Adenauers Dienstwagen:Ein Original wird käuflich

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Der Dienstwagen des ehemaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, ein Mercedes des Typs 300 C Langversion, wird nach gut 30 Jahren im Familienbesitz zum Kauf angeboten.

Mit Bildergalerie

Manchmal haben Marc-Oliver Seitz und seine Schwester als Kinder im Fond der schwarzen Mercedes-Limousine Pommes gegessen - dort, wo sich Bundeskanzler Konrad Adenauer auf Gipfeltreffen vorbereitet hat und zu Regierungsterminen fuhr. "Wegen all der Erinnerungen wird manche Träne fließen, wenn es jetzt zum Verkauf kommt", sagt Marc-Oliver Seitz. Sein Vater Herrmann hat Adenauers ehemaligen Dienstwagen, der sich in seinem Besitz befindet, zur Versteigerung freigegeben, wie der 36-jährige Sohn berichtete.

Eine kleine Fahne als Insignie der Macht - das reichte damals noch. (Foto: Foto: www.adenauer-dienstwagen.de)

Im Internet ( www.adenauer-dienstwagen.de) sucht die Familie Seitz Bieter für ihr geschichtsträchtiges Schmuckstück auf vier Rädern, das bei einem Fachhändler im ostfriesischen Leer zu begutachten ist. Über 60 Anfragen gingen seit Januar ein, gut ein Drittel der Interessenten nahm den Mercedes 300 C an Ort und Stelle in Augenschein. Was das Fahrzeug wohl wert ist? "Für ein vergleichbar gut gepflegtes Modell kann man heute eine sechsstellige Summe erwarten", sagte ein Medientechnik-Ingenieur, der den Verkauf betreut. Aber den ideellen Wert könne er schwer einschätzen. "Nach oben ist deshalb alles offen." Einen Zuschlag machte die Familie bisher noch nicht.

Der ideelle Wert ist nicht einzuschätzen

Als Adenauer in den frühen Jahren der Bundesrepublik in der Limousine unterwegs war, soll nach Auskunft der Familie Geschichte geschrieben worden sein. 1958 sei Adenauer beispielsweise in der Limousine nach Colombey-les-deux-Églises gefahren, um mit Charles de Gaulle auf dessen Landsitz die deutsch-französische Freundschaft zu vertiefen. "Wenn man an die Ereignisse denkt, kriegt man im Wagen Gänsehaut", sagt Seitz.

Dass es sich wirklich um den Wagen, der jetzt versteigert wird, handelt, würden Bilder aus der damaligen Zeit belegen. Trotz der geschichtlichen Bedeutung und des nostalgischen Werts hat sich Hermann Seitz entschlossen, das Auto zu verkaufen. Vor kurzem war der Lehrer in Pension gegangen und nach Spanien umgezogen. Dorthin wollte er den teuren Wagen nicht mitnehmen.

Der schwarze Wagen mit runden Scheinwerfern und verchromten Kühlergrill hat eine bewegte Geschichte. Er wurde am 8. Mai 1956 von der Firma Mercedes-Benz ausgeliefert und vier Tage später auf das Bundeskanzleramt in Bonn zugelassen. Das belegen der Fahrzeugschein und der Fahrzeugbrief, welche die Familie in einem Tresor aufbewahrt. 1962 wurde der Wagen vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen übernommen und danach an einen Lokführer in Ostfriesland verkauft. "Dieser wollte vermutlich eine gemütliche, sparsame Familienkutsche", sagt Seitz. Der neue Besitzer ließ den Originalmotor ausbauen, der 15 bis 20 Liter Super auf 100 Kilometern schluckt, und durch ein sparsames Dieselaggregat ersetzen.

Der Wunscheigentümer: ein Museum

Im Jahr 1976 kaufte Vater Hermann Seitz dem Lokführer den Wagen ab. Ein Jahr Überzeugungsarbeit wäre dafür nötig gewesen. "Den Kaufpreis hat mir mein Vater bis heute nicht verraten." Anfangs wurde der Wagen öfters für Familienausflüge aus der Garage geholt. Bereits als Kind war die Technik des Wagens für den Sohn eine große Faszination. Im Cockpit gibt es jede Menge Knöpfe. Die Bedeutung vieler Schalter habe sein Vater selbst nicht gekannt. Über Seilzüge ließ sich die Heckscheibe verdunkeln. "Wir haben uns gefühlt wie James Bond", sagt der 36-Jährige heute.

Für Hermann Seitz war der über zwei Tonnen schwere Wagen aber auch eine Geldanlage. Er ließ das Fahrzeug aufwendig restaurieren und den Originalmotor und ein baugleiches Funkgerät der damaligen Zeit wieder einbauen. Nur noch zu seltenen Anlässen kam der Wagen aus der Garage, wie 1992 zur Premiere von "Otto - Der Liebesfilm", bei der die Familie dank ihrer Freundschaft mit Otto Waalkes vor dem roten Teppich vorfahren durfte.

Wegen der Geschichte des Fahrzeugs möchte die Familie, dass der Wagen in gute Hände kommt. Schön wäre es, wenn ein Museum das Unikat erwerben würde. Ein Blaulicht, die Original-Staatsfahne vom Kühlergrill, welche aus einem Partykeller in Bonn gerettet wurde, sowie ein Replikat des Nummernschilds mit den Ziffern "0 - 2" kann die Familie mitliefern.

Ein schlechtes Gewissen wegen der Pommes, die er als Kind in dem Exponat bundesdeutscher Zeitgeschichte verspeist hat, hat der Ingenieur heute nicht: "Adenauer wollte es in seinem Wagen ja auch kommod haben." Das würden nicht nur die Klapptische zeigen, die Adenauer einbauen ließ. "Der Kanzler hielt auf der Rückbank auch manches Nickerchen", schmunzelt Seitz.

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