Blech der Woche (59): Borgward Isabella TS:Traumfrau der Fünfziger

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Manche Kostbarkeiten werden allzu lange versteckt: Die Borgward Isabella in dieser Geschichte bekam 45 Jahre lang keinen Asphalt unter die Reifen.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Diese Borgward Isabella ist noch ein Modell der ersten Serie. (Foto: Foto: Carsablanca)

Wir schreiben das Jahr 1962: Die Kuba-Krise droht, die Spiegel-Affäre zwingt Franz-Josef Strauß zum Amtsverzicht als Verteidigungsministerund in Aachen kommt eine knapp sechs Jahre alte Isabella TS Limousine nicht durch die fällige TÜV-Prüfung, weil die Lenkung ausgeschlagen ist.

Kuba existiert heute noch als einer der letzten Staaten sozialistischer Prägung, Strauß wurde erst Bundesfinanzminister, dann erfolgloser Kanzlerkandidat und schliesslich bayerischer Landesvater - und die Isabella verschwand in einer Garage: Ihr Eigentümer mochte sie weder reparieren noch verschrotten, er stieg lieber auf das Mittelklassemodell eines bis heute existierenden Herstellers um.

Im Lauf der Jahre wechselte die ursprünglich hellblau-metallic lackierte Limousine zwar mehrfach den Besitzer und Standort, aber sie blieb ihrem Heimatkreis Aachen stets treu. Zugelassen hat sie niemand mehr, bis sie im Frühjahr 2007 wieder einmal im Weg war und deshalb von ihrem damaligen Eigentümer zum Verkauf angeboten wurde.

Blech der Woche (59): Borgward Isabella TS
:Traumfrau der Fünfziger

Manche Kostbarkeiten werden allzu lange versteckt: Die Borgward Isabella in dieser Geschichte bekam 45 Jahre lang keinen Asphalt unter die Reifen.

Als Dirk ( Bella57) aus dem Bergischen Land von dieser Offerte erfuhr, zögerte er nicht lange: "Ich habe angerufen, einen Besichtigungstermin vereinbart und bin hingefahren. Der Wagen war von guter Substanz - aber er brauchte natürlich etwas Liebe und Zuwendung. Doch das war die Mühe allemal wert, denn er war absolut unverbastelt."

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Einen rostfreien VW Kastenwagen der ersten Serie zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto. Arne Seeger aus Dortmund hatte dieses Glück.

So zahlte Dirk den geforderten Kaufpreis, erhielt gegen ein moderates Aufgeld auch noch die bereits vom Verkäufer besorgten neuen Zierleisten und lud seine Neuerwerbung auf einen Trailer. Die Bestandsaufnahme zu Hause ergab eine solide Grundsubstanz mit verblüffend wenig Rost und weitgehend unberührter Technik.

Dennoch entschloss sich Dirk zu einer gründlichen Überholung. Die ausgeschlagenen Lenkungsteile tauschte er selbstverständlich aus. Außerdem zerlegte er den Motor, dichtete ihn neu ab und kontrollierte auch den Antriebsstrang. Die Bremsen überholte er komplett, die Kupplung wurde sicherheitshalber gewechselt. Neue Reifen und eine frische 12-Volt-Batterie waren obligatorisch.

Als es um die Frage des neuen Lacks ging, gab Dirk dem Geschmack statt der Originalität den Vorzug: "An Stelle des blauen Metallic-Lacks, der mich sehr an einen Werkzeugkasten erinnerte, habe ich mich für einen Blauton ohne Metall-Effekt entschieden, der für dieses Modell ebenfalls lieferbar war. Das weiße Dach passt dazu. Und: Diese Zweifarb-Kombinationen waren damals sehr angesagt."

Im Innenraum mussten die originalen Polsterbezügen Nachfertigungen weichen: "Der Stoff war, obwohl er kaum jemals Sonnenlicht abbekommen hatte, sehr spröde und zerbröselte regelrecht", bedauert der Borgward-Fan. "Aber der vom Sattler verwendete Bezugsstoff kommt dem Original sehr nahe". Das alte Radio ist vermutlich ab Werk verbaut gewesen, es muss noch ohne UKW-Empfang auskommen. Den Besitzer stört es wenig: "Ich lausche ohnehin lieber dem gesunden Motorsound des Eineinhalb-Liter Aggregats", gibt er zu.

Unterwegs ist Dirk mit seiner Isabella, die unter anderem durch ihre kleinen Rückleuchten als Exemplar der ersten Serie erkennbar ist, in der Saison hauptsächlich zu Oldtimer-Veranstaltungen. Übernachtungssorgen kennen Dirk und seine Frau dabei nicht: Zumeist nehmen sie einen zeitgenössischen Faltwohnwagen an den Haken.

Auch damit wird die 75 PS starke Isabella TS nicht zum Verkehrshindernis: "Gerade die TS-Version mit den 15 PS mehr war für ihre Zeit ziemlich flott unterwegs und muss sich mit ihren Fahrleistungen auch heute noch nicht verstecken", so Dirk. Wenn damals nicht die Zahlungsunfähigkeit des Firmengründers, gepaart mit einer ordentlichen hanseatischen Dickschädeligkeit, für das politisch offenbar gewollte Ende des Borgward-Konzerns gesorgt hätte - was hätte aus der Isabella und ihrer bereits projektierten Nachfolgerin noch alles werden können ...

Borgward Isabella TS: Bauzeit 1955 - 1961; Zylinder: 4; Hubraum: 1493 ccm; Leistung: 75 PS; Höchstgeschwindigkeit 150 km/h; Verbrauch: ca. 9 Liter / 100 km

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