Audi S4:Darf es etwas mehr sein?

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Der Biturbo-Motor zeigt die Charakteristik eines V8-Aggregats

(SZ vom 06.12.1997) Die Ära sportlicher Audi-Modelle begann 1981 mit den bärenstarken Fünfzylinder-Turbomotoren im Ur-Quattro, dessen Rallye-Version Walter Röhrl seinerzeit über die Pisten der Welt jonglierte und Audi mehrere Weltmeistertitel einfuhr. Seit dem Jahr 1985 kultiviert Audi diese Tradition mit sogenannten S-Modellen, die schließlich in äußerlich brave, aber innerlich hochgerüstete Straßenversionen mündeten. Mittlerweile besitzt jede Baureihe der Ingolstädter Automobilbauer mindestens eine S-Version. Bereits in der zweiten Generation erblicken derzeit die S4-Modelle das Licht der Großstadt-Boulevards.

Für Leistungsverliebte

Die Zielgruppe der 81 500 Mark teuren Limousine S4 ist klar definiert: Zu ihr zählen jene leistungsverliebten Menschen, die gern Wolf im Schafspelz spielen und bisher nur bei Mercedes-Benz oder BMW fündig wurden und dort zum C 36 AMG mit 206 kW (280 PS) oder M3 mit 236 kW (321 PS) griffen. Der Audi S4 liegt mit 195 kW (265 PS) nominell zwar am unteren Ende der Leistungsskala des 250 km/h schnellen Terzetts, doch gemessen an den Elastizitätswerten mit dem BMW M3 zumindest gleichauf, in einigen Disziplinen ist er ihm sogar deutlich überlegen. Außerdem gibt es den Audi für 83 800 Mark auch als S4 Avant. Seine Väter bemühen für so viel Temperament ein ungewöhnliches Konzept mit den Zutaten: Sechszylinder in V-Form, Fünfventiltechnik und Biturbo-Anlage mit getrennter Ladeluftkühlung.

Turbolader melden sich spontan

Während C 36 AMG und M3 die Kraft aus üppigen Hubraumwerten schöpfen, hat Audi den 2,8-I-V6-5V-Motor zugunsten thermischer Vorteile auf 2,7 Liter Hubraum verkleinert und zwei KKK-Turbolader aufgepflanzt. Wer nun glaubt, der mit Sechsgang-Handschaltung ausgestattete S4 ernte durch die Biturboanlage ein bissigeres oder gar ruppiges Fahrverhalten nach dem Vorbild aufgeladener Triebwerke früherer Jahre, der irrt.

Der S4 zieht davon, als arbeite ein großvolumiger V8-Saugmotor unter der Haube. Eine Reihe von Maßnahmen ist für den beispiellosen Drehmonentverlauf des S4-Triebwerks verantwortlich - unter anderem die beiden kleinen, spontan ansprechenden Turbolader in Verbindung mit der Fünfventiltechnik, die speziell geformten Einlaßkanäle, die verstellbaren Einlaßnockenwellen und insbesondere die neue Bosch Motronic ME7. Sie ermittelt über die Stellung des Gaspedals den Drehmomentwunsch des Fahrers und steuert eine Vielzahl von Funktionen, um den Wunsch schnell und verbrauchsgünstig zu erfüllen. Maximal 400 Newtonmeter fallen bereits zwischen 1850 und 3600/min an. Das adaptive System ME7 ist das erste seiner Art auf dem Markt.

Insgesamt 5400 Audi S4 sollen im kommenden Jahr international verkauft werden. Allein in Deutschland werden für diesen Zeitraum 1800 Interessenten erwartet. Sie erhalten ein recht unauffälliges High-Tech-Automobil auf 17-Zoll-Alufelgen mit 20 Millimeter tiefergelegtem Sportfahrwerk. Vorn erkennt man den S4 an einer tief heruntergezogenen Schürze mit großen Lufteinlässen, Xenon-Scheinwerfern und S4-Emblem. Im Interieur sind zwei Airbags für Fahrer und Beifahrer ebenso selbstverständlich wie Seitenairbags in den Sitzlehnen. Darüber hinaus verfügt der S4 über eine große Anzahl von Ausstattungdetails serienmäßig, die seinen Grundpreis rechtfertigen helfen.

Schnell, aber bequem

Das beeindruckende Fahrverhalten des Audi S4 läßt sich nicht allein auf das üppige Drehmomentangebot zurückführen und die Spontaneität seines Antritts. Ebenso begeisternd ist die Spurtreue dank Allradantrieb bis in hohe Geschwindigkeitsbereiche. Die straffe, aber dennoch komfortable Fahrwerksabstimmung erlaubt selbst bei schneller Gangart ein entspanntes Reisen.

Gleichzeitig läßt sich der S4 im dichten Überlandverkehr präzise steuern, spurtet zum Überholen vehement los, bremst bissig ab und bleibt bis in den Grenzbereich gutmütig und problemlos zu führen. Einzig ans Lastwechsel-Rucken möchte man sich nicht gewöhnen. Allein dieser Wertmutstropfen sollte Audi-Techniker animieren, einen Blick nach Stuttgart und München zu riskieren.

Von Jürgen Zöllter

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