Alternativer Antrieb:Strom des Wandels

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Hybrid-Autos mit kombiniertem Verbrennungs- und Elektroantrieb scheinen unaufhaltsam auf Erfolgskurs.

Von Joachim Becker

Der "Antrieb des Jahres" ist ausverkauft. Obwohl 120.000 statt 80.000 Toyota Prius gebaut werden, müssen Kunden sechs Monate auf ihr Hybrid-Auto warten. Steigende Spritpreise und strengere Emissionsvorschriften machen den eher unscheinbaren Japaner zum Publikumsliebling. Für nächstes Jahr sind 180.000 Prius geplant, die variabel von einem 78-PS-Benziner und einem 68 PS starken Elektromotor angetrieben werden.

Blick auf den Motor des Honda Civic IMA, ein Hybrid-Auto (Foto: Foto-Montage: Honda)

Der kombinierte Benzin-/Elektroantrieb soll Benzin sparen und ist abgasärmer als ein Diesel mit Partikelfilter. Selbst in Hollywood avancierte der Öko-Pionier zum Publikumsliebling. Bei der Oscar-Verleihung erschienen Stars wie Leonardo DiCaprio, Cameron Diaz, Harrison Ford oder Sting im Prius. In Europa wurde der Toyota gleich mit vier "Motoren-Oscars" ausgezeichnet, unter anderem als "Bester neuer Motor 2004".

"Fortschreitende Entmündigung"

Damit ist der Hybrid im Allerheiligsten der Motorenzunft angekommen. Dass ein Vernunftauto wie der Prius zudem die Herzen der Verbraucher erobern kann, verblüfft allerdings die ganze Branche. Mit rund 25.000 Euro ist er nicht gerade billig, und besonders sportlich ist der Prius auch nicht. Während sich die PS-Spirale immer weiterdreht, hat nun ein Auto Erfolg, das den Fahrer zum undynamischen ¸¸Nur-noch-Lenker" degradiert: "Wichtige, für den Fahrzustand des Autos relevante Entscheidungen trifft ein Automat", sagt der Marktpsychologe Horst Nowak über den Prius, "damit schreitet die mit den Fahrerassistenzsystemen eingeleitete Entwicklung der Entmündigung noch weiter fort."

Ein Auto, das den Fahrer bevormundet? Damit haben deutsche Hersteller schlechte Erfahrungen gemacht: Der VW Golf Ecomatic (1993) schaltete sich im Stillstand einfach aus. Die Stop-Start-Funktion sparte Sprit, irritierte aber Kunden, die mit vermeintlich abgewürgtem Motor an der Ampel standen.

Mangels Nachfrage wurde die Produktion nach zwei Jahren gestoppt. Auch deshalb, weil der Golf TDI seinen Siegeszug angetreten hatte: Der Diesel-Direkteinspritzer begnügte sich ebenfalls mit 4,9 Litern Kraftstoff, bot aber deutlich mehr Leistung und Fahrspaß als der Golf Ecomatic.

Zehn Prozent weniger Verbrauch

Seither wurde es still um die Motorabschaltung. Jetzt wagt Citroën mit dem C3 Stop & Start einen neuen Anlauf: Ein riemengetriebener Startergenerator mit zwei Kilowatt elektrischer Leistung ersetzt Anlasser und Lichtmaschine. Beim Abbremsen wird der Motor kurz vor dem Stillstand abgeschaltet. Sobald sich der Fuß von der Bremse hebt, springt das 1,4-Liter-Aggregat automatisch wieder an - doppelt so schnell wie bei einem konventionellen Anlasser.

Damit die Kunden den Fortschritt akzeptieren, gibt es die ersten 2000 Micro-Hybride zum Schnupperpreis von 15.340 Euro. Die aufwändige Spritspar-Technik startet sozusagen als Gratis-Dreingabe zum herkömmlichen C3 SensoDrive. Dabei verspricht Citroën zehn Prozent weniger Verbrauch im Stadtverkehr. Im Durchschnitt soll der Durst durch Stop & Start um sechs Prozent auf 5,7 Liter je 100 Kilometer sinken.

Mensch lenkt, Getriebe denkt

VW wird bis 2007 eine vergleichbar hybridisierte Touran-Variante auf den amerikanischen Markt bringen. Mensch lenkt, Getriebe denkt: Der Mild-Hybrid beherrscht nicht nur die automatische Ampelpause, sondern nutzt auch die Bremsenergie. Auf der Kurbelwelle des 115 PS starken 1,6-Liter-FSI-Benziners steckt ein Elektromotor mit 10 kW Leistung. Als Generator kann die E-Maschine sieben Prozent Verbrauchsvorteil aus der Bremsenergie ziehen.

Dafür ist allerdings ein separates 65-Volt-Bordnetz nötig, das den Strom in leichte und leistungsstarke Nickelmetallhydrid-(NiMh) Batterien leitet. Beim Beschleunigen steht der Starkstrom wieder zur Verfügung und sorgt für ein dieselmäßiges Drehmoment auch bei Benzinern.

"Annähernd alle Fahrzeughersteller bereiten sich derzeit mit unterschiedlichen Strategien auf die Markteinführung von Hybridfahrzeugen vor", erklärte jüngst Martin Sattler, Leiter elektrische Antriebe von ZF Sachs auf einer Fachtagung in Graz. Bei Preisen, Stückzahlen und Einsatzterminen für Europa herrscht allerdings noch Unsicherheit.

Gefahr für den Diesel

¸¸Wann der Touran-Hybrid auf den deutschen Markt kommt, ist ungewiss", sagt ein Volkswagen-Sprecher. Offensichtlich fürchten die deutschen Hersteller, mit einer weiteren Antriebsvariante mehr Kosten als Nutzen zu stiften. Eine voreilige Hybrid-Initiative könnte auch die Diskussion um die EU5-Norm anheizen - und damit dem Diesel schaden.

Strenge Emissionswerte, zum Beispiel bei Stickoxiden, würden die Abgasnachbehandlung des Selbstzünders deutlich teurer machen. Dann wäre das Rennen zwischen Diesel und Benziner wieder völlig offen - auch in puncto Hybrid: ¸¸Es ist durchaus möglich, dass sich mit einem Diesel-Hybrid zusätzliche Katalysatoren einsparen lassen, die sonst für EU5 nötig wären", meint Martin Sattler.

Grundlage solcher Rechenmodelle sind Systemkosten von rund 1000 Euro für die Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Momentan liegt der Preis aber deutlich höher. Siemens VDO will deshalb 2005 einen Baukasten für standardisierte und damit preiswerte Hybrid-Komponenten vorstellen. Dann scheint einer Elektro-Offensive nichts mehr im Wege zu stehen. Marktbeobachter wie die Unternehmensberatung Frost & Sullivan gehen davon aus, dass schon 2010 jährlich rund 450.000 (Mild-)Hybrid-Fahrzeuge allein in Europa verkauft werden.

© Süddeutsche Zeitung vom 25. 9. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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