Blech der Woche (6): Opel Diplomat A, 1966:Die V8-Rarität

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Es ist lange her, dass Opel Luxusautos wie den Diplomat herstellte. Der Kfz-Gutachter Jens Dell'Ali besitzt einen der wenigen, die es heute noch gibt.

Es ist, auch heute noch, als fahre Herr Generaldirektor persönlich vor. Wenn Jens Dell'Ali ( Gutachter) an der Ampel hält, dann gleitet die cremefarbene Limousine erhaben auf das Rotlicht zu, schaltet unmerklich in den unteren von zwei Automatik-Gängen und rollt schließlich wie das Blech gewordene Selbstverständnis aus Eleganz und Kraft auf seine Position als Platzhirsch an der Haltelinie. Und wenn der 41-Jährige wieder Gas gibt, bei Grün, lässt er beeindruckte Fußgänger und Autofahrer in der ungefilterten Abgaswolke eines V8-Motors zurück, der noch von weitem her donnernd klar macht, dass der 1966 gebaute Opel Diplomat keinen Zweifel an seiner Autorität auf dem Asphalt duldet.

Opels Prestige-Limousine: der Diplomat V8 (Foto: Foto: Carsablanca)

Mit V8-Power gegen den Stern aus Stuttgart

Das knapp zwei Meter breite und fünf Meter lange Schiff ist das pure Prestige, und das liegt allein schon in seiner Geschichte. Damals, in den 60er Jahren, war die Wirtschaft in Deutschland mächtig in Schwung, und vor allem Industrielle und Vorstandsmitglieder dürstete es nach standesgemäßen Karossen. Die Automobile Chefetage war zu dieser Zeit von Mercedes besetzt - wer etwas auf sich hielt, fuhr S-Klasse. "Opel wollte das irgendwann nicht länger hinnehmen, also bauten sie die KAD", sagt Dell'Ali.

KAD, das steht für Kapitän, Admiral und Diplomat, drei Modelle, äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden, kantig, fast so wie amerikanische Straßenkreuzer. Gebaut in der A-Serie von 1964 bis 1968 und in der moderneren B-Version von 1969 bis 1977. "Der Wagen ist eine erkennbare Kooperation zwischen Opel und der amerikanischen Muttergesellschaft General Motors", sagt Jens Dell'Ali.

Gegen den Pomp aus Stuttgart setzte das deutsch-amerikanische Entwicklerteam im Diplomat ein Zweigang-Powerglide-Getriebe und versenkte einen Chevrolet-V8 im mächtigen Motorraum des Diplomat. 200 PS und eine Spitzengeschwindigkeit von annähernd 200 Stundenkilometern - das reichte, um der S-Klasse die Rücklichter zu zeigen.

"Auch von innen war der Wagen die Wucht", sagt Dell'Ali. "Er hatte, das war für damalige Zeiten etwas ganz Besonderes, schon Liegesitze und elektrische Fensterheber." Doch wider Erwarten konnte Opel mit dem Diplomat nicht richtig punkten: Während Mercedes allein vom 220 SE zwischen 1961 und 1971 knappe 17.000 Exemplare verkaufte, setzten die Rüsselsheimer von ihrer Prestige-Limousine nur 9000 Stück ab. Als Coupé, gebaut von Karmann, wurden sogar nur 304 Stück ausgeliefert.

Da fehlen nur noch die Autofahrerhandschuhe, die man damals fein gefaltet übers Lenkrad legte ... (Foto: Foto: Carsablanca)

Schicksalhafte Fügung auf dem Baumarktparkplatz

Dass er jemals einen bekommen würde, hätte Jens Dell'Ali, der Kfz-Gutachter aus dem schleswig-holsteinischen Bargfeld-Stegen, deshalb nie geglaubt. Etwa 100 Diplomat A, so schätzt er, fahren heute noch in Deutschland herum. "Ich verbinde sehr viel mit dem Wagen. Mein Vater hatte einen Admiral" sagt er. Bis zu einem Tag im November 2006 erschien der Traum unerreichbar, doch dann schlug auf dem Parkplatz eines Baumarkts in Hamburg das Schicksal zu: Da stand einer, schwarzes Vinyldach, Weißwandreifen, gut in Schuss. Und bestimmt nicht zu haben.

Dell'Ali wartete trotzdem. "Als der Fahrer kam, traute ich mich erst gar nicht zu fragen, ob er den Wagen verkaufen würde." Der Mann aber überraschte. Ja, er wolle verkaufen, nach zehn Jahren Verbundenheit sei es nun Zeit sich zu trennen. Zehn Jahre, dachte Dell'Ali, eine lange Zeit, und dann erinnerte er sich: Vor zehn Jahren fuhr genau dieser Mann mit seinem Diplomat in Hamburg vor ihm her und hielt auf Dell'Ali's Bitte hin an.

Doch damals wollte er nicht verkaufen. "Beim zweiten Anlauf hat es dann geklappt", freut sich Dell'Ali noch heute. Für den Diplomat musste allerdings erst noch sein Käfer weichen. "Meine Frau war erst ein bisschen traurig, weil sie den Käfer sehr gern hatte", sagt der 41-Jährige. "Aber weil sie weiß, dass der Wagen mein Kindheitstraum war, fand sie es dann doch nicht so schlimm."

Der Traum auf Weißwandreifen enttäuschte den Schleswig-Holsteiner nicht. Tatsächlich hatte ihn sein Expertenblick nicht betrogen, das 1966 gebaute Auto war für sein Rentenalter erstaunlich gut erhalten. "Ich musste nur einigen Zierrat und Blinkerteile austauschen und ein paar kleine Roststellen beheben, ansonsten war nicht viel zu tun", sagt Dell'Ali. Im Innenraum störte ihn allein eine kleine Blumenvase: "So etwas gab es damals nicht, weil diese großen Autos meistens von feinen Herren gefahren wurden und die sich häufig auch noch chauffieren ließen. So ein Kleinkram wäre da nicht stilecht."

Immer die gleichen Fragen beim Einparken

Genau darauf aber ist Dell'Ali bedacht. Wenn er herumfährt, achtet er sehr genau darauf, die 60er Jahre zu repräsentieren. Dann klingen Kompositionen von Bert Kaempfert aus dem dem Autoradio, das der 41-Jährige mitsamt Boxen versteckt eingebaut hat, weil es das früher auch nicht gab. Al Martinos "Spanish Eyes" oder Frank Sinatras "Strangers in the Night", Easy Listening, entspannt und stilvoll, ganz wie der Wagen, das passt auch zum alten Ledergeruch im Innenraum. "Und wenn ich irgendwo parke, dann lege ich auch manchmal meine Autofahrerhandschuhe über das Lenkrad, wie es damals die Chauffeure getan haben."

Parken, das ist mit dem Diplomat häufig mehr als nur Aussteigen nach dem Blinken. Vielmehr ist es ein Erlebnis, für das schon die amerikanischen Ausmaße des Oberklasse-Gefährts sorgen, und die Leute, die ständig stehen bleiben. Vor allem Ältere fühlen sich an frühere Zeiten erinnert. "Es gibt meistens eine von zwei Aussagen dazu: Entweder sagen die Leute, sie kennen jemanden, der früher auch einen KAD gefahren ist, oder sie spielen auf den Spritverbrauch an", sagt Dell'Ali. 30 Liter ist oft die nicht ganz ohne neidischen Spott gegen das Auto geworfene Schätzung, fresse der donnernde Achtzylinder doch ganz bestimmt.

Eine Fehleinschätzung, sagt der 41-Jährige. Er fahre moderat, und da komme er gut und gern mit 13 bis 14 Litern hin. Das reiche aus für 110 bis 120 Stundenkilometer, die eingetragenen 200 Spitze fahre er eh nicht: "Der Wagen soll ein entspanntes Rentendasein erleben." Und deshalb fährt er damit auch nur selten, nur bei Trockenheit und Sonnenschein, 6000 Kilometer bisher, vor allem Landstraße und zu Autotreffen nur in der Nähe. "Ich hatte eine Einladung zum Treffen bei Opel in Rüsselsheim, aber das sind 1000 Kilometer, und das will ich dem Wagen nicht zumuten", sagt der Gutachter.

Viel lieber fahre er zu kleineren Oldtimer-Shows, um sein Auto neben den immer anwesenden Batterien von alten S-Klassen zu stellen. "Deren Fahrer würdigen mich manchmal keines Blickes" - die Konkurrenz aus den 60ern ist noch immer zu spüren. Damals verlor Opel gegen die Stuttgarter, doch die geringen Stückzahlen machen den Diplomat heute zum Sieger in der Gunst des Publikums. "Irgendwie lustig", sagt der 41-Jährige.

Noch viel lieber als zu Treffen fährt Dell'Ali aber einfach rum. Zur Eisdiele mit seinen vier und acht Jahre alten Töchtern. Oder auf der Landstraße eben, bei Sonnenschein vorbei an den Feldern und Wiesen, mit kesselndem V8-Aggregat. "Unangenehm wird es nur dann, wenn die Leute hinter mir wahnsinnig dicht auffahren, um lesen zu können, um was für ein Auto es sich handelt", sagt er. "Scharf bremsen darf man da nicht, sonst hängen die direkt drauf, und als Gutachter weiß ich, weiß ich, wie böse das für einen Oldtimer-Fahrer ausgehen kann."

Doch auch gegenüber Dränglern versteht es der Diplomat, sich gelassen Respekt zu verschaffen. Ein kurzer Tritt auf das Gaspedal, und der Straßenkreuzer aus Rüsselsheim zieht mit bärigen Drehmoment, wie es nur ein amerikanischer V8 bereitstellen kann, souverän und überlegen aus der Gefahrenzone.

Opel Diplomat A: Bauzeit: 1964-1988; Zylinder: 8; Hubraum: 4638 ccm; Leistung: 190 PS; Höchstgeschwindigkeit: 198 km/h; Verbrauch: 12-15 Liter/100 km

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