Aston Martin Vantage / Ferrari 550 Maranello:Handarbeit hat ihren Preis

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Zwei Fahrzeuge mit 24 Zylindern und 11,5 Liter Hubraum zum Preis von 596 000 Mark

(SZ vom 07.08.1999) Wir wissen, dass es 100 000 Gründe gibt, sich weder einen Aston Martin noch einen Ferrari zuzulegen - und der Großteil dieser Gründe hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Und dennoch: Wenn man mit einem dieser Fahrzeuge unterwegs ist, mutieren kleine Buben zu großen Spezialisten, die vom Hubraum über den Preis bis hin zu der derzeit gültigen Lieferfrist perfekt Bescheid wissen - während sich andererseits gestandene Männer in kleine Buben verwandeln, die sich ihre Nase an den Seitenscheiben platt drücken.

Es ist einfach so, dass die Fahrzeuge dieser Häuser seit eh und je Emotionen wecken - wobei sich die Formen der Begeisterung deutlich voneinander unterscheiden. Während der Aston Martin eher als Skulptur und Designobjekt gesehen wird, ist der Ferrari - was in Schumi-Land nicht weiter wundert - der Inbegriff von Kraft und Herrlichkeit italienischer Motoren- und Karosseriebaukunst.

Rüdiger Czakert, der als Inhaber des Hauses Auto-König (nicht nur) diese Marken führt - und die Psychologie seiner Kunden wie kein anderer kennen dürfte -, pflegt den Unterschied zwischen diesen beiden Marken gerne so auszudrücken: "Der Aston-Martin-Besitzer geht in die Garage, schaut sich seinen Wagen an, erfreut sich an der Form und dem Geruch des Leders -, um anschließend mit einem anderen Wagen weiterzufahren. Der Ferrari-Besitzer geht in die Garage, setzt sich in den Wagen und gibt Gas - und zwar oft und dann richtig. "

Über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg war der Zwölfzylinder fest mit dem Namen Ferrari verknüpft. Bereits 1947 - also in einer Zeit, die noch vom Krieg geprägt war - hatte Enzo Ferrari mit dem Bau eines 1,5-Liter-Zwölfzylinders das Fundament für sein Imperium gelegt. Es sollte dann bis in die 60er Jahre dauern, bis Lamborghini und Jaguar mit adäquaten Konstruktionen folgten - während Aston Martin als Hauslieferant von Prinz Charles zuerst mit Sechs- und später mit Achtzylindern im Kampf um die Kundengunst antrat.

Erst als Ford vor einigen Jahren die Führung in Newport Pagnell übernahm, konnte Aston Martin erstmals mit dem DB 7 ein Fahrzeug auf den Markt bringen, das in größeren Stückzahlen (also ein paar Hundert pro Jahr) lieferbar war. Klar, dass es sich der zweitgrößte Autohersteller der Welt nicht nehmen ließ, das Prestigeunternehmen nun ebenfalls mit einem Zwölfzylinder auszurüsten. Dieses Triebwerk bestand - bevor es in die Hände der Spezialisten von Cosworth gelangte - aus zwei zusammengeschweißten Ford Mondeo-Sechszylindern. In dieser Rennmotorenschmiede wurde das mächtige Triebwerk dann erleichtert und mit der Hilfe von viel Aluminium in ein erstaunlich leichtes Kompaktpaket verwandelt.

Vantage war ja stets die Bezeichnung für die stärkste Variante im Aston Martin-Reich - doch was unter der Motorhaube des DB 7 Vantage geschehen ist, geht weit über das sonst übliche hinaus: Hier arbeitet nun ein 6,0-Liter-Zwölfzylinder mit nicht weniger als 309 kW oder 420 PS Leistung. Wobei das Verb arbeiten durchaus wörtlich genommen werden darf, denn im Vantage ist der Motor vom Leerlauf bis zu der bei knapp 7000/min liegenden Drehzahlgrenze akustisch immer gut präsent.

Und wie nicht anders zu erwarten, wirken sich die 420 PS des (in Coupé-Form) 237 500 Mark und (in Cabriolet-Form) 257 500 Mark teuren DB 7 Vantage in bemerkenswerten Fahrleistungen aus - so durcheilt das Coupé nach 5,6 Sekunden die 100 km/h-Grenze, während für die Höchstgeschwindigkeit 298 km/h angegeben werden. Werte, die wir nicht überprüft haben, aber nach der stets im Übermaß vorhandenen Leistung gerne glauben. Dass das Werk für das schwerere Cabriolet nur 275 km/h Höchstgeschwindigkeit angibt, sollte mögliche Interessenten nicht weiter stören - so schnell wird er bei den hier auftretenden Luftturbulenzen sowieso niemals fahren.

Eine Erkenntnis, die mit dazu beigetragen haben dürfte, dass es von dem Ferrari 550 Maranello keine Cabrio-Variante gibt - wer bei Ferrari offen fahren möchte, hat zu einem der kleineren Achtzylinder zu greifen. Statt des fehlenden Dachs bietet der 358 500 Mark teure Maranello dafür eine eindeutig sportlichere Ambience: Hier sorgen Leder und Chrom für eine am Rennsport orientierte Atmosphäre. Was aber neben dem - bei Aston Martin völlig undenkbaren - Verzicht auf Holzarbeiten noch mehr überrascht, ist das im Maranello deutlich größere Platzangebot. Hier sitzen die beiden Insassen - trotz der breiten Mittelkonsole - wesentlich bequemer, während der DB 7 Vantage Fahrer und Beifahrer auf eher kleine Sitznischen verbannt.

Mit Zahnbürste und Kreditkarte

Dafür ist beiden Zwölfzylindern der vergleichsweise kleine Gepäckraum gemein, der sofort den alten Scherz von der Zahnbürste und der Kreditkarte als treueste Reisebegleiter von Sportwagenbesitzern ins Gedächtnis ruft - was vielleicht übertrieben sein mag, aber nicht einer gewissen realistischen Grundlage entbehrt. Oder anders gesagt: Die gegen Aufpreis zur Verfügung stehenden Maßeinheit Koffersätze sind keine so schlechte Wahl, da sie jede verfügbare Lücke optimal ausnutzen.

Schwächen, die Käufer dieser Fahrzeuge jedoch nicht weiter interessieren, da diese Gefährte sowieso eher als Viert- oder Fünftwagen ihr Dasein fristen. Hier interessieren mehr der Klang und die Leistung, Gerüche und Haptik.

Was die schiere Leistung betrifft, muss man dem 550 Maranello die Oberhand über den DB 7 Vantage zugestehen. Auch wenn der Maranello nur über 5,5 Liter Hubraum verfügt, so scheinen die 485 italienischen Pferde (357 kW), die bei 7000/min anliegen, temperamentvoller zu sein. Und das liegt nicht nur an der Beschleunigungszeit von deutlich unter fünf Sekunden von Null auf 100 km/h - oder an der Höchstgeschwindigkeit, die die 300 km/h-Grenze deutlich überschreitet.

Es liegt sicher auch an der Drehfreudigkeit des Zwölfzylinders, der sich - unabhängig von Gang und Geschwindigkeit - in Windeseile an den Drehzahlbegrenzer heranbewegt, der bei 7250/min zum Gangwechsel mahnt. Dieser Motor gehört mit seinem turbinengleichen Lauf und dem leicht metallisch klingenden Sound schon zu den außergewöhnlichsten Vertretern seiner Gattung.

Dazu kommt ein absolut überzeugendes Fahrwerk, das - trotz der nötigen Härte - über ein erstaunliches Maß an Komfort verfügt. Dass beiden Fahrzeugen extrem belastungsfähige Bremsanlagen zur Verfügung stehen, muß bei dem mitgelieferten Temperament nicht weiter erwähnt werden.

Lammfromm auf allen Strecken

Und eine weitere Überraschung: Beide Modelle scheinen durchaus alltagstauglich zu sein - jedenfalls gaben sich die Zwölfzylinder auch im dichtesten Stadtverkehr lammfromm. Nie waren überhöhte Temperaturen, gequälte Klimaanlagen oder ermattete Bremsen zu beobachten, nur die Tankuhr stellte neue Geschwindigkeitsrekorde im freien Fall auf - wobei sich die Verbrauchsbandbreite zwischen 14 und 25 Litern vom feinsten Superplus-bleifrei erstreckte. Doch dies sind letztlich Werte, die den Besitzer nicht weiter schrecken - bei dem Kaufpreis sind die Verbrauchswerte und die beachtlichen Unterhaltskosten wohl eher nebensächlich.

Nach einigen wenigen Stunden und Kilometern in diesen beiden handgefertigten Pretiosen bleibt eine überraschende Erkenntnis: Die beiden Fahrzeuge sind - trotz gemeinsamer Zwölfzylindertriebwerke, beeindruckender Fahrleistungen und eines exorbitant hohen Preises - letztlich eben doch nicht miteinander vergleichbar.

Greifen wir deshalb auf eine Definition von Burkard Bovensiepen zurück. Der Mann, der sich - dank seiner exquisiten BMW Alpina-Modelle - sehr wohl ein Urteil erlauben darf, griff für seinen Vergleich auf zwei Weinsorten zurück, die der passionierte Weinkenner (und Weinimporteur) wie folgt wählte: "Den Aston Martin könnte man mit einem Château Lafite-Rothschild vergleichen. Dessen Geheimnisse und Finesse erschließen sich nicht jedem, der Wein verfügt über ein großes Maß an Diskretion. Man könnte sagen: very british - und dort ist auch die größte Schar seiner Liebhaber zu finden. "

Für den Ferrari 550 Maranello wählte Bovensiepen hingegen "einen Château Margaux. Ihm sind Eleganz, Duftigkeit, Großzügigkeit zueigen. Er kokettiert mit seiner Weiblichkeit - seht mal her, wie schön ich bin - und er ist, genau wie das Haus Ferrari, dem Agnelli-Imperium zugehörig. "

Und so schließen sich die Kreise, denn die meisten Weinliebhaber haben von beiden Weinen ein paar Flaschen im Keller - und eigentlich gehören auch beide Gefährte in die Garage eines echten Auto-Liebhabers.

Von Jürgen Lewandowski

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