50 Jahre Carrera-Rennbahn:Große Gefühle für kleine Autos

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efm. Bürgerhaus Garching / Rennbahn Börse, Carreara / Teststrecke und Carrera Bahn Fahren füe Jedermann - überwiegend Kinder (Foto: Marco Einfeldt)

Seit 50 Jahren gibt es die Minirennbahnen von Carrera. In den 70ern erlebten die kleinen Flitzer ihren Höhepunkt und sind seither fester Bestandteil deutscher Kinderzimmer. Doch auch große Jungs erliegen der Faszination der Carrera-Autos. Ein Besuch bei einer der größten Miniatur-Rennbahnen Deutschlands.

Von Jens Höhner

Montagabend auf der "Dicken Berta". Es summt und brummt, große Männer stehen an asphaltgrauen Bahnen und steuern kleine Flitzer über die Piste. Niemand spricht. Brüllen und Fluchen gibt es nur, wenn eine der bunten Karossen aus der Kurve fliegt. Ernste Gesichter, groß ist die Anspannung, denn im Troisdorfer Raceway Park läuft ein Rennen.

Vor bald einem Jahr hat der Raceway-Park-Verein aus dem Rhein-Sieg-Kreis seine Rennstrecke in einer ehemaligen Badmintonhalle in Betrieb genommen, seither ist sie ein Magnet für Liebhaber des Rennsports im Miniaturformat. "Zurzeit ist nur die Bahn im Hamburger Racing-Center größer", sagt Gerd Westerhausen, der Vereinsvorsitzende, mit Blick auf jenen Parcours, der sogar als der größte seiner Art in Europa gehandelt wird. Die Dicke Berta bringt es bei sechs Spuren auf eine Länge von etwas mehr als 52 Meter, im Hamburger Silverstone sind es 55 Meter mit ebenfalls sechs Spuren. Gebaut sind beide Bahnen übrigens aus Holz. Westerhausen, 50 Jahre alt und von Beruf Logistiker, ist in den USA für das Slot Racing entflammt, seit seiner Rückkehr 2002 hat er auch in der Heimat die Hand am Regler.

Boom in den 70ern

Die Wurzeln des Nervenkitzels liegen aber in ungezählten Kinderzimmern: Vor genau 50 Jahren wurden dort die ersten Carrera-Bahnen aufgebaut. "Carrera" ist spanisch und bedeutet "Rennen". Die flexiblen Strecken kommen damals erst aus Nürnberg, später aus Fürth, aber immer aus der Spielzeugfabrik Josef Neuhierls. Zum ersten Mal surren unter der Bezeichnung 132 Universal (nach dem Maßstab 1:32) elektrische Autos an einer Führungsschiene aus Metall über Plastiktrassen. In den 70er-Jahren erleben die Slotcars - übersetzt: Schlitz-Fahrzeuge - ihren Boom.

1985 steuert das Unternehmen jedoch in den Konkurs, seit Anfang 1999 ist die Marke im Besitz des Österreichers Andreas Stadlbauer, 46, und in Salzburg beheimatet. "Niemand wollte sie übernehmen, weil keiner glaubte, dass Carrera gegen Computerspiele bestehen kann", erinnert sich der Unternehmer. Er aber habe der "Kraft dieser Marke vertraut und noch viel mehr dem Kind im Manne".

Stadlbauer fuhr mit seiner Erwerbung sofort in die Boxengasse, brachte die Technik auf Vordermann und etliche Innovationen wie die Digitalisierung ein. "Wichtig war uns immer, dass wir jene Rennwagen, die jeder im Fernsehen sieht, haargenau nachbauen", verrät Stadlbauer. Schrumpft ein solches Fahrzeug auf Spielzeuggröße, so seien die Änderungen am Äußeren nur minimal, versichert der Firmenchef. "Und jede Abweichung wird mit den wirklichen Autobauern abgestimmt." Technik und Design der Modelle in den gängigen Maßstäben 1:32 und 1:24 entstehen in Salzburg, produziert wird in Hongkong.

Später stehen die Minirenner dann in den Verkaufsregalen - zum Beispiel in denen von Olaf Ottersbach. Der Schlosser im öffentlichen Dienst hat seine Leidenschaft zum zweiten Beruf gemacht: In Troisdorf verkauft er den Rennsport, knapp bekleidete Boxenluder und jubelnde Zuschauer inklusive - maßstabsgetreu, versteht sich und per Online-Shop in alle Welt. Zudem repariert der Tüftler defekte Fahrzeuge. Und selbst Raritäten setzt er instand, etwa "Jet Apollo 11", ein Mondmodell mit Umlaufbahn und Raumfähre, das Carrera 1969 - im Jahr der ersten Mondlandung - auf den Markt gebracht hat. "Man muss vier Metall-Astronauten auf den Mond schießen", erklärt Olaf Ottersbach. "Der Mond ist magnetisch, sodass die Figuren haften bleiben."

Solches Spielzeug, vor allem aber die Rennbahn, liege oft Jahre lang vergessen auf dem Dachboden, weiß der Experte. "Und dann wird die Bahn von einem Mann jenseits der 30 plötzlich wiederentdeckt." Rennbahn spielen ist Männersache. Frauen steigen seltener in den Wettbewerb mit den kleinen Flitzern ein. Christine Schmitz, eine 32 Jahre alte Angestellte aus Bonn, ist zurzeit die einzige Frau im Troisdorfer Pilotenpool. Mitten unter Männern macht sie ihre Autos rennfertig, Originalautos aus der Fabrik fahren die Profis selten, das meiste wird selbst gebaut.

Dazu haben die Freizeit-Piloten rund um die Dicke Berta richtige Werkstätten eingerichtet. Die Karosserien stammen aus Bausätzen, Chassis und Fahrwerke sind Marke Eigenbau, meist aus Messing, manchmal sogar aus teurem Carbon. Die Reifen sind aus Moosgummi, mit Klebeband werden sie aufgeraut. So sorgen die Experten für optimale Haftung auf der Bahn, genau wie im wirklichen Rennsport. Selten sind "Out oft the Box"-Rennen - Wettbewerbe, bei denen serienmäßige Carrera-Autos antreten.

Miteinander und Wettbewerb

Während im Troisdorfer Raceway Park die Ausstattung eher kahl und zweckmäßig ist, hat sich der Slot-Racing Club Köln (SRC) im Stadtteil Weidenpesch ein echtes Rennparadies geschaffen und die Strecken mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Mit dabei sind sogar badende FKKler. Seit 1995 ist der Kölner Verein im Kellergeschoss einer Wohnanlage zuhause, 25 Mitglieder halten dort die 32 und 50 Meter langen Bahnen in Schuss. "Der Reiz besteht zunächst mal im Miteinander", sagt Präsident Manfred Hühn, im Hauptberuf Vermögensberater, "und dann natürlich im Wettbewerb."

Peter Sinther, 45, und sein zwölfjähriger Sohn Lucas kommen an solchen Renntagen immer besonders spät nach Hause, meist erst nach Mitternacht. "Mein Sohn hat diesen Sport entdeckt und seit einem Schnupperfahren sind wir jetzt dabei", erinnert sich Papa Sinther und erzählt, dass die Carrera-Bahn zu Hause nur noch selten aufgebaut werde. "Im Verein macht das Fahren mehr Spaß, jeder hilft hier jedem."

© SZ vom 28.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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