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Interview

Nationalpark Bayerischer Wald

Foto: Nationalpark Bayerischer Wald

Klimawandel, neue Projekte, Lieblingsorte im Wald: Nationalpark-Leiterin Ursula Schuster im Gespräch

Die Entwicklung des Nationalparks Bayerischer Wald ist eine echte Erfolgsgeschichte. Seit über 50 Jahren ist er ein gelungenes Beispiel für bewahrte Artenvielfalt und sanften Tourismus. Die neuen Kapitel der Story aus dem wild-schönen Wald schreibt nun Ursula Schuster. Seit August ist die Landschaftsökologin Chefin der Verwaltung und wacht über 25.000 Hektar schützenswerter Natur. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen des Klimawandels, erläutert neue Projekte und verrät uns ihre Lieblingsstellen in Deutschlands größtem Waldnationalpark.

Frau Schuster, wie waren die ersten Monate in der neuen Position für Sie und welches erste Resümee können Sie ziehen?
Ursula Schuster: Die ersten Monate waren sehr spannend und bereichernd, eben genau das, was man sich vorstellt, wenn man eine neue Aufgabe übernimmt, für die man sich vollends motivieren kann. Besonders schön ist, dass ich mich gut aufgehoben fühle, sowohl in der Region selbst, als auch im Kreis der Kolleginnen und Kollegen. Thematisch ging es am Anfang natürlich auch erstmal darum, die Verwaltung kennenzulernen, sich in die Themen einzuarbeiten, die vielen Dienststellen sowie Informations- oder Umweltbildungseinrichtungen zu besuchen, mit den rund 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Nun freue ich mich drauf, zusammen mit einem erfahrenen und motivierten Team die vielen anstehenden Projekte für unsere Natur und die Nationalparkregion anzugehen und umzusetzen.

Die waldfreien Bergwiesen, die sogenannen Schachten, sind faszinierende Lebensräume.

Die waldfreien Bergwiesen, die sogenannen Schachten, sind faszinierende Lebensräume. Foto: Sandra Schrönghammer

Sie sind die erste Frau an der Spitze des Nationalparks. Hat das eine persönliche Bedeutung für Sie – und macht sich das in der täglichen Arbeit irgendwie bemerkbar, wenn da jetzt eine Frau das Sagen hat?
Natürlich hat es eine persönliche Bedeutung für mich, dass ich für diesen Posten ausgesucht wurde. Die Frage danach, ob der Job von einer Frau oder einem Mann wahrgenommen wird, hat meiner Meinung nach aber keine Bedeutung. Man benötigt einfach eine gewisse Verwaltungserfahrung und das dazugehörige Fachwissen, um einen Nationalpark leiten zu können, ganz unabhängig vom Geschlecht. Und klar, ich werde sicher Dinge anders machen als meine Vorgänger. Das wäre bei einer Besetzung durch einen Mann aber nicht anders gewesen.

Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber bei der symbolischen Schlüsselübergabe an die neue Leiterin Ursula Schuster.

Seit Sommer 2023 leitet Ursula Schuster den Nationalpark Bayerischer Wald, den ältesten Nationalpark in Deutschland. Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber bei der symbolischen Schlüsselübergabe an die neue Leiterin. Foto: STMUV

Wie kann man sich Ihren Job genau vorstellen? Sind Sie denn wirklich auch regelmäßig draußen oder fesselt die Schreibtischarbeit doch mehr ans Büro?
Bei einem Job im Nationalpark denken viele natürlich sofort, man wäre den Großteil der Zeit auch wirklich draußen in der wilden Natur. Die Realität schaut dann doch etwas anders aus. Mein Schreibtisch ist der Ort, wo es am meisten zu tun gibt. Es geht einfach darum, als Ansprechpartnerin greifbar zu sein, stets über alle wichtigen Dinge informiert zu sein und natürlich letztendlich auch darum, Entscheidungen über die Weiterentwicklung des Schutzgebiets zu treffen. Vieles davon passiert im Büro. Natürlich gibt es aber auch Themen, zu denen man sich direkt im Gelände informieren muss, zum Beispiel bei Maßnahmen in den Bereichen Waldmanagement oder Bau. Und dann gibt es noch Termine, bei denen man den wertvollen Austausch mit Vertretern der Politik, des Tourismus sowie der Vereine und Verbände pflegen darf, was immer sehr bereichernd ist. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir zwei Bürgerwanderungen zur Walddynamik, zu denen ich Bürgerinnen und Bürger eingeladen habe und die im vergangenen Herbst auf reges Interesse gestoßen sind. Daher werde ich derartige Führungen auch in Zukunft wieder anbieten.

Dank intensiver Schutzmaßnahmen im Nationalpark Bayerischer Wald hat sich das Aufkommen des vom Aussterben bedrohten Auerhuhns wieder vermehrt.

Dank intensiver Schutzmaßnahmen im Nationalpark Bayerischer Wald ist das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn wieder öfter anzutreffen. Foto: Christoph Moning

Vor ihrem Studium haben Sie damals ein Praktikum beim Nationalpark gemacht. Können Sie sich noch an die Inhalte erinnern? Und wie hat sich der Nationalpark seither verändert?
Ja, tatsächlich hatte ich bereits 1996 erste berufliche Berührungspunkte zum Nationalpark. Weil ich die Region dank der Nähe zu meinem damaligen Wohn- und Geburtsorts Passau von Ausflügen her schon gut kannte und mich das Schutzgebiet bereits damals faszinierte, bewarb ich mich während meines Landschaftsökologie-Studiums um ein Praktikum im Bereich des Pflanzenfreigeländes. Ich durfte dann zum Beispiel mithelfen, das Auerhuhngehege im Tierfreigelände bei Neuschönau zu bepflanzen. Und klar, in 27 Jahren hat sich der Nationalpark gehörig verändert. Damals waren gerade rund um Lusen und Rachel die Auswirkungen flächigen Borkenkäferbefalls unübersehbar, heute wächst dort ein wilder, dynamischer und strukturreicher Bergwald, der nicht nur mich, sondern auch unsere Besucher stets aufs Neue fasziniert.

Was sind Ihre Ziele für die Entwicklung des Nationalparks?
Es geht darum, die erfolgreiche Arbeit der Vergangenheit fortzuführen, zum Beispiel im Bereich der Forschung, wo wir international viel Beachtung erfahren und auf ein breites Netzwerk zurückgreifen können. Es geht aber auch darum, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren, zum Beispiel im Bereich der Barrierefreiheit. Wir wollen erreichen, dass auch Menschen mit Handicap an geeigneten Orten unsere wilde Waldnatur erleben können. Dafür schaffen wir barrierefreie Wege und Einrichtungen, zum Beispiel rund um das neu entstehende Naturerlebnis Wistlberg im östlichen Teil des Nationalparks.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Bewahrung der Natur im Nationalpark und vielleicht auch generell?
Das übergeordnete Thema für die Natur ist und bleibt der Klimawandel. Der stellt die Lebensgemeinschaften unserer Wälder vor teils enorme Herausforderungen. Unsere Aufgabe dabei ist es, genau zu dokumentieren, wie die Natur auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagiert. Daraus lassen sich dann zum Teil auch Empfehlungen für Wirtschaftswälder ableiten. Ansonsten stellt uns als Schutzgebietsverwaltung vor allem die Erholungsnutzung vor Herausforderungen. Natürlich steht der Nationalpark Gästen offen, die Besucher müssen aber so gelenkt werden, dass der Natur noch genügend störungsfreie Gebiete bleiben. Ein relativ neuer Ansatzpunkt dabei ist das digitale Besuchermanagement: Dabei tragen Kolleginnen und Kollegen dafür Sorge, dass in den gängigen Internetportalen von Nutzern publizierte Inhalte auch mit den Schutzgebietsregeln übereinstimmen.

„Auch Menschen mit Handicap sollen unsere wilde Waldnatur erleben können“

Welche Stellen, Gebiete oder Teile des Nationalparks haben es Ihnen besonders angetan? Gibt es Bereiche, in denen Sie sich besonders wohlfühlen oder die Sie toll finden?
Die Vielfalt macht’s. Im Nationalpark Bayerischer Wald gibt’s einfach eine besonders außergewöhnliche und wilde Waldnatur zu erleben. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das nicht nur mich in seinen Bann zieht. Da ist es schwer, sich auf wenige Punkte zu beschränken. Die abgelegene Reschbachklause, ein in früheren Zeiten zur Holztrift angelegter Stausee in der Nähe zur tschechischen Grenze, gehört aber auf jeden Fall zu meinen Lieblingsorten, genauso wie die Urwaldgebiete rund ums Zwieslerwaldhaus, in denen man noch in Wälder eintauchen kann, die es so fast nirgends in Deutschland noch zu bestaunen gibt.

Zur idyllischen Reschbachklause, einer früheren Stauanlage für lose Baumstämme, führt auch eine barrierearme Tour.

Zur idyllischen Reschbachklause, einer früheren Stauanlage für lose Baumstämme, führt auch eine barrierearme Tour. Foto: Annette Nigl

Im Urwaldgebiet Mittelsteighütte ist unter anderem der Schwefelporling zu finden.

Im Urwaldgebiet Mittelsteighütte ist unter anderem der Schwefelporling zu finden, der an Baumstämmen wächst. Foto: Franz Leibl

Wenn ich heuer die Natur bei Ihnen erleben möchte – gibt es etwas, was Sie besonders empfehlen können, was man erlebt haben muss?
Ich würde Gästen empfehlen, auf jeden Fall in unseren wilden Hochlagen zu wandern. Das funktioniert sogar grenzüberschreitend. Denn an den Nationalpark Bayerischer Wald schließt sich der etwa dreimal so große Nationalpark Šumava in Tschechien an. Zusammen sind wir das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas. Im Sommerhalbjahr bieten wir regelmäßig geführte Touren durch beide Schutzgebiete an, auch als Zeichen der gelebten Zusammenarbeit. Daneben lohnt sich auch immer ein Ausflug zu unseren Inseln im Waldmeer, den Schachten. Die einst beweideten Freiflächen ähneln den Almen im Alpenraum und sind aufgrund ihrer außergewöhnlichen Artenzusammensetzung ein wahrer Hotspot der Biodiversität.

Ursula Schuster im Austausch mit Teilnehmern einer „Bürgerwanderung“ im vergangenen Herbst.

Ursula Schuster im Austausch mit Teilnehmern einer „Bürgerwanderung“ im Herbst 2023. Foto: Nationalpark Bayerischer Wald

„Nationalparks sind seit jeher auch dafür da, Menschen für die Schönheit der Natur zu begeistern“

Gibt es was, was Sie sich von den Besucherinnen und Besuchern des Nationalparks wünschen?
Ich wünsche mir, dass sich unsere Gäste auf den wilden Wald einlassen und tolle Erlebnisse sammeln können. Schließlich waren Nationalparks seit jeher auch dafür da, Menschen für die Schönheit der Natur zu begeistern. Auf der anderen Seite erhoffe ich mir, dass Besucherinnen und Besucher sich auch mit dem nötigen Respekt im Nationalpark bewegen und die existierenden Regeln beachten. Nur so können wir die Landschaft zwischen Falkenstein, Rachel und Lusen langfristig in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten.

Das Interview führte Kai-Uwe Digel (2024).

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