Automobil-Ausstellung in Frankfurt:Pkw - Permanenter Kosten-Wahnsinn

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Gleich 80 neue Modelle werden auf der IAA präsentiert. Doch so glänzend, wie sich die Branche in Szene setzt, läuft das Geschäft längst nicht mehr. Gerade die deutschen Marken müssen sich der Konkurrenz aus Fernost erwehren.

Michael Kuntz

Eine Branche macht sich Mut. "Faszination Auto" lautet das Motto der Automesse IAA. Es ist die größte Veranstaltung dieser Art weltweit, eine Million Besucher werden erwartet, und auf dem Frankfurter Messegelände ist Weltpremiere für 80 neue Automodelle.

Der neue Lamborghini zählt weniger zu den "Geiz-ist-geil-Autos" der IAA. (Foto: Foto: dpa)

Sie sollen Schwung bringen in den lahmenden Geschäftsgang der Autoindustrie, die jahrzehntelang ihre Produkte nach dem Motto "Größer, schneller, teurer" entwickelt und dabei glänzende Gewinne gemacht hat. Diese Zeit ist spätestens seit dem Jahr 2001 vorbei, und der Wirtschaftszweig, an dem allein in Deutschland mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze hängen, sortiert sich neu: in Gewinner und Verlierer.

Während Toyota, BMW und Peugeot wegen großer Nachfrage neue Werke bauen müssen, tun sich Opel, Fiat und Volkswagen schwer, ihre vorhandenen Fabriken annähernd auszulasten. Besonders bedrängt werden die Hersteller so genannter Volumenmodelle - also der eher durchschnittlichen Autos für den Normalverdiener, die in hohen Stückzahlen produziert werden. Was früher ein verlässliches Geschäft war, ist heute ein besonders riskantes.

"Geiz-ist-geil-Autos"

Denn Massenhersteller wie Volkswagen, Ford, Opel und Fiat geraten gleich doppelt unter Druck. Einmal erweitern die Hersteller luxuriöser Limousinen ihre Produktpalette nach unten. Das tat BMW sehr erfolgreich mit Mini und der Einser-Reihe; das tat DaimlerChrysler nicht erfolgreich mit dem Smart. Außerdem drängt nach den längst etablierten Japanern nun weitere asiatische Konkurrenz mit "Geiz ist geil"-Autos auf den Markt. So konnten die Koreaner Kia und Hyundai seit Jahresbeginn bei den Neuzulassungen in Deutschland um 35 Prozent zulegen.

Die Koreaner sind schon da. Mit den drei chinesischen Ausstellern bei der IAA kommen drei weitere Billiganbieter dazu. Die indische Autoindustrie übt noch auf ihrem gigantischen Inlandsmarkt - wie es weitergeht, ist absehbar. Die Entwicklung eines Autos dauert heutzutage ungefähr drei Jahre und es wird dann etwa sechs bis sieben Jahre lang verkauft. Veränderungen in der Autoindustrie brauchen also ihre Zeit, doch die Weichen sind gestellt.

Ein Glück vor allem für die Premiumhersteller wie Mercedes, BMW und Audi ist es, dass sie emotionale Produkte herstellen, mit einer starken Wirkung auf die Gefühlswelt von Fahrer und Käufer. Denn der private Autokäufer will keineswegs ein Billigauto - er möchte gleichwohl den seinen Vorstellungen entsprechenden gut ausgestatteten Personenwagen möglichst billig erwerben. So erklärt es sich, dass trotz der hohen Rabatte ein steigender durchschnittlicher Verkaufspreis bezahlt wird.

Hohe Rabatte wie die derzeit üblichen 15 Prozent auf den Listenpreis für Neuwagen sind nicht nur problematisch, weil sie die Erträge der Autohersteller schmälern. Sie verunsichern auch potenzielle Käufer, die keine Lust zum Feilschen haben, um den wahren Preis zu erfahren. Diese Gruppe verschiebt dann den Kauf und wartet auf weiter fallende Preise - schlecht für die Industrie.

Die Autopreise stiegen in den vergangenen zehn Jahren stärker als die Einkommen. Es muss länger für ein neues Auto gespart werden - also werden seltener Neuwagen gekauft. Die vorhandenen Autos sind jetzt durchschnittlich acht Jahre alt, ein Rekordwert. Wachsende Märkte gibt es nur noch in Asien, in Osteuropa und in Lateinamerika. In Nordamerika kannibalisieren sich die Autohersteller in einer beispiellosen Rabattschlacht. In Europa stagniert der Markt. Neue Kunden lassen sich nur noch gewinnen, indem man sie Konkurrenten wegnimmt. Die Ökonomen sprechen von Verdrängungswettbewerb.

Wolfsburg vs. Portugal

Rover war trotz Rettungsangebote aus China das erste Opfer, Fiat würde wohl bald folgen, wenn die marode Autofirma nicht zu einem solventen Industriekonzern gehören würde. Einen Weg aus der Krise hat möglicherweise General Motors als Eigentümer von Opel gefunden. Opel schreibt erstmals seit Jahren im laufenden Geschäft schwarze Zahlen. Der Grund: ein rigoros umgesetztes Programm zur Senkung der hohen Produktionskosten in den deutschen Werken.

Opel ist da schon einen Schritt weiter als andere Unternehmen. So muss sich der designierte DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche erst noch einiges einfallen lassen, damit sich mit den Kleinstwagen der Marke Smart wieder Geld verdienen lässt. Und bei Volkswagen tobt nun schon seit Wochen - nach VW-Affäre um Schmiergelder und Lustreisen von Betriebsräten - der Streit darüber, wo der neue kompakte Golf-Geländewagen Marrakesch produziert werden soll: im Stammwerk Wolfsburg oder im preiswerten Portugal.

Vorreiter Toyota

Neuerdings steht sogar der erst kürzlich abgeschlossene Haustarif zur Disposition, um die Kosten so weit senken zu können, wie sich das der von DaimlerChrysler zu Volkswagen geholte Sanierer Wolfgang Bernhard vorstellt.

Wie man Massenautos günstig herstellt, weiß weltweit am besten Toyota. Heute schaut die ganze Industrie nach Japan, um zu sehen, wie sich einerseits die Kosten senken lassen, die Qualität dabei aber hoch bleibt. Denn eines ist klar: Der Kunde, der mehr als früher auf sein Geld achten muss, will vor allem ein technisch einwandfreies Produkt bekommen. Ist das nicht der Fall, zählt die einst so beschworene Treue zur Marke heute nicht mehr viel.

Der Einfluss der Politik ist in diesem Zusammenhang übrigens begrenzt. Kein noch so starker Auto-Kanzler kann die Leute zwingen, sich ein bestimmtes Auto zu kaufen, wenn sie das nicht wollen.

© SZ vom 13.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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