Audi RS6 Avant:Rennlaster

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Er macht dicke Backen und lässt bei einem Gaspedalstoß 580 Pferde springen. Der Audi RS6 ist der stärkste Serienkombi der Welt - die Konkurrenz hält den Atem an.

Stefan Grundhoff

Der Audi RS6 Avant ist optisch so unspektakulär wie man es von einem Sportmodell aus Neckarsulm kennt. Noch dezenter, noch kraftvoller und noch geräumiger als der prächtige Bruder RS4 kennt die Mischung aus Rennwagen und Lustesel kaum Gegner.

Viel Kraft - aber das hohe Eigengewicht kann der RS6 gerade in engen Kehren dann doch nicht überspielen. (Foto: Foto: Audi)

Das Topmodell zum Ende des Lebenszyklus

580 PS bietet derzeit kein anderer Kombi. Ein derartiges Understatement und einen nicht zu unterschätzenden Allradantrieb sucht man bei der Konkurrenz ebenfalls vergeblich. Der 4,93 Meter lange und über zwei Tonnen schwere Bodybuilder fährt sich nicht souverän, sondern omnipotent - er kann und will immer. Sein Tatendrang wird zumeist nur vom Können des Piloten begrenzt, denn der Luxuskombi kommt selten an seine Grenzen.

Dabei ist es nicht so, dass der 435 PS starke S6 an latenter Unkonzentriertheit oder gar Leistungsschwäche leisten würde. Aber die Ingolstädter haben es gute Tradition werden lassen, dass ein Topmodell gegen Ende des Modellzyklus' nochmals eine Granatenversion erhält.

Das ist beim Audi A6 nicht anders. Bereits der gerade einmal 2800 Mal verkaufte Erstling Audi RS2 hatte die nicht vorhandene Konkurrenz im Jahre 1993 zum Staunen und die Sportwagengemeinde an den Rande des Wahnsinns gebracht.

Der erste RS4 wurde Dank Doppelturbo zur Legende und der RS6 de ersten Generation war eine Rakete für all diejenigen, die nicht protzen, sondern klotzen wollten. "Wir hatten Kunden, die haben den RS6 nicht nur ohne Modellbezeichnung bestellt, sondern auch die Spiegelschalen in der normalen Wagenfarbe lackieren lassen, um nicht aufzufallen", erzählt der Projektverantwortliche bei der quattro GmbH, Stephan Reil.

Ein Zehnzylinder mit doppelter Turboaufladung

Auf den ersten Blick sorgt der RS6 für wenig Aufregung. Sicher, die 20 Zoll großen Felgen fallen ins Auge; serienmäßig gibt es 19-Zöller. Doch die bullig ausgestellten und oberhalb mit einer Kante versehenen Kotflügel fallen erst beim zweiten Hinsehen ins Auge. "Mit diesen Kotflügeln wollten wir an den Ur-Quattro erinnern", so Entwickler Jens Koch, einer der Väter des RS6.

Doch gegen seinen Ur-Ur-Enkel war der seinerzeit zweifellos prächtig motorisierte Seriensieger Audi Quattro mit seinen kargen 200 PS ein wahres Muttersöhnchen. Denn abseits aller optischen Vertuschungen ist die eigentliche Schau am mindestens 106.900 Euro teuren Über-Audi sein Triebwerk. Das liegt nach alter Bauart zwar immer noch ein ganzes Stück vor der Vorderachse, wiegt trotz gewaltiger Kraftreserven, fünf Litern Hubraum und zehn Brennkammern jedoch nur 278 Kilogramm.

Zum ersten Mal wurde nun ein Zehnzylinder mit Benzindirekteinspritzung und doppelter Turboaufladung geadelt. Sieht gut aus, doch was das wirklich heißt, zeigt ein Ritt auf der Rennstrecke.

Das fünf Liter große und überaus kompakt bauende Triebwerk presst den Fahrer aus jedem Drehzahlbereich brachial in die exzellenten Sportsitze. Wenn der mit bis zu 0,7 bar aufgeladene brüllende Doppelturbo erst einmal verdichtet, wächst kein Gras mehr. Zwischen 1500 und 6200 U/min stehen gewaltige 650 Nm Drehmoment zur Verfügung.

Viel zu tun für die grandios angestimmte Sechsstufen-Automatik, die die Gänge wie im Flug durch die einzelnen Schaltstufen rutschen lässt. 0 auf 100 km/h in gerade einmal 4,6 Sekunden und eine abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit von 250 oder 280 km/h rauben Porsche-Piloten den letzten Nerv. Dass man sich im geräumigen RS6 in jedem Leistungszustand dann auch noch angenehm unterhalten kann, ist für Porsche-Fahrer ebenso erniedrigend wie das Platzangebot, das der bekannt hochwertig verarbeitete Kombi mit seinen 1660 Litern Stauraum bietet.

Ist man erst einmal zur flotten Gangart gewechselt, spürt man den großen Vorteil des Kraftmeiers. Was bringen 426 kW / 580 PS und 650 Nm, wenn man sie nicht auf die Straße bringt? Hier leistet der quattro-Antrieb mit seiner asymmetrisch-dynamischen Momentenverteilung grandiose Arbeit und zaubert so in Stuttgart und München Sorgenfalten auf die Stirnhäute der Motorsportableger M-GmbH und AMG.

Allrad mit viel Understatement

Einen Allradantrieb bietet in dieser Auto-Liga eben kein anderer. Die Kraftverteilung im Verhältnis 40:60 lässt dem Piloten zudem den gewünschten Freiraum für dynamische Sportwagengefühle. Je nach Fahrwerkseinstellung ist man komfortabel oder straff unterwegs. Das optionale Sportfahrwerk Plus lässt dem Piloten in drei frei wählbaren Stufen von komfortabel bis stramm alle Möglichkeiten. Das ESP lässt die Zügel schlaff hängen und greift im rechten Moment kraftvoll ein.

Sein hohes Eigengewicht kann der RS6 gerade in engen Kehren dann doch nicht überspielen. Die Dynamic-Ride-Control gleicht übermäßige Karosseriebewegungen auf ein verträgliches Maß ein. Jedoch würden sich sportwagenerprobte Piloten sich über eine etwas filigranere Servounterstützung freuen, die noch mehr Rückmeldung von der Straße liefert.

"Wir wollen die Erfolgsgeschichte der RS-Modelle mit dem RS6 weiterschreiben", so Stephan Reil, "der große Vorteil des RS6 bleibt, dass er sozialverträglicher ist als ein 1,20 Meter hoher Sportwagen, jedoch die gleichen Fahrleistungen liefert."

Also schauen Sie ab Mai besser zweimal zur Einfahrt des Nachbarn hin: Der dortige Avant könnte es faustdick hinter den dicken Backen haben. Übrigens: später im Jahr gibt es den RS6 auch als Limousine.

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