Audi A2:Exklusivität durch Individualität

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Die Preise liegen zwischen 31 977,82 Mark und 34 911,57 Mark - und die Aufpreisliste ist lang

(SZ vom 25.03.2000) Natürlich hat sich Audi in den vergangenen sechs Jahren einen Namen als der Gralshüter des Aluminium-Themas gemacht - doch irgendwie ist der Alu-Begeisterung der Jahre '94 und '95, die sich nach der spektakulären Einführung des A8 breit gemacht hatte, dann doch langsam die Luft ausgegangen.

Der Grund dafür ist klar: Die Umstellung auf eine neue Produktionsmethode kostet richtig Geld und ziemlich viel Mut - denn anschließend ist der Weg zurück zu herkömmlichen Bauweisen erst einmal verschlossen. Und da war es nur vernünftig, zuerst einmal mit dem A8 und dessen moderater Stückzahl von jährlich 15 000 gebauten Fahrzeugen in das Abenteuer Aluminium einzusteigen.

Der zweite Schritt zur Großserie

Sechs Jahre später scheint Audi nun genügend Aluminium-Erfahrung gesammelt zu haben, um sich mit dem neuen A2 an jährliche Stückzahlen in der Größenordnung von etwa 70 000 Einheiten zu wagen - womit klar wird, warum sich auch das zweite Alu-Auto der Ingolstädter als völlig neue Modellreihe präsentiert: Doch wäre der Schritt, auch die Brot- und Butterautos (also den A4 oder den A6) mit ihren riesigen Stückzahlen auf die Space-Frame-Technik umzustellen, noch eindeutig zu früh. So ist denn nun der A2 der Bannerträger der Aluminiumvorreiterrolle - und er tritt diese Rolle durchaus selbstbewusst an. Dafür sorgt schon die individuelle, kantige Form, die das Zeug zu einem Kultfahrzeug hat. Wo auch immer man mit diesem Wagen auftaucht, ist man sofort von Neugierigen umkreist, die - zumeist positiv - die Andersartigkeit loben.

Eine Unverwechselbarkeit, die sich, so das Design-Team, "auf die Mischung aus Leichtigkeit und Solidität" beruft - und in der Tat signalisiert das von sanften Rippenprofilen strukturierte Dach mit seiner großzügig verglasten Heckpartie eine nahezu filigrane Anmutung, während der stämmige Fahrzeugkörper mit seinen massiven Säulen eher kompakt wirkt. Zusammen mit der weit vorgezogenen Frontscheibe und der abrupt über dem Heck einknickenden Dachpartie könnte der A2 so auch als eine Art Space-Kapsel definiert werden - eine Imagination, die die Väter dieses Aluminiumgefährts natürlich gerne als "das Gesicht des Fortschritts" definieren.

Unter der immerhin 155 Zentimeter hohen Karosserie, die ansonsten mit 383 Zentimeter Länge und 167 Zentimeter Breite vergleichsweise zierlich geriet, sitzt es sich natürlich gut. Kopffreiheit ist reichlich vorhanden, die Rundumsicht lässt auch nicht zu wünschen übrig - und da die Techniker für die Fondpassagiere den Fußboden etwas abgesenkt haben, lässt es sich auch hinten gut sitzen.

Selbstverständlich sind beim A2 die Rücklehnen einzeln umklappbar, womit sich das Kofferraumvolumen von 390 Liter auf bis zu 1085 Liter vergrößern lässt - und wem das nicht reicht, der kann auch noch die beiden Rücksitze demontieren. Für den Vortrieb sorgen am Anfang zwei 1,4-Liter-Triebwerke: ein Reihen-Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen und 55 kW oder 75 PS Leistung - wer mehr auf Selbstzünder steht, kann sich seine 55 kW oder 75 PS auch in Form eines Reihen-Dreizylinders mit Abgasturbolader abholen. Dann wächst zwar einerseits das maximale Drehmoment von 126 Newtonmeter auf 195 Nm, andererseits verliert der A2 aber etwas von seiner Spritzigkeit, denn der A2 1. 4 TDI wiegt mit seinen 990 Kilogramm Leergewicht beachtliche 95 Kilogramm mehr als sein Otto-Bruder.

Überhaupt ist das Gewicht des A2 ein diskussionswürdiges Thema: Ganze 75,1 Kilogramm wiegt der Alu-Gitterrahmen oder Space Frame, der aus Strangpressprofilen besteht, die über Knoten aus Vakuumdruckguss miteinander verbunden sind. Dass diese faszinierende Technik nun dennoch mit mindestens 895 Kilogramm auf der Waage steht - wobei der A2 noch immer das "leichteste Fahrzeug seiner Klasse" (so die Pressemappe) ist - gibt dann doch zu denken. Schließlich rollte dereinst ein Golf GTI noch mit 795 Kilogramm Leergewicht über die Straßen.

"Damals gab es auch noch keine zwei Front- und Seitenairbags, kein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP), deutlich weniger Komfort- und Lärmdämpfungsmaßnahmen - und die Kunden waren auch mit einfach gefärbten Kunststoffteilen als Innenausstattung zufrieden", natürlich ist auch dem Technik-Vorstand Werner Mischke klar, dass "ein Großteil des teuer erkauften Gewichtsverlusts wieder bei Komfort und Sicherheit geopfert wird - aber ohne diese Space-Frame-Technik wäre der A2 eben noch einmal 150 Kilogramm schwerer".

Auf der Straße gibt sich der A2 - für die 75 PS Leistung - akzeptabel agil: Er lässt sich präzise steuern und gehört - dank des gut abgestuften Fünfganggetriebes - auch zu den flinkeren auf der Landstraße. Auf der Autobahn lassen sich bis zu 173 km/h erreichen - ein guter Wert, der auch auf die ausgezeichnete Aerodynamik und einen Cw-Wert von 0. 28 zurückzuführen ist. Zweifellos ein toller Cw-Wert, der allerdings mit einem ästhetisch nicht gerade überzeugenden Gummi-Spoiler erkauft werden musste.

Beim Komfort kann sich der A2 durchaus mit den Qualitäten seiner größeren Geschwistern mithalten: Hier melden sich Schlaglöcher und Bodenwellen dank eines guten Schluckvermögens nur relativ selten. Die Verbrauchswerte sollen sich (nach Werksangaben) beim Diesel-A2 bei 4,3 Liter und beim Otto-A2 bei sechs Litern einpendeln - nach nur kurzen ersten Fahrten schien es hingegen, als ob die Werte höher liegen könnten. So werden sich diejenigen, die auf den echten 3-Liter-A2 warten, noch bis zum Spätherbst gedulden müssen.

Bis dahin bietet der A2 reichlich Exklusivität durch Individualität - der A2 wird zweifellos polarisieren: Die einen werden ihn knuddelig finden - die anderen einfach hässlich. Die einen werden dafür sorgen, dass das Thema Aluminium wieder aktuell wird - die anderen werden sich an dem mutigen Grundpreis von 31 977,82 Mark für den A2 1. 4 und 34 911,57 Mark für den A2 1. 4 TDI stören, der zudem noch mit einer ellenlangen Aufpreisliste garniert ist.

Der Kauf eines A2 ist in jedem Fall ein Statement für den Wunsch, sich von der Uniformität vieler Mitbewerber abzusetzen - damit könnte sich Audi eine attraktive und lukrative Nische geschaffen haben.

Von Jürgen Lewandowski

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