Zehnfingersystem:Tippen nach Herzenslust

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Ein Experiment finnischer Wissenschaftler, das Nutzer der klassischen Zehn-Finger-Methode mit Autodidakten vergleicht, zeigt, dass Letztere nicht unbedingt unterlegen sind. Entscheidender als das Tipp-System ist vielmehr die Übung.

Von Christoph Behrens

Jeder Tastendruck am Computer ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Seit der Ära der Schreibmaschine hat sich das Tastaturlayout nicht verändert. Weil frühe Schreibmaschinen oft klemmten, entwarfen die Erfinder sie so, dass häufig benutzte Tasten weit auseinanderliegen. So willkürlich diese Anordnung in der digitalen Ära anmutet, so wild sind auch die Schreibstile, die sich darauf entwickelt haben. Nur die wenigsten haben in einem Kurs mit zehn Fingern zu schreiben gelernt. Die meisten Menschen hacken eher drauflos.

Finnische Wissenschaftler haben Tempo und Fehlerquote der Freischreiber nun erstmals genau untersucht und kommen zum Ergebnis, dass deren Können unterschätzt wird. "Selbstlernende Schreiber können Leistungen erreichen, die mit Zehn-Finger-Schreibern vergleichbar sind", schreiben die Forscher, "sogar, wenn sie weniger Finger benutzen." Die Informatiker der Universität Aalto erfassten die Tippbewegungen von 30 Erwachsenen. Manche tippten nach Lehrbuch, andere abenteuerlich. Da gab es etwa diejenigen, die mit dem linken Daumen die linke Shift-Taste drückten, also mit der ganzen Hand neben die Tastatur hinausgriffen. Oder solche, die Leerzeichen stets mit dem Zeigefinger setzten. Trotz dieser Verrenkungen schafften die Autodidakten mit 59 Wörtern pro Minute im Mittel sogar eins mehr als die Zehnfingerschreiber. Durchschnittlich kamen im Freistil sechs Finger zum Einsatz, manche erreichten schon mit zwei Fingern ein beachtliches Tempo.

"Viel entscheidender als das System ist die Übung", sagt Anna Feit, die das Experiment leitete. Die schnellen Autodidakten drückten etwa einen Buchstaben stets mit ein- und demselben Finger, blieben also konsequent ihrem System treu. Zudem planten sie die Fingerbewegungen gut voraus und bewegten ihre Hände wenig. Umgekehrt gab es Zehnfingerschreiber, die langsam tippten, weil ihnen Schreibpraxis fehlte.

Die Wissenschaftler deuten die Vielfalt der Schreibsysteme auch als ein Zeichen dafür, dass sich die Arbeit am Rechner wandelt. "Wir tippen heute nicht nur Sätze, sondern benutzen die Tastatur für alles Mögliche", sagt Feit. Ein Grafiker oder Programmierer muss nicht zwingend viel Fließtext produzieren, sondern braucht eher ganz spezielle Tastenkombinationen. "Die Frage ist, ob das Zehn-Finger-System dafür stets das beste ist", sagt Feit.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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