Autonamen:Jeden Tag leckt etwas anderes

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Als Autonamen noch erdichtet wurden, oder: wie Ford vor 50 Jahren mit dem Modell "Edsel" einbrach.

Wolfgang Kemp

"What's in a name?" - "Was ist an einem Namen dran?", fragt Julia ihren Romeo. Die amerikanische Journalistin Alexandra Alter gibt die Antwort in einem Wort: Stress. Sie hat das Phänomen untersucht, dass immer mehr Eltern in den USA den Rat von Baby-Name-Consultants in Anspruch nehmen.

Ford-Flop: Der Edsel wurde am 4. September 1957 vorgestellt. Ein Namensvorschlag der Dichterin Marianne Moore: "Pastelogram". (Foto: Foto: AP)

Die Ergebnisse sprechen nicht für sich. Jake, Connor, Tanner, Wyatt und Cody sind derzeit die beliebtesten Namen für Jungen, für weißhäutige Jungen wohlgemerkt. In den USA werden Namen nämlich streng nach Hautfarbe vergeben. Schwarze Jungs heißen DeShawn, DeAndre, Marquis, Darnell und Terrell.

Das lässt für Deutschland nichts Gutes erwarten, wenn wir an den widerstandslosen Import von Kevin, Justin und Marvin denken. Cody Schmidt? Marquis Oberhuber? AA Gill von der Londoner Times kommentierte diese Listen mit der Bemerkung, Cocktails seien das Einzige, was man Amerikanern in Sachen Namensgebung anvertrauen dürfe.

Ein Name als Managementflop

Aber wie verhält es sich mit Autos? Mustang, Thunderbird, Impala, Corvette - US-Firmen haben einmal eine lange Reihe eingängiger und bildkräftiger Autonamen hervorgebracht. In diesen Tagen gedenken wir aber des großen Gegenbeispiels, des Ford Edsel, der am 4. September 1957 seinen potentiellen Käufern vorgestellt wurde.

Die Namensliste, die er anführt, kann als Guiness-Liste der Managementflops bezeichnet werden: New Coke lesen wir da, oder Betamax oder Microsoft Bob, und wir erinnern uns auch an die Geschichte mit der Faxtechnik, die Siemens glaubte ignorieren zu dürfen, weil das mit dem Fernschreiber gerade so gut lief.

Das Problem des Edsel, den man das falsche Auto zur falschen Zeit genannt hat, bestand ganz einfach darin, dass man bei ihm alles richtig machen wollte. 400 Millionen Dollar soll Ford in die Entwicklung gesteckt haben. Natürlich ging man auch die Namensfindung hochprofessionell an und beauftragte eine New Yorker Werbeagentur, die sich für den neuen Großkunden überschlug und ihm eine Liste von 6000 möglichen Namen vorlegte.

Drei Mitglieder der Familie Ford präsentieren 1957 in Dearborn, Michigan, den neuen "Edsel" der internationalen Presse. (Foto: N/A)

Die Abteilung Marketing gab eine andere Direktive aus: "Wer versteht sich auf die Natur der Worte besser als ein Dichter?!" Nie von falscher Bescheidenheit behindert, fragte man gleich ganz oben an: bei Marianne Moore.

Eine Dichterin durfte denken

Marianne Moore (1887-1972) war damals die poetessa assoluta der Vereinigten Staaten. Sie galt als sehr "weltliche" und allem Amerikanischen aufgeschlossene Dichterin - als bekennender Baseball-Fan durfte sie die Saison von 1968 mit dem ersten Wurf im Yankee-Stadium eröffnen.

Das Ansinnen der Ford Company wurde denn auch von Moore geradezu übereifrig aufgegriffen. Die Geheimhaltungsvorschriften verboten es zwar, sie mit dem neuen Modell direkt zu konfrontieren; da hätte man auch eine russische Delegation durch Los Alamos führen können.

Aber man schickte ihr als Köder eine Reihe von freien Entwurfskizzen, wie sie täglich zu Hunderten in Fords Design-Abteilungen abfielen, und wünschte sich von der Lyrikerin einen Namensvorschlag, der "assoziativ ein viszerales Gefühl auslöst, das den Wagen mit Eleganz, fließendem Gleiten und Fortschritt in Technik und Design verbindet". Als Messlatte nannte man den enorm erfolgreichen Namen und Wagentyp Thunderbird.

In ihrer ersten Einsendung assoziierte sich die Dichterin vorsichtig warm, indem sie eng an der Vorgabe "Donnervogel" blieb und eine Empfehlung machte, die den Vorteil hatte, dass sie sich gleich auf die ganze Modellserie anwenden ließ: Hurricane Aquila (Adler), Hurricane Accipiter (Falke) usw.

Als nächstes fand sie, dass ein Adjektiv, das ihr Korrespondent mehr beiläufig fallen ließ, "The Impeccable" ("Der Makellose"), eigentlich die perfekte Lösung sei - ein Vorschlag, den man gegen die spätere Übersetzung von Edsel in: "Every Day Something Else Leaks" ("Jeden Tag leckt etwas anderes") halten muss. Moore fand aber auch, dass Ford es mal mit "Symmechromatic" oder "Thunderblender" versuchen sollte.

Eine Zeitlang probierte sie alle möglichen Kombinationen von "Bullet" (Kugel) aus - "The Intelligent Bullet", "The Bullet Cloisonné" etc. -, aber dann, am 28. November 1956 strömte es nur so, da kam die Dichterin mit einer Registerarie nieder, einem exquisiten Prosagedicht, das die Surrealisten sofort unter ihre berühmten Listen aufgenommen hätten.

"Mongoose Civique / Anticipator / Regna Racer / Aeroterre / Fée Rapide (Aerofée, Aéro Faire, Fée Aiglette, Magni-faire) / Tonnerre Alifère / Aliforme Alifère / Turbotorc / Thunder Crester / Dearborn Diamante / Magrigravure / Pastelogram."

Die alte Dame konnte irgendwann nicht mehr aufhören: "Pluma Piluma" und "Andante con Moto" schob sie unter anderen nach, bevor sie am 8. Dezember den Killer-Vorschlag "Utopian Turtletop" nachreichte. Bei Ford wusste man jetzt, was man bekommen hatte: die großartigste Liste von unbrauchbaren Autonamen, aufzuheben vielleicht für Einzelanfertigungen der Sonderklasse: ein Aliforme Alifère Jahrgang 57 mit Turbotorc-Antrieb und Pastelogram-Extra ...

6000 Vorschläge - und keiner brauchbar

Die Namensfrage war mittlerweile auf der höchsten Entscheidungsebene angekommen, und wie es dort so zuzugehen pflegt, nach über einem Jahr der Suche, nach Prüfung von 6000 Vorschlägen und Tests mit den avanciertesten Verfahren der Verbraucherforschung, schob der Vorsitzende des Executive Committee alles angewidert beiseite und fragte (rhetorisch) "Wie wäre es, wenn wir den Wagen Edsel nennen?"

Das war insofern eine ironische Wendung, als die Fachpresse das neue Modell, das bei Ford als "E-Car" (für Experimentalwagen) lief, instinktiv mit dem Vornamen von Henry Fords einzigem Sohn Edsel assoziiert hatte. Edsel, auch als Vorname für einen Menschen kein Hit, verglichen mit Mercedes etwa, riss als Markenname Fords großen Hoffnungsträger mit in den Abgrund.

Unsere Zeit, die Copen, Cee'd, Lacetti oder X-90 für Autonamen hält, sollte sich nicht überheben.

© SZ vom 4.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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