50 Jahre Mini:Der Größte

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Dem Mini gebührt ein Ehrenplatz in der Tiefgarage des Herzens. Jetzt wird er 50. Eine Erinnerung.

Jochen Arntz

Mein Erster war blau und stand in der Ecke, nachlässig geparkt neben den Garagen eines Mietshauses. Im hinteren rechten Fenster klebte ein kleiner Zettel. Darauf stand: Zu verkaufen, Mini, Baujahr 1972, 950 Mark. Ich hatte gerade den Führerschein, das Geld hatte ich nicht. Und mein Vater war sich nicht sicher, ob er mir ein paar hundert Mark für ein kleines, wendiges Auto aus England leihen wollte. Für ihn klang es so, dass er entweder in Rost oder in Unfälle seines Sohnes investieren sollte, wahrscheinlich in beides.

Genial: Das Konstruktionsprinzip war einfach, aber clever - eine Box mit niedrigem Schwerpunkt, vier Räder ganz außen an den Ecken, kleiner Motor, quer eingebaut. So brach der Mini Frauenherzen und stellte auch die Rallye-Welt auf den Kopf. (Foto: Foto: BMW AG)

Da es dort, wo ich herkomme, früher noch richtige Winter gab, sagte ich, dass ein paar verrückte Finnen mit dem kleinen Auto Mitte der Sechziger mehrfach die Rallye Monte Carlo bei Eis und Schnee gewonnen hatten. Sie waren alle gut angekommen. Ich argumentierte in etwa so, wie die Presseabteilung der British Motor Corporation es tat, als sie mit den Siegen von Monaco den legendären Ruf des Mini festigte.

Mein Vater zahlte schließlich, vielleicht auch deshalb, weil sein Vater ihn einst zu einem Käfer gezwungen hatte. Und das war damals nicht ganz so cool, das wusste auch er. Steve McQueen zum Beispiel konnte man sich in einem Käfer kaum vorstellen, in einem Mini schon, und den fuhr er dann auch.

Nicht, dass der Mini gleich ein großer Erfolg war: Vor 50 Jahren, als die ersten jener Autos, die ein Mann namens Alec Issigonis entwickelt hatte, auf Englands Straßen kamen, da war der kompakte Wagen vielleicht noch zu modern. Vielen jedenfalls war er nicht geheuer. Und ohne die erwähnten Finnen, die mit dem kleinen Briten durch die Seealpen rasten, wäre der Mini wohl nie geworden, was er ist: ein seltsam klassenloses und begehrtes Automobil, das mehr als fünf Millionen Mal verkauft wurde - in dem Prinz Charles zum Studium in Cambridge vorfuhr, Niki Lauda seine ersten Rennen bestritt, und mit dem ich meistens liegenblieb.

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Denn ein Mini ist nicht nur Mythos, sondern auch Technik. Und im Fall des kleinen blauen Autos für 950 Mark funktionierte diese nur selten so, wie sie sollte. Die Elektrik jedenfalls war very british. Ich lernte Worte wie Kriechstrom, Massefehler oder Kabelbrand und war nicht der einzige Mini-Fahrer, der mit dem Vokabular der Defekt-Forschung bald sehr beiläufig umging. Ich lernte auch, dass man einen Mini am vorderen Türholm ganz allein anschieben kann - und die Sache dann läuft, wenn man schnell ins Auto springt und den Motor kommen lässt.

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Daran musste ich kürzlich denken, als ich einen neuen Mini fuhr, der ja eigentlich kein Mini ist, sondern ein relativ großer Kleinwagen, der von BMW gebaut wird und auch mit Sitzheizung zu haben ist. Der neue und der alte Mini verhalten sich in etwa so zueinander wie der John Travolta der siebziger Jahre und der Travolta von heute. Travolta sieht immer noch nach Travolta aus, auch wenn er doppelt so schwer, viel runder und glatt geworden ist. Aber gegen seine Filme ist nichts zu sagen, und gegen ein Auto, das funktioniert und nicht mehr rostet, auch nicht. Zumal die späten Minis der alten Serie sich auch schon weit vom Purismus des Anfangs entfernt hatten, mit schweren Holzvertäfelungen im Innenraum, die an die Wohnzimmer von Reihenmittelhäusern erinnerten.

Außerdem hat BMW für den neuen Mini einen alten Namen wiederentdeckt, den die Engländer ihrem Auto irgendwann nicht mehr geben wollten: Cooper. Der Nachname des britischen Konstrukteurs John Cooper stand lange Jahre für ein paar PS mehr, für die entscheidenden. Doch der Rennmotorenbauer Cooper bekam zwei Pfund Sterling Lizenzgeld pro Mini, der sich mit seinem Namen und seiner Kraft schmücken durfte. Bald wurde dem Werk das zu teuer, der Cooper wurde eingestellt, und der Mini wurde brav. Was dazu führte, dass Besitzer eines gebrauchten Coopers mindestens so bräsig strahlten wie neulich Karl-Theodor zu Guttenberg auf dem Times Square.

Ich erinnere mich an fruchtlose Abende mit einem Alt-Hippie, dem ich in den achtziger Jahren einen Cooper abkaufen wollte. Der Mann mit dem Pferdeschwanz redete und redete - und verkaufte das Auto am Ende doch nicht. Ein Blick seiner Freundin hatte genügt. Wahrscheinlich wusste er, dass er für sie ohne den Cooper auch nur ein Mini war.

Zwar gab es schon in den Neunzigern eine Neuauflage des Coopers, doch ich musste 20 Jahre warten, bis ich wieder einen schnellen Mini fahren durfte. Den von BMW. Und da es wahrscheinlich vielen Menschen um die Vierzig so ging, verkaufte sich der neue Mini Cooper zu Beginn des neuen Jahrtausends gleich sehr gut. Obwohl er viel zu teuer ist und viel zu stark.

Mittlerweile hat das Spitzenmodell, der John Cooper Works, 211 PS und einen kleinen Knopf neben dem Aschenbecher, auf dem das Wort "Sport" steht. Mit dieser Taste lässt sich die Pubertät jederzeit neu erleben, der Wagen wird noch schneller und ruppiger, die Beziehung zum Kassierer der Tankstelle deutlich intensiver. Und als Lobbyist für die Hersteller von Lärmschutzwänden an Bundesstraßen ist man in diesem Auto quasi ehrenamtlich unterwegs.

Möglicherweise haben die Ingenieure, die den John Cooper Works entwickelten, andere Techniker im Haus auf die Idee gebracht, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann. Und so gibt es bald auch einen Mini, den man gar nicht mehr hört und der auch kein Benzin verbraucht: der E-Mini. Ein Elektro-Auto, das aussieht wie ein Mini und selbstverständlich auch einer ist. Nur, dass er noch weniger Platz bietet. Dort, wo ein normaler Mini die Rückbank hat, sitzen hier Batterien. Riesige Batterien, die von einem surrenden Lüfter beständig gekühlt werden und dem Wagen die brachiale Kraft von 204 PS verleihen - aber nach 250 Kilometern schon wieder stundenlang aufgeladen werden müssen. Das ist in etwa so sinnvoll wie ein Fernseher, der sich nach der ersten Halbzeit des Champions-League-Finales automatisch abschaltet. Die Zukunft des Automobilbaus ist es jedenfalls nicht.

Die läge wohl eher in einem kleinen, leichten Stadtwagen. Viel mehr als 30 PS müsste er nicht haben, eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h wäre völlig ausreichend; und wenn man auf alles Überflüssige wie Einparkhilfen und Becherhalter verzichtete, würde ein solches Auto nur rund 600 Kilo wiegen. Eine vernünftige Sache. Und man müsste dieses Auto nicht mal neu erfinden. Denn das ist schon vor 50 Jahren in England passiert. Der Name des Autos? Mini, das Original.

© SZ vom 25.5.2009/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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