60 Jahre Citroën 2CV:Das lange Watscheln

Lesezeit: 3 min

Von der "Blechbüchse" zum Kultauto: Die "Ente" ist 60 Jahre alt und gilt noch immer als Kultauto der Nonkomformisten.

Günther Fischer

Es war dieses Seitenfenster. Diese kleine geteilte Klappscheibe, deren unterer Teil mit einem kurzen Stoß des Ellbogens nach oben befördert werden konnte und dort einrastete. Wenn das Auto schon eng war, dann konnte man so wenigstens den Arm aufs Türblech legen und ein wenig Freiheit genießen. So eine charmante Fensteröffnung hatte damals kein anderes Auto - und seither auch nie wieder eines. Mit diesem kleinen Klappfenster verband sich bald alles, was der Citroën 2CV zu versprechen schien: die Leichtigkeit des Seins ebenso wie die Simplizität der Technik.

Das Jubiläumsmodell zum 60. Geburtstag - vom Hèrmes ausgestattet. (Foto: Foto: AFP)

"Vier Räder unter einem Regenschirm"

Aber es war diese einfache Technik, die dem 2CV, als er am 7. Oktober 1948 auf der Pariser Automobilmesse vorgestellt wurde, viel Spott eintrug: Von "Blechbüchse", einem "Scherz auf Rädern" oder einer "fahrenden Schnepfe" war die Rede. Eine Zeitung wollte sogar wissen, ob der Hersteller einen Dosenöffner mitliefere. Heute ist der "2CV" ein Kultauto, das seit Produktionsende 1990 zu beachtlichen Liebhaberpreisen gehandelt wird (kein Wunder, denn die meisten fielen dem Rostfraß zum Opfer) und mit seinem Konzept entwaffnender Einfachheit inzwischen sogar neue Autos inspiriert.

Die Geschichte der Ente reicht bis vor den Zweiten Weltkrieg zurück. In den 30er Jahren kam Citroën-Chef Pierre-Jules Boulanger auf die Idee eines Autos mit Minimalausstattung bei einem Besuch in der Auvergne, wo sich die Bauern noch auf Ochsenkarren als Transportmittel verließen. 1934 erteilte er dann den Auftrag, einen radikal minimalistischen Kleinwagen zu entwickeln. Seine inzwischen legendären Anforderungen an den Konstrukteur André Lefèbvre lauteten:

"Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht. Außerdem soll es selbst schlechteste Wegstrecken bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass selbst eine ungeübte Fahrerin problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, so dass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Und schließlich muss das neue Auto wesentlich billiger sein als unser 'Traction Avant'. Auf das Aussehen des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an."

Auch Boulangers Vorstellung von Komfort war minimalistisch: "ein Sofa auf vier Rädern unter einem Regenschirm".

Citroën 2CV
:Die Ente in Bildern

Es war einmal: ein Kultmobil namens Citroën 2CV.

Dass anfangs wegen des Designs viele die Nase rümpften, lag aber auch daran, dass es die Ente in den ersten zehn Jahren nur in einer Farbe gab: grau. Doch das tat ihrem Erfolg keinen Abbruch. Schon Mitte der 50er Jahre erreichten die Lieferfristen bis zu sechs Jahre - heute kaum noch vorstellbar. In den 70er und 80er Jahren weitete Citroën endlich die Palette aus: Die Ente gab es nun in vielen Farben, und es wurden Sondereditionen wie die Charleston- oder die Dolly-Ente aufgelegt. Nach einem spektakulären "Auftritt" bei einer Verfolgungsjagd in einem James-Bond-Film 1981 konnten Fans sogar eine 007-Variante mit aufgemalten Einschusslöchern kaufen.

Citroën DS
:Die Göttin in der Wirklichkeit

Eine zum Anfassen. Und zum Fahren. Letzteres wie Gott in Frankreich. Citroën hatte gezeugt, eine Göttin war geboren: La Déesse, säkularisiert "DS".

Im Mai 1939 standen 250 Prototypen des sogenannten TPV ("Toute Petite Voiture"; dt: ganz kleines Auto) bereit: Mit einem einzigen Scheinwerfer, einem handbetätigten Scheibenwischer, Hängemattensitzen, Rolldach und mit den berühmten Seitenfenstern, die zur Hälfte nach oben aufklappbar waren - um mit der Hand Verkehrszeichen zu geben. Doch der Krieg kam dazwischen. Boulanger ließ bis auf ein einziges alle Exemplare zerstören, um seine Neuentwicklung für bessere Tagen geheimzuhalten. Erst zehn Jahre später ging die Ente dann in die Serienproduktion.

Eines der insgesamt knapp vier Millionen produzierten Exemplare ist beim diesjährigen Pariser Autosalons nun als Edel-Variante mit Ausstattung des Luxus-Lederwarenherstellers Hermès zu sehen. Gleich daneben stellt Citroën sein Konzept-Auto C-Cactus mit Elektromotor vor, bei dem sich die Entwickler laut dem Autobauer auch von dem berühmten Vorläufer inspiriren ließen. Das E-Auto zeige die "die Rückkehr zum Wesentlichen, dem Unverzichtbaren", wie die Ente es verkörpert habe, sagt Citroën-Design-Chef Gilles Vidal.

Fabien Sabates, Gründer der Fachzeitschrift Planète 2CV, sieht hinter dem Erfolg der Ente auch auch eine praktische Seite: "Alles beim 2CV wurde entwickelt, um zu halten und keine Kosten zu verursachen", sagt er. Das Auto habe eine robuste Seite, die an ein Schweizer Taschenmesser erinnere: "Mit seiner Mechanik kommt man aus allen Situationen wieder heraus."

In Paris wird das Kultauto noch bis Ende November mit einer Sonderaustellung gewürdigt. Dutzende Fan-Clubs auf der Welt werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Ente nicht in Vergessenheit gerät.

Übrigens: Den Spitznamen "Ente" erhielt der 2CV von einem Niederländer, der - in Anlehnung an ein Märchen von Hans-Christian Andersen - das Auto sah und ausrief: "Was für ein hässliches Entlein!"

© sueddeutsche.de/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: