Automobil-Marken:Sein oder nicht mehr sein

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Die Auto-Krise legt schonungslos offen, welcher Hersteller für die nächste Zukunft gut aufgestellt ist und welcher nicht.

Georg Kacher

(SZ vom 15. / 16. 3. 2003) - Eigentlich ist Auto-Frühling, uneigentlich stehen wir kurz vor dem Krieg. Diese beiden konträren Erlebniswelten liefern sich in den Köpfen der Konsumenten eine Endlosdiskussion, die für den Handel katastrophale Folgen hat.

Anschauen ist toll. Kaufen zurzeit weniger: Auch die Autobranche spürt die Konjunkturschwäche. (Foto: Foto: autocert.de)

Das Resultat: Trotz Super-Leasing-Deals und Mega-Rabatten bewegt sich in Deutschlands Autohäusern viel zu wenig. Es gibt zwar noch ein paar versteckte Oasen der Sonderkonjunktur, doch Ausnahmen wie der Porsche Cayenne Turbo oder der BMW X5 Diesel fallen gegen die Halden der Golf, Astra und A-Klassen kaum ins Gewicht.

Auch Volumenmarken sind jetzt betroffen

Wie immer zu Krisenzeiten, sind es die Schwachen, denen die schmale Kost aus kletternden Kosten und schrumpfendem Cash Flow besonders schlecht bekommt. In diesem Jahr müssen sich erstmals nicht nur finanziell angeschlagene Einzelkämpfer wie Rover oder Lada gegen den Abwärtssog wehren, sondern auch schlecht aufgestellte Volumenmarken, denen man zusehen kann, wie sie im vermeintlich sicheren Netzwerk übergeordneter Allianzen den Faden verlieren.

Saab ist einer jener Kandidaten, die auf der Kippe stehen. Bob Lutz, der oberste Produktverantwortliche von General Motors (GM), bringt die Situation auf den Punkt: "Wir können es uns nicht leisten, Milliarden in eigenständige und ausdrucksstarke schwedische Automobile zu investieren, wenn davon pro Jahr nur 125.000 Stück abzusetzen sind."

Deshalb hat General Motors den Trolls eine Schonfrist bis Ende 2004 gesetzt. Wenn bis dahin noch immer keine Trendwende in Sicht ist, soll Saab verkauft, liquidiert oder mit einer anderen Division verschmolzen werden.

In der Zwischenzeit wollen Lutz und seine skandinavischen Statthalter ein nicht ungefährliches Reha-Programm durchziehen, dessen erste Stufe allerdings nur den US-Markt betrifft. Dort dürfte schon zur Jahreswende ein kleiner Saab 9-2 auf den Markt kommen, der sich die wichtigsten Gene mit dem Subaru WRX Kombi teilt.

Gleichzeitig wird auf Basis des Chevrolet TrailBlazer ein Saab 9-7 Geländewagen entwickelt. Und die europäischen Kunden gehen leer aus? O-Ton Detroit: "Um höhere Ansprüche zu befriedigen, brauchen wir mehr Zeit und die allerneueste Technik."

Ford: Die müssen was tun

Auch in der Ford-Zentrale bei Dearborn stehen die Zeichen auf Sturm. Die Pkw-Geschäfte laufen schlecht, bei den Trucks verliert der Marktführer immer mehr Kunden an die Japaner, und die Kostenspirale aus verkaufsfördernden Maßnahmen, mangelnder Auslastung und steigenden Refinanzierungszinsen hinterlässt hässliche rote Bremsspuren auf dem Blue Oval - die Stimmung im Vorfeld zur Feier des hundertjährigen Bestehens könnte kaum schlechter sein.

Während in Lateinamerika die Währungsgewinne von der Inflation aufgefressen werden, kommt in Europa die Integration der Edelmarken Land Rover, Jaguar und Volvo nur schleppend voran.

Nach Wolfgang Reitzles Abgang zu Linde und David Thursfields Wechsel in die US-Zentrale fehlt ein Visionär mit Durchsetzungskraft, der Ordnung in die Chaosstruktur der kaum miteinander kompatiblen Front-, Heck- und Allradantriebsplattformen bringt.

Ein erster Ansatz ist die Global Shared Technology des Entwicklungsvorstands Richard Parry-Jones, doch der Plan kommt spät und er eignet sich nur bedingt für Geländewagen und Oberklassemodelle.

Während GM die Marke Oldsmobile eingestellt hat und Ford mit der Marke Mercury seine liebe Not hat, trägt sich Chrysler mit dem mutigen Gedanken, die Marke Dodge nach Europa zu exportieren.

Zugpferd Viper

Als Zugpferd könnte die neue Viper dienen, ein hochkarätiger Roadster mit V-10-Motor und Rennsport-Potenzial. Weitere Varianten, die im Rahmen einer Dodge-by-Chrysler-Strategie auf ihre Überseetauglichkeit untersucht werden, sind das kantige Freizeitauto M80, ein fünftüriges Schrägheck auf Basis der nächsten Neon- oder Stratus-Generation und ein sportlich-kompakter Minivan, der deutlich flacher und schmäler ausfallen müsste als der Voyager.

Nach Informationen aus Auburn Hills wäre es möglich, mit einem Budget von nur 200 Millionen Euro die Marke Dodge zu lancieren und in das Chrysler-Vertriebssystem zu integrieren. Endgültig entscheiden will man sich, "wenn die Zeiten wieder besser sind".

Profilieren statt konkurrieren

Auch in der VW-Gruppe steht das Markengefüge längst nicht so bombenfest, wie es die Konzernmutter gerne hätte. Kopfzerbrechen bereitet vor allem die Performance von Seat und Škoda - ergänzen statt überschneiden und profilieren statt konkurrieren, heißt hier die Devise für die nächsten Jahre.

Doch das wird schwierig, denn Seat liegt mit seiner sportlich-jugendlichen Ausrichtung und mit einem Teil des Modellprogramms gefährlich dicht an Audi, und Škoda macht mit Autos wie dem Superb und mit vielen klassischen VW-Werten der Dachmarke das Leben schwer.

Mittelfristig müssen daher Spanier und Tschechen versuchen, mit eigenständigen Fahrzeugkonzepten und intelligent adaptierter Großserientechnik ihr Eigenschaftsprofil zu schärfen oder neu auszurichten.

Ähnliche Überlegungen gelten inzwischen auch für Bentley, Lamborghini und Bugatti. VW-Chef Bernd Pischetsrieder bringt sein Credo auf den Punkt: "Erst wird Geld verdient, dann unterhalten wir uns über eine Erweiterung des Modellangebots."

Dieser Pragmatismus betrifft vor allem die englische Luxusmarke, deren Stückzahlprognose von oberster Stelle kürzlich auf 4.000 Einheiten halbiert wurde. Über einen Nachfolger für den Arnage und das Luxuscabrio Azure wird also erst entschieden, wenn sich der Continental GT und seine Varianten auf dem Markt etabliert haben.

Erfolgreiche Japaner

Die Japaner sind rund um den Globus weiter im Aufwind - allen voran Toyota, wo man in allen Bereichen tiefschwarze Zahlen schreibt. In Europa will allerdings die Nobelmarke Lexus, die jetzt erst auf dem Heimatmarkt eingeführt wird, nicht so recht in die Gänge kommen.

Dafür legt Toyota bei den Hybridfahrzeugen die Messlatte für 2003 auf unglaubliche 300.000 Fahrzeuge. Dieser Vorsprung ist nur noch durch Kooperation einholbar. In Genf machte daher das Gerücht von einem Deal mit Mercedes die Runde - alternative Antriebe gegen Diesel-Know-How. Dazu Mercedes-Chef Jürgen Hubbert: "Wir reden miteinander, nicht mehr und nicht weniger."

Eine erstklassige Performance liefert auch Mazda ab. Die Ford-Tochter hat unter Martin Leach tolle Autos entwickelt, die in puncto Design und Fahrspaß Zeichen setzen. Ebenfalls gut im Rennen liegt Nissan. Den Beweis liefern nicht nur Neuzugänge wie der Micra III oder das 350Z Coupé, sondern auch die Edelmarke Infiniti, die in den USA eine Rekordrunde nach der anderen dreht.

Subaru baut zwar unglaublich fahraktive Autos, doch die Japaner haben sich der Kombination aus Boxermotor und Allrad-Antrieb verschrieben und sind auf der Suche nach einem geeigneten Diesel immer noch nicht fündig geworden. Mitsubishi ist mit Hilfe von Chrysler und Mercedes / Smart dabei, sein gesamtes Programm neu zu ordnen. Was die Daimler-Tochter wirklich kann, beweisen von 2006 an unter anderem drei neue Evo-Modelle auf Basis Colt, Lancer und Pajero.

Aus für Matra

Kurz vor Genf warf der französische Karosseriespezialist Matra das Handtuch. Das plötzliche Aus hat tragische Züge, denn der Serienanlauf des M72-Buggy stand kurz bevor (Renault hätte den Vertrieb übernommen) und der Entwicklungsauftrag T83 (ein Crossoverauto auf Clio-Basis) war relativ weit fortgeschritten.

Doch eine kleine Marke wie Matra hat eben nur dann eine Chance, wenn sie von einer großen Marke gestützt wird - vor allem in Krisenzeiten wie diesen.

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