Alfa GT:Schönheit bändigt allen Zorn

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Mit der vorgeblich fünfsitzigen Coupé-Variante des 156 haben die Italiener ein außergewöhnliches Auto geschaffen. Über ein paar kleine Fehler sieht man da gerne hinweg.

Von Jörg Reichle

Über Schönheit gehen die Meinungen ziemlich auseinander. "Schönheit", sagt ein englisches Sprichwort, "geht nicht tiefer als die Haut". "Schönheit", war sich dagegen Friedrich Hebbel einst sicher, "ist die Tiefe der Fläche".

Dynamik eines italienischen Automobils (Foto: Foto: Alfa Romeo)

So viel Gegensinn verwirrt. Dabei könnte es so leicht sein: Schönheit ist Alfa. Dieses Urteil trifft die real existierende Formensprache der Marke seit einiger Zeit wieder allemal. Die Typen 156, 147 - Beispiele für originelles, kraftvolles Design und mit einer Vielzahl von einschlägigen Preisen hoch dekoriert.

Glücksbringer Bertone

Jetzt also der GT. Rein äußerlich ist das Coupé ein Schlag ins Gesicht der letzten Zweifler. Kraftvoll, eher elegant als aggressiv steht er auf den Rädern. Dass man in Mailand der Carozzeria Bertone, der die Marke traditionell einige ihrer schönsten Monumente verdankt, den Auftrag zur Formgebung erteilte, war eine glückliche Entscheidung.

Die lange, tief nach unten gezogene Schnauze mit dem markanten Alfa-Grill, über der sich die keilförmige Haube wölbt, geht in eine kräftig ansteigende Schulterlinie über, die wiederum im massigen Heck mit vielleicht etwas zu starken Anklängen an Fiat ihren eigenwilligen Abschluss findet.

Jedenfalls macht das glücklich proportionierte Ensemble den GT zu einem außergewöhnlichen Auto, von dem man den Blick nicht so schnell lassen möchte. Dass der neue Alfa auf der Straße dennoch kein spektakulärer Hingucker ist, könnte an seiner nachhaltigen Ähnlichkeit mit den Modellen 156 und 147 liegen. Vielleicht ein Nachteil.

Fünf müssen es nicht sein

Als "fünfsitziges Coupé" will uns Alfa Romeo den GT schmackhaft machen. Nun ja, Papier ist geduldig. Wir möchten uns nicht so recht vorstellen, wie sich drei Erwachsene nach 100 Kilometern auf den Rücksitzen fühlen, es sei denn, sie besäßen die Körpermaße eines durchschnittlichen Süditalieners.

Alle restlichen Mitteleuropäer dürften die hinteren Sitzgelegenheiten eher als Notunterkunft begreifen - weniger wegen mangelnden Knieraums, sondern ob akuter Kollisionsgefahr des Scheitels mit dem abfallenden Dach.

Dennoch hat Alfa in puncto Raumökonomie eine glückliche Hand bewiesen: Auf der Bodengruppe des 156 machen die große Heckklappe und der darunter liegende Kofferraum, der sich durch Umklappen der hinteren Sitze zu kombihaften Dimensionen erweitern lässt, aus dem GT einen idealen Reisesportwagen.

Viel für Aug' und Ohr

Mit dem lässt sich stilvoll und rasant fahren. Eingebettet in hervorragende Sitze, hat man den Blick auf die Alfa-typische Szenerie aus gut ablesbaren Instrumenten und klar gegliederten Bedienungstasten, eine aluhaft-mattierte Mittelkonsole und einen optimal platzierten Schalthebel.

Hinzu kommt in der Top-Ausstattung eine optisch höchst attraktiv vernähte Leder-Landschaft, die sich auf den Armaturenträger schmiegt. Da fährt das Auge nur allzu gern mit, und das Ohr lauscht unterdessen auf die Klangfarben aus dem Motorraum.

Von dort vernimmt man je nach Option den verhalten rauen Ton eines Diesels - der neue 1,9-Liter Multijet Common Rail protzt mit 150 PS und 305 Nm Drehmoment - oder das sonore Brummen des Zweiliter-JTS-Benziners mit 165 PS (auch mit Selespeed-Automatik).

Akustisch betörend gibt sich unvermindert der mittlerweile in Ehren ergraute 3,2-Liter-V6 mit 240 PS. Den 1,8-Liter-Basismotor mit 140 PS wird es in Deutschland erst im September 2004 geben.

Kleine Schwächen

Getreu dem bekannten Motto "weniger Auto für mehr Geld" kostet der GT saftig mehr als die Limousine, beim 2.0-Liter-JTS beispielsweise sind es 3700 Euro. Die Skala des GT wird bei etwa 25.000 Euro beginnen und sich bis 39.500 Euro emporhangeln.

Da darf man sich dann schon noch über die eine oder andere Schwäche mokieren: Der Fahrer sitzt, eine alte Alfa-Malaise, zu hoch, Beifahrer-Haltegriff und Kleiderhaken haben wir schmerzlich vermisst, und das straff abgestimmte Fahrwerk offenbarte über so manchem Schlagloch auf der kurzen Teststrecke mangelnde Steifigkeit der Karosse. Außerdem ist das Navi-System eine Plage.

Aber wie lässt Goethe seinen Faust sagen: "Schönheit bändigt allen Zorn." Eben.

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