Audi A8 4.2:Die neue Größe

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Eine Mischung aus Hightech, Fahrvergnügen und Eleganz

(SZ vom 15.04.1995) Wenn man vor zehn, 15 Jahren gesagt hätte, daß sich Audi dereinst bei den großen Repräsentations-Limousinen tummeln wird, wäre man wahrscheinlich ausgelacht worden - und in der Tat gibt es wohl kaum ein anderes Unternehmen, das sich, was Image und Technik betrifft, so weit nach oben arbeiten konnte. Und der A8, das neue Flaggschiff aus Ingolstadt, ist der rollende Beweis für die These, daß man in dieser Klasse nicht nur in Untertürkheim und Milbertshofen einkaufen kann, um ein hervorragendes Langstreckenmobil zu erwerben.

Der Aluminium-A8 hatte ja bereits im Vorfeld viele Emotionen geweckt - einerseits hatten die Ingolstädter mit dem Einsatz des Leichtmetalls Hoffnungen auf einen nahezu unbegrenzten Recyclingprozeß mit einer adäquaten Energieminimierung geweckt, andererseits hatte die werte Konkurrenz sogleich in einer großen Aktion klargemacht, daß sie diesen Aussagen nur wenig abgewinnen könne - und die Zukunft, wenn schon nicht im reinen Stahl-Auto, so doch wenigstens in Mischformen aus Stahl, Alu und Kunststoffen zu suchen sei.

Selbsternannte Spezialisten

Dazu wurde noch die große Frage in den Raum geworfen, ob ein Aluminium- Wagen nach einem Unfall überhaupt reparabel sei - und auch hier wußten viele selbsternannte Spezialisten bereits lange vor der ersten A8-Auslieferung, daß Reparaturen schwierig, komliziert und teuer seien. Nachdem mittlerweile 2600 Exemplare des A8 in Kundenhand sind, und diese Kunden bereits 19 Unfälle mit großen Schäden und 74 Karambolagen mit kleineren Schäden produzierten, scheint sich hier jedoch ein Meinungswandel abzuzeichnen. So bestätigt Hans Matthiß, der Vorsitzende des Ausschußes für Instandsetzung im Karosserieverband ZKF, dem A8: 'Da - was bis dato einmalig gewesen sein dürfte - Reparaturspezialisten von Anfang an in die Konstruktion des Fahrzeugs miteingebunden waren, konnten sie die Reparaturfreundlichkeit wesentlich mitbeeinflussen. Die prognostizierten Katastrophen haben nicht stattgefunden - und der A8 wird nicht das letzte Auto aus Aluminium bleiben.'

Natürlich war den Werkstätten manche Reparaturmethode fremd. Jedoch ist 'die Umstellung auf das anspruchsvollere Reparaturverhalten des A8 mit der mittlerweile vollzogenen Umstellung von Vergaser- auf Einspritzmotoren vergleichbar. Auch damals gab es Irritationen bei den Werkstätten, die mittlerweile längst ausgeschaltet sind', sagt Hans Matthiß.

Für den Pressesprecher des Bayerischen Karosserieverbandes ist 'das Gesamtkonzept hervorragend - was auch die niedrige Typklasse von 28 bestätigt - und der A8 endlich einmal wieder ein neues Stück Technik, das dem Ansehen der deutschen Automobilindustrie hilft.'

Worte, die der Konkurrenz in den Ohren klingeln werden - und die sie längst dazu veranlaßt haben, sich ebenfalls intensiver mit dem Thema Aluminium auseinanderzusetzen. Bloß darf man dies natürlich nicht so recht zugeben - da gleichen sich die Entscheidungsbefugten zu sehr den Politikern, die ebenfalls grundsätzlich contra sind, wenn die andere Partei einen Vorschlag macht.

Für die lange Strecke

Doch zurück zum A8: Wir fuhren die 4,2 Liter-Variante mit Allradantrieb just zu der Zeit, als die Straßen tageweise voller Schnee und rutschender Zeitgenossen waren - und hier zeigte der Allradantrieb einmal mehr seine Stärken: Zusammen mit dem 220 kW (300 PS) starken Achtzylinder und der nahezu perfekten Automatik entpuppte sich das Flaggschiff aus Ingolstadt als Langstreckenwagen par excellence. Überhaupt darf der Antrieb, was Leistungscharakteristik, Laufkultur und Kraftübertragung betrifft, mit als das Beste gelten, was in dieser Klasse (vier Liter Hubraum und acht Zylinder) derzeit am Markt ist. Besonders erfreulich: Die Verbrauchswerte lagen bei uns zwischen elf und 14 Litern Super plus bleifrei auf 100 Kilometer.

Nach all den Lobeshymnen gilt es aber auch, ein paar Schwächen zu konstatieren - erstens haben wir schon auf besseren Sitzen gesessen, wobei nichts gegen die Verstellmöglichkeiten gesagt werden soll, sondern mehr die Sitzlänge und die Seitenführung gemeint sind. Zweitens ist die Federung zu straff und sportlich ausgelegt - das bereitet zwar bei den hohen möglichen Kurvengeschwindigkeiten Freude, stört aber irgendwann auf schlechteren Straßen. Und drittens bietet der elegante A8 unter seiner attraktiven Understatement-Hülle (zwangsläufig) etwas weniger Innenraum als seine Konkurrenten aus München und Stuttgart.

Unter dem Strich gesehen, ist der A8 eine Bereicherung der Top-Klasse, die dem Ruf deutscher Automobile nur gut tun kann - und dem A8-Käufer eine bemerkenswerte Mischung aus Hightech, Fahrvergnügen und Eleganz bietet.

Von Jürgen Lewandowski

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