Automesse:Totentanz in Los Angeles

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Auf der zweitgrößten US-Automesse in Kalifornien sind die heimischen Hersteller fast abgetaucht - für Stimmung sorgen derweil Porsche, BMW und die Japaner.

Michael Kuntz

Ein bizarres Schauspiel bietet derzeit die Los Angeles Auto Show. Glanz und Elend der Autoindustrie liegen nur wenige Meter auseinander. So jedenfalls ist es in der Halle Süd des modernen Convention Center. Volkswagen und Audi haben große, helle Messestände aufgebaut, und es sieht aus wie in den Messehallen von Detroit oder Frankfurt. Daneben das amerikanische Elend.

Hondas FC-Sport-Studie auf Brennstoffzellen-Basis (Foto: Foto:)

Die Präsenz von Chrysler besteht aus einigen Autos, die einfach auf den normalen Hallenteppich geschoben wurden. Keine Scheinwerfer, im Halbdunkel ein Podest, keine Hostessen zum Fotografieren, kein Standpersonal. Ein Jeep mit Skateboards auf dem Dach und ein paar Computerkonsolen an den Seiten sind die einzigen Farbtupfer.

"Es ist wie beim Totentanz", sagt ein Motorjournalist, der schon lange hierher kommt. Im Januar bei der Messe in Detroit hatte Chrysler noch eine Rinderherde vor die Cobo-Halle treiben lassen, als spektakuläre Werbung für die bulligen Fahrzeuge seiner Marke Dodge. Aus und vorbei.

Nicht viel besser sieht es bei General Motors aus. Hier brennt wenigstens noch das Licht hell über den Exponaten. Doch ansonsten ist alles sehr reduziert. Die Autos wirken für sich - oder auch nicht. Pick-ups und große Geländewagen, die kaum einer kauft, sind immer noch im Angebot. Zwischen den anderen Autos der GM-Marke Saturn parkt der amerikanische Astra. Hergestellt bei Opel und seit Jahresanfang in den USA erhältlich, hat er die Lage nicht verbessern können.

Pressetreffen abgesagt

Die Pressekonferenz des - neben Toyota - immer noch größten Autoherstellers der Welt steht nur im Terminplan. Sie fällt einfach aus. Offensichtlich wollten die GM-Chefs Rick Wagoner und Fritz Henderson jedes Medienecho vermeiden, das die düsteren Fernsehbilder von ihrem Bittgang nach Washington konterkarieren könnte.

Doch die hungrige Meute der aus aller Welt angereisten Reporter bekommt ihr Futter. Während mit General Motors, Ford und Chrysler die drei Ikonen der amerikanischen Industriegeschichte ums Überleben kämpfen, bestreiten ausgerechnet jene Hersteller die Show, die kräftige, luxuriöse und teure Autos anbieten - wie etwa Porsche.

Für die Zuffenhausener ist Kalifornien der größte Markt, und deshalb hat der vorgebliche David der deutschen Hersteller hier eine eigene Halle. Die ist nicht ganz so groß , aber auch nicht eben klein. Hier drängen sich die Medienleute zur Mittagsstunde um den neuen Boxster und den neuen Cayman. Beide Sportwagen fahren in einem Film über die Leinwand, dessen Ton vor allem aus jenem röhrenden Brummbrumm besteht, das Autofreaks weltweit immer noch zu faszinieren scheint.

Hier ist etwas los, hier drängeln alle, hier ist die Stimmung gut. Man will es eigentlich nicht hören, aber auch Porsche hat kräftige Absatzeinbrüche in den USA hinnehmen müssen und, so sagt der Porsche-Mann noch, mal sehen, wie es im Frühjahr weitergeht. Man sei jedenfalls gut aufgestellt: neue Autos, neue Chancen.

Der Marketing-Mann Peter Schwarzenbauer muss an diesem Tag für seinen Wechsel von Porsche in den Audi-Vorstand büßen: Statt die Vorzüge der Modelle zu erläutern, muss er vor allem erklären, warum Audi in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm die Weihnachtsferien um zwei Tage verlängern werde.

Die Premium-Tochter von Volkswagen ist bisher ganz gut durch die Krise gekommen. Man werde das Ziel von einer Million produzierten Autos in diesem Jahr trotz Krise schaffen.

Nicht nur Stückzahlen zählen: Audi profitiert davon, daß sein Amerika-Geschäft in den vergangenen Jahren schwächelte und hohe Rückstellungen für schiefgelaufene Leasing-Geschäfte schon allein deshalb nicht anfallen konnten, weil eben deutlich weniger Wagen von Audi als von Mercedes oder BMW verkauft wurden.

Als einziger deutscher Big Boss ist Norbert Reithofer von BMW in Los Angeles anwesend. Das hat seinen Grund: Der bayerische Konzern verkauft mehr Autos in Kalifornien als in Italien. Mit dem neuen elektrischen Mini sorgt BMW für viel Gesprächsstoff. Gouverneur Arnold Schwarzenegger schaute ihn sich schon an. Ein Jahr lang dürfen 500 normale Kunden das Auto leasen und in ihrem Alltag testen.

Reithofer spricht von einer herausfordernden Zeit, in der man nicht mehr die bislang üblichen sieben Jahre im Voraus plant, sondern nur noch für die nächsten drei Monate.

Rolls-Royce gefragt

Der BMW-Chef rechnet in der ersten Hälfte des nächsten Jahres mit einem Rückgang des Weltmarktes für Automobile um weitere zehn Prozent. Zum Glück sei man mit Arbeitszeitkonten bis zu 300 Stunden und dem Mittel der Zeitarbeit recht flexibel, um auf solche Schwankungen in der Nachfrage zu reagieren.

Es bleibe dabei: Anfang des Jahres werde geprüft, ob die angekündigte Streichung der Produktion von 65.000 Fahrzeugen ausreichend ist. Im vergangenen Jahr hat die BMW Gruppe 1,5 Millionen Autos hergestellt. Mittelfristig erwartet Reithofer eine konjunkturelle Erholung. Man habe die Volumenziele für das Jahr 2012 nicht aufgegeben. Amerika wird dabei eine Schlüsselrolle spielen. Denn der amerikanische Automarkt werde sich schneller erholen als der europäische.

Doch der Schock von Benzinpreisen über vier Dollar pro Gallone wirke nach. Neue kleine Geländewagen als Mini und BMW 1er seien eine vielversprechende Antwort. Als die Marke Mini vor rund zehn Jahren von BMW übernommen wurde, liefen gerade noch 10.000 Autos von den Bändern.

In diesem Jahr werden es 240.000 Exemplare des neu aufgelegten Kultautos sein. Auch die Autos der BMW-Marke Rolls-Royce sind sehr gefragt. Und immerhin bestehen Lieferzeiten von drei bis vier Monaten für den BMW X6, ein ziemlich großes Geländewagen-Coupé. Es gibt also nicht nur schlechte Nachrichten aus Los Angeles.

© SZ vom 21.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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