Ärgerliche Defekte:Mehr Technik, mehr Pannen

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Autokäufer klagen zunehmend über ärgerliche Defekte auch in teuren Fahrzeugen

Von Jörg Reichle

(SZ vom 11.9.2003) - Wolfgang Röll war nur schwer zu beruhigen: Keine vier Wochen besaß der Wirtschaftsprüfer seinen nagelneuen Mercedes 500 SL - Neupreis nicht unter 94.308 Euro -, da fing der Ärger an. Bei voller Fahrt sackte urplötzlich das Heck des Luxus-Sportwagens ab; vermutlich hatte das Steuergerät der aufwändigen Bordelektronik den Dienst quittiert.

Ein paar Tage später, das Auto war gerade aus der Werkstatt zurück, streikte das Navigationsgerät samt Autoradio. Ursache: siehe oben. Klagen über die unterschiedlichsten Defekte an Neuwagen füllen mittlerweile regelmäßig die Leserbriefspalten der Fachmagazine, auch die SZ-Redaktion wird nicht selten zur Anlaufstelle erboster Autokäufer.

Einhelliger Tenor: "Wenn ich gewusst hätte, wie viel Ärger mein teurer Neuwagen macht, hätte ich ja gleich irgendeine Billigmarke nehmen können."

Dabei gelten vor allem deutsche Autos technisch weltweit noch immer als Maß aller Dinge. "Wir schauen nur auf die deutschen Hersteller, ihr Niveau ist unser Ziel", sagt der Entwicklungschef eines japanischen Autokonzerns, und fast unisono klingt so oder ähnlich der Chor der internationalen Hersteller.

Um den anerkannt hohen technischen Entwicklungsstand der Deutschen zu erreichen, unternehmen vor allem asiatische Marken mittlerweile fast jede Anstrengung. Krochen einstmals ihre Emissäre auf Automessen wie der IAA noch mit Metermaß und Notizblock durch die Innenräume und unter die Motorhauben, reicht die einfache Kopie von Maßen und Konstruktionen heute längst nicht mehr.

Entwicklungs- und Design-Zentren in Europa sollen den Vorsprung der deutschen Konkurrenz aufholen und die verwöhnten Kunden zufrieden stellen.

"Autobahn-getestet"

Wer besonders auf sich hält, vergisst auch nicht, sein neuestes Modell als "Autobahn-getestet" anzupreisen oder perfektioniert seine Fahrwerke auf der besonders anspruchsvollen Nordschleife des Nürburgrings. Doch während die deutsche Ingenieurskunst in Sachen Hightech vorerst beispielhaft bleibt und ihre Entwicklungen weltweit Nachahmer finden, scheint hier zu Lande so mancher Autoproduzent, getrieben von immer hektischeren Modellzyklen, Produktinnovation über Funktionssicherheit zu setzen.

Vor allem die Bordelektronik, die in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übernehmen musste, scheint anfällig für Defekte zu sein. Nach einer Untersuchung des Gelsenkirchener Center of Automotive Research waren im Jahr 2001 fast 50 Prozent aller Pannen auf Probleme mit Elektronik und Elektrik zurückzuführen. "Die Elektronik ist zwar hilfreich", meint Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Forschungszentrums, "doch die eine oder andere Neuheit ist womöglich nicht so ausgereift, wie sie sein sollte."

Was der Wissenschaftler betont vorsichtig anspricht, ist für Autokäufer nicht selten bittere Realität. Sie werden als Testfahrer unausgereifter Technik missbraucht, wie auch regelmäßige Untersuchungen der Kundenzufriedenheit belegen, die den deutschen Herstellern ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Im aktuellen Bericht des angesehenen Marktforschungsunternehmens J.D. Power rangieren acht japanische Automodelle auf den ersten acht Rängen, davon stammen allein fünf von Toyota. Die E-Klasse von Mercedes folgt erst auf Platz neun.

Eine interne Untersuchung der Autobranche sieht sogar die koreanische Marke Hyundai auf dem Spitzenplatz der Kundenzufriedenheit in Europa. Wie die Zeitschrift Automotive News aus dem vertraulichen Papier zitiert, rangiert Mercedes noch hinter Fiat am unteren Ende der Zufriedenheitsskala.

Nur BMW schaffte von den europäischen Automarken eine Top-Platzierung. Auch die regelmäßige Umfrage des Stuttgarter Motorpresse-Verlags ergibt ein vergleichbares Bild. Mehr als 63.000 Leser stellten hier vor allem den japanischen Marken ein gutes Zeugnis aus. Nur Porsche (Rang 2), BMW (Rang 4) und Audi (Rang 7) konnten mithalten.

Abgeschlagen landeten Mercedes (17.), Ford (20.), VW (26.) und Opel (27.) auf den hinteren Plätzen. Grund genug für die Zeitschrift auto, motor und sport, die als Bibel der Autobranche gilt, vor einer alarmierenden Entwicklung zu warnen. Chefredakteur Bernd Ostmann: "Deutsche Hersteller sind offensichtlich auch bei der Fehlerhäufigkeit vorn." Mit den offenbar geringeren Qualitätsansprüchen von Computernutzern aber seien die Automobilisten nicht zufrieden. "Wer dies nicht zur Kenntnis nimmt, fällt über kurz oder lang aus dem Nobelmarkenset heraus", meint Ostmann.

Dafür, dass die Japaner so zuverlässige Technik liefern, haben deutsche Hersteller eine einfache Erklärung. "Die warten", sagt der Entwicklungsverantwortliche eines deutschen Konzerns, "bis unsere Innovationen gut funktionieren, und dann übernehmen sie das." Vielleicht hatte aber auch der Schriftsteller Erich Maria Remarque Recht, als er einst sagte: "Nur die einfachen Dinge enttäuschen nicht."

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