ATW Ligier Optima II:Unser Versuchskaninchen

Lesezeit: 5 min

Trotz aller Verbesserungen bleibt ein flaues Gefühl zurück

(SZ vom 17.02.1993) Elektroautos - alle reden davon, doch nur wenige sind bisher wirklich mit einem E-Mobil gefahren. Wir wollen uns hier nicht in die Diskussion über Energie- und Umweltbilanzen, sinnvolle Antriebstechniken und die Wirkungsgrade verschiedener Batterietypen einmischen, sondern einfach einmal ein Elektroauto als Alltagsgefährt verwenden und davon berichten. Der Praxistest sollte unter verschärften Bedingungen stattfinden, nämlich im Winter. Als Versuchskaninchen diente uns ein Ligier Optima II, ein Superkompaktwagen, der in Frankreich von Ligier hergestellt und in Deutschland mit der Batterie- und Antriebstechnik versehen wird. Die Bad Rappenauer Firma AutoTechnik Walther ist aber nicht nur dafür, sondern auch für den Vertrieb des Optima zuständig.

Um Elektroautos vom Ruch der 'Gemüsekisten' zu befreien, hat man dem Optima Luxusaccessoires spendiert, wie man sie von normalen Benzinkutschen gewohnt ist: Die Lackierung ist grün- metallic, im Innenraum gibt es Sportsitze, ein mit Leder umhülltes Lenkrad und ein Armaturenbrett aus Holz, auf dem allerdings kein Drehzahlmesser zu finden ist, sondern der Anzeigecomputer für alle möglichen Ladezustände der Batterien. Als Extras kann man sich Sitze und Türverkleidungen aus Leder (Aufpreis 1500 Mark), vier Leichtmetallräder (1900 Mark), höhenverstellbare Sicherheitsgurte (740 Mark), ein Sonnendach (490 Mark) oder gar einen Heckspoiler am Dach (640 Mark) gönnen. Dabei sind die Einstiegspreise schon extrem happig: 27 200 Mark kostet die günstigste Variante, der Top- Optima schlägt mit 33 600 Mark zu Buche - ein Preis, der sich allerdings mit diversen Extras mühelos weiter erhöhen läßt.

Unter die Rubrik 'Extras' fallen nämlich erstaunlicherweise auch die Batterien - für gut 30 000 Mark wird nur die Rohkarosse geliefert, die dann mit Muskelkraft geschoben werden müßte. Zur Auswahl stehen drei verschiedene Batteriepakete, allesamt Bleibatterien und etwa 300 Kilogramm schwer: das Paket Standard kostet 2390 Mark Aufpreis, wer ein High- Power-Batteriepaket unter den beiden Sitzen und unter dem Kofferraum haben möchte, muß 3850 Mark extra bezahlen, und das Long-Live-Paket schlägt gar mit 6200 Mark nieder - so kommen rasch 40 000 Mark Kaufpreis zusammen.

Nun sollte man allerdings nicht über die Frage nachdenken, was für ein konventionelles Auto man sich für diese Summe leisten könnte - sonst würde man vermutlich gar nicht in das winzige Mobil einsteigen, das zudem nur zwei Personen und drei Bierkisten befördern kann. Wir tun es trotzdem und inspizieren erst einmal die Hebel und Anzeigen. Statt eines Schalthebels gibt es eine Art Joystick, der sich nach vorne schieben läßt (Vorwärtsfahren in Economy-Stellung, um die Reichweite zu erhöhen), während die mittlere Position die Power-Stellung ist, in der man zügig beschleunigen kann. Wird der Hebel nach hinten gelegt, geht die Fuhre nach rückwärts - eine Art Leerlauf gibt es nicht, was unangenehm sein kann, wenn man versehentlich auf das Gaspedal rutscht.

Nach dem Drehen des Zündschlüssels ertönt nicht das gewohnte Geräusch des Anlassers, sondern ein lautstarkes 'Klack' - und begleitet von einem turbinenartigen Sirren geht die Post ab. In der normalen Fahrstellung ist das Beschleunigungsvermögen für den innerstädtischen Verkehr ausreichend - ab 70, 80 km/h auf der Autobahn geht es aber nur noch zäh voran. Da hilft dann nur die Power-Stellung, in der der Optima auf mehr als 100 km/h beschleunigt. Dies ist allerdings nur Fahrern zu empfehlen, die eine Ausbildung als Stuntman erfolgreich absolviert haben und so über keine Nerven mehr verfügen. Das Auto holpert und wackelt über jegliche Fahrbahnunebenheit und ist nur schwer in der Spur zu halten. Zudem ist die Bremswirkung zumindest subjektiv bei weitem nicht so gut, wie man sich dies wünscht.

Gute Nerven sind auch noch aus einem anderen Grund zu empfehlen: Direkt hinter dem Fahrersitz ist eine Propangas- Flasche installiert, die den Brennstoff für die Heizung enthält. Man denkt lieber nicht darüber nach, was bei einem Unfall passieren könnte: 'Dann hüpft die Karosse halt einen halben Meter hoch,' meinte ein interessiert den Wagen beäugender Techniker salopp.

Die Heizung kann allerdings über eine Art Schaltuhr nur vom Beifahrersitz aus bedient werden - und Kenntnisse im Umgang mit einem Gasbrenner schaden nichts: Es gibt die Stellungen Gebläse, kleine Flamme und große Flamme. Von der Heizwirkung waren wir angenehm überrascht - allerdings ist das Gebläse für die Frontscheibe eine Katastrophe. Am bequemsten fährt man mit einemputzwilligen Beifahrer, der nicht nur bei feuchtem Wetter die Innenscheibe beschlagfrei hält, sondern der zudem bereit ist, an roten Ampeln kurz mal hinauszuspringen, um die Außenscheibe zu reinigen. Zwar war bei unserem Versuchskaninchen eine Spritzdüse eingebaut, sie versagte aber prinzipiell den Dienst oder war nur zur Tarnung vorhanden. Längere Standzeiten im Stau bieten eine gute Möglichkeit, auch die steil stehende Heckscheibe zu säubern, der ein Scheibenwischer fehlt.

Die meiste Aufmerksamkeit während der Fahrt erheischt - neben dem Verkehrsgeschehen - nicht der Tachometer - man hat eigentlich durch das Holpern, Hoppeln und Stuckern der Karosserie über jeden Kanaldeckel permanent das Gefühl, zu schnell unterwegs zu sein -, sondern das Display, das über den Ladezustand der Batterien und damit über die Reichweite Auskunft gibt. Elektrotechniker mögen sich mit Amperestunden, Volts und sonstwas auskennen - wir haben immer auf die Prozentanzeige umgeschaltet und nach dem Kilometerzähler berechnet, wie weit wir noch kommen würden. Als Spitzenleistung haben wir einmal bei normaler Fahrweise (konstant 80 km/h auf 40 Kilometer Autobahn, gut 20 Kilometer im Stadtverkehr) eine Reichweite von 68 Kilometern erzielt - danach wurden null Prozent Batteriekapazität angezeigt.

Den Ladezyklus, der bis zu acht Stunden dauern kann, erledigt man am besten über Nacht. Nur mußten wir uns entscheiden: Wäsche waschen oder Autofahren, hieß die Frage, weil der Strom aus der Steckdose unserer Waschmaschine im Keller abgezapft werden mußte. Eine Garage - oder gar eine solche mit Steckdose - besitzen wir nicht.

Von Fahrkomfort zu reden, wäre übertrieben: Das 2,49 Meter kurze Wägelchen ist zwar der König aller Parklücken, aber schon Bordsteinkanten werden angesichts der Reifendimension von 145 R 10 zu schier unüberwindlichen Hindernissen. Die schweren Batterien belasten vor allem die Hinterachse, so daß der Wagen gerne das Heck ruckartig um die Kurve zu schwenken scheint, anstatt weich um Ecken zu gleiten. Im Power-Modus gefahren, beschleunigt der rund 750 Kilogramm schwere Optima wirklich zügig - nur das Fahrwerk und die Bremsen scheinen dieser Leistung nicht angepaßt zu sein. 'Das ist ja ein wild gewordener Autoscooter', war der Kommentar einer Beifahrerin.

Wie reagieren andere Autofahrer auf das Elektroauto mit der Kunststoffkarosserie? Ganz unterschiedlich, aber der Aufmerksamkeitswert des Optima ist auf jeden Fall höher als der eines Bentley oder Maserati. Ein Mercedes-Fahrer gewährte uns mitleidig grinsend die Vorfahrt (Er dachte wohl in Unkenntnis der Optima-Preise: 'Zu mehr hat es nicht gereicht.'), ein Jaguar-Fahrer übersah uns beim Spurwechsel im rechten Außenspiegel, und ein Lkw-Fahrer hupte uns fröhlich an, als er uns mit seinem Sattelzug an einer Autobahnsteigung überholte.

Angesichts der begrenzten Reichweite fängt man allerdings an, zu überlegen, ob bestimmte Strecken nicht besser mit der S-Bahn, dem Fahrrad oder zu Fuß bewältigt werden sollten. Auch wenn der Optima II gegenüber anderen Elektro-Modellen einen höheren Standard aufweist und verbessert worden ist: Vor die Wahl gestellt, dieses oder gar kein Auto zu fahren, würden wir die S- und U-Bahn vorziehen. So gesehen, ist der Optima II ein gelungener Beitrag zur Verkehrsvermeidung.

Von Otto Fritscher

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: