Audi A8 4.2:Die Wucht der Bescheidenheit

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Für ein Fünfmeter-Auto gibt sich die Luxuslimousine optisch zurückhaltend. Nicht so bei der Technik.

Jörg Reichle

Die deutschen Automobilhersteller haben sich in der Luxusklasse breit gemacht wie Omas Ledersofa. Nichts und keiner, so hat es seit Jahrzehnten den Anschein, kann ihnen das Wasser reichen, vereinzelte Versuche der Gegenwehr, wie von Jaguar und Lexus, bleiben einer handausgezählten Käuferschaft von Individualisten vorbehalten.

Audi anno 2002: der neue A8 (Foto: Foto: Audi)

Man bleibt also unter sich, belauert sich allenfalls im geografischen Dreieck zwischen München, Stuttgart und Ingolstadt und schaut gemeinsam dezent hochmütig auf den neuerdings vierten Wettbewerber aus Wolfsburg herab. Ein Phaeton macht noch längst keine Angst.

Hat überholt

Eigentlich müsste man bei Audi noch ganz gut in Erinnerung haben, wie hart die Bandagen in diesem Marktsegment sind, schließlich tat sich auch der A8 von 1994 an zunächst schwer gegen die Platzhirsche von Mercedes und BMW, das Ringen um Anerkennung und Käufer war ein Kraftakt sondergleichen. Das ist passee, mittlerweile steht fest, dass man die süddeutschen Konkurrenten nicht nur in einer Disziplin überholt hat.

Äußerlich hat der Audi vor allem eines gewonnen: die klare Kontur der Alternative. Neben dem opulenten, massig auftretenden BMW Siebener und der eleganten, weich fließenden S-Klasse aus Stuttgart ist der Audi ein muskulöser Läufer, der die innere Stärke nicht protzig nach außen trägt, sondern sich mit dem sicheren Wissen um die Überzeugungskraft seiner Mischung von Form, Maß und Proportion begnügt.

Das Fünfmeter-Auto wirkt erstaunlich kompakt, darf sich einen Cw-Wert von 0,27 zu Gute halten und steht trotzdem kräftiger auf den Rädern als eine S-Klasse. Schön ist auch zu sehen, dass das Design auf das wachsende Selbstbewusstsein der Marke direkt zu antworten scheint. Nach der durchgängigen Rundlichkeit der Formen - quer durch alle Modellreihen - schaffen zunehmend Kanten Halt fürs Auge, geben Entschlossenheit und Kraft eine klare Gestalt. Am A8 ist nichts zu viel, keine Linie, kein Schnörkel, kein Fett an den Überhängen. Große Räder, eindeutige Flächen.

Da muss einer sich und anderen nichts mehr beweisen und der A8-Besitzer darf darauf hoffen, dass ihn diese spezielle Art der Bescheidenheit gleich mit bescheint. Möglich zwar, dass diese optische Zurückhaltung auf anderen Märkten wie in Asien und Amerika, wo man gerne Wohlstand trägt, ein Handicap ist. In Europa passt sie in die Zeit.

Mindestens 62.500 Euro

Dabei zeigt schon ein schneller Blick in die Preisliste, dass A8-Besitzer tunlichst über eine gut gefüllte Portokasse verfügen sollten. Nicht bloß der Neuwagenpreis von wenigstens 62.500 Euro ist beeindruckend, auch die klassische Aufpreispolitik, die sogar noch für den hölzernen Schaltknauf 86,21 Euro zusätzlich abverlangt und 172,41 Euro für die geteilte vordere Mittelarmlehne.

Da darf man schon mal den Kopf schütteln. Wie man also ratzfatz den Kaufpreis in schwindelnde Höhen treibt, das kann man von deutschen Premium-Herstellern wirklich lernen. Unser Testwagen, obwohl mit serienmäßigem Allrad-Antrieb ausgestattet, lag unterm Strich fast 30.000 Euro über Grund.

Für das viele Geld, man muss es sagen, gibt es aber reichlich Gegenwert. Und je größer der Luxus, desto ferner die Welt. Das gilt im A8 vor allem akustisch. Nur wenn man die acht Zylinder im Leichtmetallblock zu vollem Einsatz zwingt, Leistung und Drehmoment genießt, grollen sie vor Lust und Fahrlaune. Ansonsten wird der A8-Passagier leise umsäuselt, und das bleibt so bis hinauf ins Grenzland der elektronisch gezogenen Demarkationslinie von 250 km/h.

Der A8 ist trotz dieser guten Manieren kein Chauffeurs-Auto, in dem sich der Besitzer nach Gutsherrenart im Fond zurücklehnen mag, auch wenn es dort noch so kommod zugeht. Er fühlt sich am wohlsten als Dirigent seines eigenen Fortkommens, sortiert die sechs Stufen der Tiptronic per Schalthebel oder Paddel am Lenkrad. Obendrein ist er souverän Herr über den Charakter von Aluminium-Fahrwerk und Luftfederung, die, perfekt abgestimmt, eine heilige Allianz mit dem Allradantrieb eingehen.

Die Luftfederung (adaptive air suspension) macht's möglich: Je nachdem, ob Komfort, Automatik oder Sport aufgerufen werden, ändern sich Bodenfreiheit, Dämpfercharakter und Federsteifigkeit. Reichlich Aluminium halten den A8 dabei sogar leidlich schlank. "Nur" 1780 Kilo wiegt er leer, da haben die Muskeln verhältnismäßig leichtes Spiel, und entsprechend präzise folgt der Audi dem Leitstrahl des Fahrerwillens.

Als Kommandopult und Info-Zentrum spielt dabei das so genannte MMI (Multi-Media-Interface) die zentrale Rolle. Dass es so sicher und simpel zu bedienen ist, zeigt übrigens, dass man am schlechten Beispiel (i-drive im BMW-Siebener) am besten lernt. So hat die deutsche Konkurrenz schließlich für den Käufer auch ihr Gutes.

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