ehepaars aus der Nähe von Berlin bereitete dem inzwischen in Hamburg wohnhaften Arzt in der folgenden Woche allerdings schlaflose Nächte. Deren S800 war in Eigenarbeit im Jahr 2000 restauriert worden - und sie hatten ihn ausgerechnet in rot lackiert! Er war seitdem nur etwa 3000 km bewegt worden. Objektiver Nachteil war die nicht originale Lackierung in Peugeot Rot-metallic. Mark sah es aber als Vorteil, da es sich nicht um das von ihm ungeliebte originale Uni-rot handelte, in dem sich nach wie vor ein Großteil der S800 präsentiert. "Aber generell ist die Farbe sicherlich diskussionswürdig und lässt Spielraum für Verbesserungen in der Zukunft", bemerkt der Honda-Fan.

Letzte Zweifel galt es aber noch zu beseitigen. Sollte er sich als ersten Klassiker ausgerechnet ein Auto zulegen, von dem deutschlandweit - inklusive der Ersatzteilträger - nur noch geschätzte 150 Exemplare existieren? Ein Fahrzeug, bei dem die Ersatzteilpreise inzwischen Regionen wie bei Ferrari oder Porsche erreichen? Wo beispielsweise ein einfaches Verschleißteil wie ein neuer Luftfilter weder für Geld noch für gute Worte zu bekommen ist?

Klärung konnte nur eine direkte Konfrontation mit dem Gegenstand der Begierde schaffen, also stand ein Ausflug in das Berliner Umland an. Nach Ansicht und Probefahrt waren die Zweifel aber wie weggewischt. Das kleine Coupé passte dem Gast aus Hamburg wie angegossen: "Die Hand landete automatisch auf dem kleinen Schaltknüppel, und mit der direkten Lenkung ist das Teil handlich wie ein Go-Kart - vom formidablen Sound des Motors bzw. der V2A-Abgasanlage einmal ganz abgesehen. Mir war in diesem Moment klar: Der ist es!" Nachdem die Entscheidung gefallen war, lieferte der Vorbesitzer den Wagen freundlicherweise sogar von Berlin nach Hamburg. "Als das Ding vom Hänger rollte, war ich aufgeregt wie ein Dreijähriger, der sein erstes Kettcar zu Weihnachten bekommt", so Mark.

Seitdem hat er bereits fast 3000 Kilometer ohne Probleme zurückgelegt: "Wenn man erst einmal Vertrauen zu der gut 40 Jahre alten Mechanik gefasst hat, kann man die Drehzahlgrenze langsam bis in den roten Bereich bei 8500 U/min hinaufschrauben. Spätestens dann gibt es keinen Zweifel mehr an der Richtigkeit der Kaufentscheidung." Seither ist ihm eines klar: "Mein Traumauto steht in meiner Garage!"

Honda S800 Mk2 Coupé: Bauzeit 1966-1970; Zylinder: 4; Hubraum: 791 ccm; Leistung: 67 PS; Höchstgeschwindigkeit 160 km/h; Verbrauch: 8 Liter/100 km

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