Alfa Romeo 164 V6 Turbo:Der Kleine mit dem Lader

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Eine interessante Alternative aus Italien in der Mittelklasse

(SZ vom 22.01.1992) Der Alfa Romeo 164 ist uns allen kein Unbekannter - seit 1986 stiehlt der von Pininfarina gestylte Viertürer manch anderer Mittelklasse-Limousine die Schau. Ein Beau sei er, sagen die einen - aber leider ein italienischer Beau, sagen die anderen. Tatsache ist, daß der 164 noch immer eine gute Figur abgibt: Die renommierte italienische Karosseriefirma Pininfarina hat hier für Alfa Romeo zweifellos eine klassische und zeitlose Form gefunden.

Unsinniges Steuersystem

Der Grund, daß wir uns einmal wieder mit diesem angehenden Klassiker beschäftigten, ist unter der Motorhaube zu finden: Hier arbeitet ein neuer Motor, der seine Existenz der italienischen Steuergesetzgebung verdankt. Südlich des Brenners ist man seit Jahrzehnten der Meinung, daß Hubraum zu bestrafen sei - alles was über mehr als zwei Liter Hubraum verfügt, muß 331/3 Prozent Luxussteuer bezahlen, darunter sind nur 20 Prozent fällig. Das Ergebnis dieser unsinnigen Steuer sind hochgepuschte 2-Liter- Triebwerke, die die Leistung wesentlich größerer Motoren erbringen - dafür aber mit aufwendiger Technik und hohen (also nicht gerade verbrauchsmindernden) Drehzahlen operieren müssen.

Der in Deutschland beliebteste 164 verfügt über den 3-Liter-Sechszylinder, der seine 147 kW (200 PS) bei 5800/min abgibt - in Italien war dieser wunderschöne, drehfreudige Sechszylinder jedoch aus den erläuterten Steuergründen nahezu unverkäuflich. Also entwickelte man eine auf 2 Liter Hubraum reduzierte Variante, der nun wiederum mit Hilfe eines Turboladers zu der Leistung des 3-Liters verholfen wird - ein komplizierter und teurer Weg, der nur durch eine unsinnige Steuerpolitik erklärbar wird.

Dank der Aufladung verfügt der 164 V6 Turbo nun über 150 kW oder 204 PS, die bei 6000/min anliegen und so diese kleine Sechszylindervariante zum temperamentvollsten Vertreter seines Stammes machen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 237 km/h und einer Beschleunigungszeit von 8,1 Sekunden von Null auf 100 km/h (Werksangaben) leidet der 164 V6 Turbo also keineswegs unter Leistungsmangel - es bleibt aber andererseits die Frage, wie der Frontantrieb mit diesen Pferdestärken zurechtkommt.

Man kennt ja die Probleme, die durchdrehende Räder auf nassem Untergrund oder bei rascherer Kurvenfahrt bereiten können. Dem neuen 164-Derivat muß man allerdings konstatieren, daß es die Probleme gut im Griff hat - es läßt sich (dank deutlich verringerter Antriebseinflüsse) kommod um alle Kurven fahren. Wer es allerdings sehr schnell angeht, wird feststellen, daß viel Leistung (besonders wenn sie aus dem Einsatz eines Turboladers stammt) in Verbindung mit einem Frontantrieb nahezu zwangsläufig zum Untersteuern führt. Da hilft dann eben nur ein etwas zurückhaltender (und vernünftiger) Umgang mit dem Gaspedal - der zugleich auch natürlich die Nerven beruhigt.

Diese zartere Behandlung des Gaspedals wird dann auch an den Tankstellen belohnt: Mit Verbrauchswerten zwischen zehn und 14 Litern bleifreiem Superbenzin auf 100 Kilometer bietet dieser Alfa Romeo viel Temperament beiakzeptablen Verbrauchswerten.

Viel Drehmoment

Da der 'kleine' Turbomotor bereits bei niedrigen Drehzahlen über viel Drehmoment verfügt und so für ein schaltfaules Fahren sorgt, erweckt das neue Modell einen etwas zwiespältigen Eindruck: Er kann nahezu alles so gut wie der 'große' 3-Liter Sechszylinder ohne Turbolader, er ist sogar etwas schneller. Dafür hat man allerdings knapp 4000 Mark mehr zu zahlen - kein Wunder, daß sich Alfa Romeo bis jetzt in Deutschland etwas schwer tut, den V6 Turbo zu verkaufen. Der 3-Liter- Sechszylinder zeigt eben schon seit Jahren, daß er einer der Besten seiner Klasse ist - und wer soviel Geld für ein Automobil ausgibt, stört sich meistens an der zusätzlich erhobenen Hubraumsteuer sowieso nicht. So wird das neue Spitzenmodell aus dem Hause Alfa Romeo ein Auto für diejenigen Spezialisten bleiben, die ein filigranes Triebwerk mit Turbotechnik in einer bildschönen - und mittlerweile auch ausgereiften - Karosserie zu schätzen wissen.

Von Jürgen Lewandowski

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