Alternative Energien:Wasser marsch

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BMW stellt mit dem Hydrogen 7 jetzt eine Limousine vor, die den Marathon ins Wasserstoffzeitalter verkürzen soll.

Joachim Becker

Die gute Nachricht zuerst: Im Prinzip ist auch künftig genug Sprit für alle da. Die Frage ist nur, wie wir Wind und Sonne in den Tank packen können. Was wir heute im Auto verfeuern, ist ja nichts anderes als geronnene Sonnenenergie. Mehr als 90 Prozent der weltweit 800 Millionen Autos werden von fossilen Brennstoffen angetrieben. Im Jahr 2050 könnten zwei Milliarden Fahrzeuge rund um den Planeten unterwegs sein. Bis dahin haben wir die Höchstfördermenge des Erdöls (Peak Oil) längst überschritten.

Ein älteres Modell eines wasserstoffgetriebenen BMWs (Foto: Foto: Reuters)

Das heißt, es wird nicht mehr genug Öl für alle geben. Aber womit fahren wir dann? Biodiesel und Bioethanol haben noch viel Potential, doch langfristig wird der grüne Sprit - auch der Umwelt zuliebe - nicht mehr als ein Viertel des weltweiten Kraftstoffbedarfs decken. Wasserstoff bietet sich in Deutschland als weiterer Energieträger an, denn Ökostrom für die Elektrolyse wird es künftig mehr denn je geben. Schon heute stillt der Wind knapp sieben Prozent unseres Strombedarfs.

Milliarden in Forschung investiert

Speichern lässt sich die überschüssige Energie durch die Aufspaltung des Wassers in seine Bestandteile. Fragt sich nur, wie wir den Wasserstoff ins Auto bringen - und was wir dort mit ihm anfangen. Autohersteller wie Mercedes, General Motors, Honda und Toyota forschen schon seit Jahrzehnten mit Milliardenaufwand an mobilen Brennstoffzellen.

Herausgekommen sind dabei einige Dutzend Erprobungsfahrzeuge und die Erkenntnis, dass der Weg zur kalten Wasserstoff-Verbrennung im Auto wesentlich dorniger ist als erwartet. "Die Brennstoffzelle wird auch im Jahr 2020 noch mindestens um das Dreifache teurer sein als alle anderen Antriebsarten", urteilt eine aktuelle McKinsey-Studie.

Auch die nächste Brennstoffzellen-Generation im Auto wird 2009 weniger als 100 kW Leistung haben. BMW tritt den Öko-Flitzern nun mit einer Kleinserie von 100 Hydrogen 7 entgegen, die doppelt so viel Wasserstoffpower mobilisieren. Die Luxuslimousine beschleunigt in 9,5 Sekunden von null auf 100 km/h und erreicht ein Höchsttempo von 230 km/h. Autofahren soll auch in Zukunft Spaß machen, so die Botschaft, aber es soll sauberer werden als je zuvor. Weil Wasserstoff keinen Kohlenstoff enthält, entsteht bei seiner Verwertung im Auto kein CO2.

Kaum H2-Tankstellen in Europa

Geschicktes Motormanagement vermeidet zudem einen hohen Ausstoß von Stickoxiden. In Smog-geplagten Großstädten wird man zu schätzen wissen, dass kaum mehr als Wasserdampf aus dem Auspuff kommt. Das Problem ist nur: Die Zahl der H2-Tankstellen in Europa lässt sich an einer Hand abzählen. Im Gegensatz zu monovalenten Brennstoffzellen-Fahrzeugen kann der BMW daher nach rund 200 Kilometer im Wasserstoffbetrieb auf den normalen Benzinmodus eines BMW 760Li umschalten (bivalent).

Umdenken beim Antrieb bedeutet nicht, das Auto komplett neu zu erfinden. Der Hydrogen 7 ist alles andere als ein Verzichtsmodell, vier Personen leiden inmitten von feinem Leder, glänzendem Holz und High-Tech-Vollausstattung keinen Mangel. Mit zwölf Zylindern ist die Limousine auch auf der Autobahn zügig unterwegs. Wer mehr Zugeständnisse an das Projekt Zukunft erwartet hätte, wird enttäuscht.

"Spektakulär unspektakulär", nennt BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Dräger den unaufgeregten Schritt ins Wasserstoffzeitalter. Der Fahrer spürt wenig von den 250 Extra-Kilo für den doppelten Tank, die Wasserstoff- Einblastechnik und zusätzliche Versteifungen der Karosserie. Erst ein Blick auf den Tankrüssel im Format eines Feuerwehrschlauchs und den Wasserstoffbehälter unter der Hutablage lässt ahnen, womit sich bis zu 300 Entwickler fünf Jahre lang beschäftigt haben.

"Der Weg ins Wasserstoffzeitalter ist ein Marathon und kein Sprint", betont Klaus Dräger anlässlich der Präsentation in Berlin und ergänzt: "Wir sehen den Hydrogen 7 als ein Angebot, das nur gemeinsam mit Partnern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und der Energiewirtschaft umgesetzt werden kann."

Wenn das Finanzamt den Wasserstoffantrieb fördert und das Tankstellennetz zumindest die größten Städte inklusive der wichtigsten Autobahnverbindungen umfasst, kann die nächste Entwicklungsstufe zünden: Aufgeladene Vierzylinder-Turbomotoren, die auf Wasserstoff optimiert sind, sollen auf BMW-Prüfständen bereits 300 PS leisten. Allein die monovalente Auslegung spart zehn Prozent Kraftstoff, im Vergleich zum Zwölfzylinder kommen die Effizienzvorteile des kleineren Triebwerks hinzu.

Hohe Wirkungsgrade

Wasserstoff-Versuchsmotoren erreichen laut BMW Wirkungsgrade von 50 Prozent. Zum Vergleich: Modernste Benziner liegen bei knapp 30 Prozent, Brennstoffzellen im Auto nutzen die eingesetzte Energie zu etwa 60 Prozent. Das zentrale (Kosten-)Problem des alternativen Antriebs bleibt aber der Wasserstoff selbst.

Um den Brennstoff zu verdichten, wird er bei 253 Grad unter null verflüssigt, dazu ist bereits ein Drittel des Energiegehalts nötig - entsprechend teuer ist das edle Tröpfchen. Selbst als tiefkalte Flüssigkeit beansprucht Wasserstoff fast viermal mehr Volumen als die gleiche Energiemenge in Form von Benzin, bei gasförmigem Wasserstoff ist die Energiedichte und damit die Reichweite noch viel geringer.

Der BMW Hydrogen 7 braucht deshalb einen 170-Liter-Spezialtank, der jedem Raumschiff zur Ehre gereichen würde: Eine 30 Millimeter starke Superisolation schützt den 253 Grad kalten Sprit vor Wärme. Die dünne Vakuumzone zwischen Innen- und Außentank isoliert so gut wie 17 Meter Styropor.

Trotzdem verdampft innerhalb von neun Tagen die Hälfte des gefüllten Wasserstofftanks ungenutzt, wenn der Wagen nicht gefahren wird. Leichtere und besser isolierte Karbontanks sollen künftig Abhilfe schaffen. Wenn die Energiespeicher bezahlbar werden, ist der Wasserstoffantrieb reif für die Großserie.

© SZ vom 18.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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