Autokennzeichen in Frankreich:Neues Zahlenrätsel

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Mein Auto, meine Heimat: In Frankreich ändern sich die Nummernschilder.

Jeanne Rubner

Ganze Generationen französischer Kinder haben dieses Zahlenspiel geliebt: Auf den langen Fahrten in die großen Ferien vertrieben sie sich die Zeit damit, die Autokennzeichen zu dechiffrieren und lernten so zugleich die Verwaltungseinheiten der Nation. Denn die zweistellige Zahl, die auf der Kennung rechts außen steht, verrät das Département und damit den Wohnort (und die Eigenarten) des Fahrzeughalters: 75, das konnte nur ein arroganter Pariser sein und 68 ein hinterwäldlerischer Bauer aus dem Elsass. Und verbarg sich hinter dem Steuer von "2A" nicht vielleicht ein Bombenleger aus Korsika?

Der Fahrer dieses Citroën wohnt in Paris, das zeigt die "75" am rechten Rand des Original-Nummernschilds deutlich. Dieses wird nun durch eine anonyme Zahlen-Buchstaben-Reihe ersetzt. (Foto: Foto: imago)

Jetzt aber ist Schluss mit den beliebten französischen Klischees: An diesem Mittwoch läutet der Staat das Ende der Zahlenrätsel ein. Fortan wird jedes neue Fahrzeug mit einer Kombination aus Zahlen und Buchstaben versehen. Die Nummer des Départements, immerhin ein Erbe der Französischen Revolution, wird dann nur noch sehr klein am rechten Rand des Autokennzeichens erscheinen, und der Fahrzeughalter darf sie sogar frei wählen.

Zwei Buchstaben, drei Zahlen, zwei Buchstaben: So werden Frankreichs Fahrzeuge in Zukunft schnöde gekennzeichnet. Und zwar lebenslang, bis sie auf dem Schrottplatz landen. Selbst bei einem Umzug oder bei einem Verkauf bleibt das Nummernschild erhalten. AA-001-AA wird die erste neue Kombination sein, und sie dürfte an den ersten Autokäufer des 15. April - wegen der Zeitverschiebung - auf der Insel Réunion im Indischen Ozean vergeben werden. Das System soll die Anmeldung vereinfachen, die in Zukunft von Autohändlern übernommen werden kann, sowie dem verbreiteten Diebstahl von Autos vorbeugen. Mehr als 130.000 Fahrzeuge haben 2008 in Frankreich unfreiwillig den Besitzer gewechselt.

Parallel zu den Kennzeichen werden die "cartes grises", die grauen Fahrzeugscheine, fälschungssicherer gemacht. Bislang kam es häufiger vor, dass die Blanko-Formulare in den Präfekturen gestohlen wurden. Schließlich soll das neue System neue Kennzeichen schaffen. Die gingen etwa in Paris schon zur Neige, denn in Frankreich muss der Besitzer die Fahrt zum Schrottplatz nicht melden. Es mussten bisher also viel mehr Nummernfolgen generiert werden als tatsächlich Autos auf den Straßen fahren.

Die neuen Buchstaben- und Zahlenkombinationen vergibt nun der Computer, und selbst Prominente werden sich nicht mehr ein Kennzeichen wählen dürfen. Ein kleiner Trost für alle, die dem seit 1950 gültigen System nachtrauern, ist die freie Wahl einer Département-Kennzahl. Diese war ursprünglich nicht vorgesehen, doch nach heftigen Protesten lokaler Abgeordneter und Zehntausender Bürger musste Innenministerin Michèle Alliot-Marie nachgeben. Nun ist zumindest eine Ecke für die traditionelle zweistellige Zahl reserviert. Darüber wird das Symbol der zugehörigen Region prangen - der rote Stern für die Ile de France oder der Mohr für Korsika.

Jetzt rätselt ganz Frankreich, welche Zahlen in Zukunft am häufigsten die Autos schmücken werden: Das Département, in dem man wohnt? Eigentlich langweilig. Jenes, in dem man geboren wurde? Dort, wo das Ferienhäuschen steht? Oder vielleicht sogar das Geburtsjahr? Dass das elitäre Pariser "75" überhand nehmen könnte, wird von Experten bezweifelt. Denn die Bewohner des Großraums Paris stammen in der Regel nicht aus der Hauptstadt und dürften daher geneigt sein, ihre wahren Wurzeln auf dem Autokennzeichen preiszugeben.

Apropos elitär: Wirklich exklusiv bleibt in jedem Fall die Nummer 06. Denn bislang durften nur die Autofahrer aus dem an Monaco grenzenden Département Alpes-Maritimes auf den Felsen mit dem Grimaldi-Schloss fahren. Wer glaubt, er könne nun mogeln, indem er sich einfach die Ziffer 06 für sein Auto besorgt, irrt: Die "echten" Bewohner dieses Départements erhalten in Zukunft eine Vignette, die ihnen die freie Fahrt ins Fürstentum sichert.

© SZ vom 15.04.2009/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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