Asia Rocsta / Kia Sportage:Mit Känguruhbenzin über die Autobahn

Lesezeit: 4 min

Man müßte einen Techniker beschäftigen, um das Planenverdeck des Rocsta zu demontieren

(SZ vom 21.06.1995) Frischgeteert, die weißen Streifen leuchten noch so richtig aus der schwarzen Fahrbahn heraus - die ideale Gelegenheit, um den kleinen Asia mal so richtig laufen zu lassen. Halt, nicht daß uns einer unterstellt, wir würden rasen. Im Gegenteil, laufenlassen heißt beim Rocsta ungefähr Tempo 90 bis 110. Das Dach fängt leicht an zu knattern und zu knallen - und wir beschließen, uns erst einmal bei der Tankstelle zu beschweren: Die scheinen uns Känguruh-Benzin verkauft zu haben, oder ist der nahezu jungfräuliche Autobahnabschnitt nur eine Fatamorgana, und wir befinden uns auf einer Sandpiste in der Wüste Gobi?

Unser niedlicher kleiner Rocsta, die koreanische Mini-Antwort auf den Chrysler Jeep Wrangler, gehört halt nicht auf die Autobahn, das haben wir jetzt gelernt. Das Gefährt, das von vorne so rührend altmodisch aussieht, ist einfach ein Spaß- Mobil für den Weg an den Badesee, zum Semmelnholen oder für den Sonntagsausflug in die nähere Umgebung.

Verwöhnten Limousinenfahrern ist der Rocsta ohnehin zu unbequem, Geländewagen-Puristen dagegen, die immer noch dem alten Suzuki LJ nachtrauern, bekommen strahlende Augen und freuen sich über die komfortable Innenausstattung und die exzellente (Blatt-)Federung. Das einzige Hindernis ist für diese hartgesottenen Off-Road-Freaks eigentlich nur der Preis: Immerhin muß man für den Rocsta 24 990 Mark auf den Tisch des Händlers legen: Die Luxusausführung kostet nochmal 5000 Mark mehr, dafür hat sie eine Dieselmaschine und - vor allem hat der Wagen eine Servolenkung. Das Preis- /Leistungsverhältnis scheint uns dabei nicht ganz stimmig, wenn man dann auch noch bedenkt, daß es eine halbe Ewigkeit dauert, um die zahllosen Klettverschlüsse und Druckknöpfe zu öffen und das Verdeck herunter- und auch wieder hinaufzumontieren.

Andererseits erwies sich der fahrende Schuhkarton als ein ausgesprochen wendiges Fahrzeug, das mit seiner Länge von nur 3,50 Metern im Stadtverkehr und beim Parken, dank der Servorlenkung, eine ausgezeichnete Figur abgab - nur vom Wendekreis waren wir nicht so begeistert. Aber im Gelände wird ja schließlich nicht gewendet, da heißt es 'entweder vorwärts oder gar nicht'.

Wir hoppelten und dieselten also mit unseren 45 kW (61 PS) eine Woche durch die Gegend - sogar vor einer Langstrecke scheuten wir nicht zurück, München- Dresden ist schließlich kein Pappenstiel. Dabei brauchte das 2,2-Liter Dieselaggregat allerdings mehr als die im Prospekt angegebenen 8,4 Liter Kraftstoff. Wir haben uns in der Zeit dennoch sehr an unseren kleinen Rocsta gewöhnt. Etwas billiger müßte er halt sein und oben ohne würden wir auch ganz gerne fahren, ohne einen Techniker beschäftigen zu müssen.

Die Geländewagen werden immer gleichförmiger, deswegen kauft sich der wahre Individualist einen Pickup, sagen uns die Marketing-Strategen. Das ist wohl eher ein Wunschgedanken, denn in unseren Breiten kann ein Pickup bestenfalls für rustikal veranlagte Autofahrer in Frage kommen. Wenn schon Geländwagen, also dann einer, der auffällt. Und das tut der Sportage von Kia zweifellos. An dem uns zur Verfügung stehenden Wagen hatte man auch gleich die unverzichtbaren Accessoires wie Rammschutzbügel mit Zusatzscheinwerfern, Trittbretter und ein Reserverad an der Hecktür mit verchromter Abdeckung angebracht. Ob das schön ist - aber ohne geht es halt nicht.

Der Sportage ist in einer kurzen und einer langen Version lieferbar; wir haben uns mit dem Fünftürer etwas eingehender befaßt. Bei mehreren Tausend Kilometern stellte sich heraus, daß der Name des Autos nicht zu unrecht vergeben wurde: Die Mischung aus sports und portage schlägt sich in einem sehr kräftigen Motor und angenehmen Platzverhältnissen nieder. Natürlich darf man von einem 4,25 Meter langen Auto keine Raumwunder erwarten - vier Personen können mit mittlerem Gepäck aber angenehm reisen.

Weniger zeitgemäß sind die Trinksitten des Motors: Das 2,0-Liter-Vierzylinder- Aggregat verbrauchte bei zügiger Fahrweise zwischen 14 zund 16 Liter Normal bleifrei auf 100 Kilometer - einfach zu viel, auch wenn man den relativ ungünstigen Cw-Wert des Offroaders betrachtet. Vom Leistungspotential her reichen 94 kW (128 PS) in jedem Fall aus, wobei Überholvorgänge häufig ein Herunterschalten voraussetzen. Kraft wird erst bei höheren Drehzahlen so richtig spürbar. Für die Stastiker noch die Basiswerte: Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 14,7 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 166 km/h, Drittelmix 11,1 Liter.

Sicherheitstechnisch präsentiert sich der Sportage nicht auf der Höhe der Zeit: Es fehlen Airbag und ABS. Immerhin ist ein elektronischer Bremskraftregler für die Hinterachse erhältlich, der bei Vollbremsungen ein Ausbrechen des Wagenhecks verhindern soll. Daß uns die Scheibe der Fahrertür beim Schließen schlicht und einfach platzte, sollte den Sportage nicht so angelastet werden - solche Dinge können tatsächlich passieren. Während solche Erlebnisse in den USA zu einem beachtlichen Schmerzensgeld wegen des Schocks, plötzlich von Glassplittern überschüttet dazusitzen, führen können, kommentierte der freundliche Kia-Händler vor Ort dieses Geschehnis mit den Worten: 'Wir werden schon herausbekommen, was da tatsächlich geschehen ist.'

Zurück von den Händlern, hin zum Wagen: Das Interieur ist in sachlichem Stil gehalten - typisch japanisch, oder sollte man inzwischen besser sagen: koreanisch. Etwas überkandidelt wirkt der breite Haltegriff vor dem Beifahrersitz, der wohl nur bei einem Ausritt ins Gelände sinnvoll wäre.

Der fünftürige Sportage kostet mit dem 16V-Aggregat 36 740 Mark - ein relativ günstiges Angebot, wenn man bedenkt, daß für einen vergleichbaren Opel Frontera mindestens 5000 Mark mehr zu zahlen sind. Wer mit weniger Leistung (2,0-Liter, 70 kW/95 PS) auskommt, kann sich die schwächere Variante für 34 900 Mark einmal ansehen. Alles in allem ist der Sportage ein neues Gesicht auf dem Geländewagenmarkt, das zu gefallen weiß.

Von Otto Fritscher und Petra Payer

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