Zeckenalarm:Die unterschätzte Gefahr

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Vom Deutschen Grünen Kreuz bis zum Robert-Koch-Institut (RKI) - alle warnen vor den blutsaugenden Spinnentieren. Dann: Immer mehr Zecken sind mit dem Erreger der lebensbedrohlichen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) infiziert.

Nina Götte

Es herrscht Zeckenalarm in Deutschland. Vom Deutschen Grünen Kreuz bis zum Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin - alle warnen vor den blutsaugenden Spinnentieren. Schließlich sind immer mehr Zecken mit dem Erreger der lebensbedrohlichen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) infiziert und übertragen das Virus auf den Menschen.

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Im Jahr 2005 ist die Zahl der FSME-Fälle nach Angaben des RKI im Vergleich zum Vorjahr bundesweit von 274 auf 432 gestiegen. Seit mehreren Jahren sei auch eine "langsame aber stetige Ausbreitung" FSME belasteter Zecken in Richtung Norden zu beobachten, warnt das Deutsche Grüne Kreuz.

Immer mehr Regionen werden als Risiko- oder Hochrisikogebiete eingestuft: Dieses Jahr sind es 96 Landkreise, im vergangenen Jahr waren es 90. Betroffen sind besonders die Bundesländer Bayern mit 55 Gebieten und Baden-Württemberg mit 32. In Hessen sind fünf, in Thüringen drei und in Rheinland-Pfalz ein Bereich als Risikogebiet eingestuft.

Neu hinzugekommen sind die bayerischen Landkreise Aichach-Friedberg, Eichstätt, Miesbach, Nürnberger Land und Neuburg-Schrobenhausen sowie in Baden-Württemberg der Landkreis Biberach. Lediglich aus den sechs Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland wurden noch keine FSME-Fälle gemeldet.

Als Risikogebiete gelten Landkreise, in denen binnen eines Jahres mindestens zwei oder in einem Zeitraum von fünf Jahren mindestens fünf FSME-Erkrankungen gemeldet wurden. Von Hochrisikoregion spricht man, sobald innerhalb von fünf Jahren mindestens 25 FSME-Fälle beobachtet werden.

Das Virus kann beim ersten Einstich aus der Speicheldrüse des Blutsaugers in sein Opfer gelangen. Etwa 70 Prozent der infizierten Menschen entwickeln keine oder nur geringe Krankheitsanzeichen wie grippeähnliche Symptome.

Ein bis zwei Prozent der Erkrankten sterben

Bei den restlichen 30 Prozent nimmt die Erkrankung einen schweren Verlauf mit hohem Fieber, Nackensteife und großen Schmerzen. Gelangen die Viren in das zentrale Nervensystem, kommt es in der Regel zur Entzündung des Hirngewebes, der Hirnhaut oder des Rückenmarks.

Ein bis zwei Prozent der an FSME Erkrankten sterben. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, gibt es keine Therapiemöglichkeit. Lediglich die Symptome können durch Medikamente gelindert werden.

Die Zunahme der FSME-Fälle hat unterschiedliche Gründe. "Die globale Erderwärmung trägt viel zur Ausbreitung des Virus Richtung Norden bei", sagt Jochen Süss, Virologe am Friedrich-Löffler-Institut.

Auch die starke Vermehrung von Rotwild und Nagern, an denen sich die Zecken mit dem FSME-Virus infizieren, spielt eine Rolle. "Allerdings sind die Ärzte auch sensibilisiert und registrieren mehr Fälle", sagt Süss.

Eine Infektion mit dem FSME-Erreger lässt sich durch eine Impfung vermeiden. Personen, die in Risikogebieten leben und sich viel in der Natur aufhalten, sollten sich nach den Empfehlungen des RKI unbedingt impfen lassen - genauso wie Urlauber, die in solche Gebiete reisen.

Dabei spiele es keine Rolle, ob man zwei Wochen oder nur ein, zwei Tage dort verweile, so Süss.

"Zeckenimpfung nicht riskanter als Grippeimpfung"

Viele Menschen schrecken jedoch aus Angst vor Nebenwirkungen vor einer Impfung zurück. Diese war nach Angaben von Süss vor einigen Jahren durchaus noch berechtigt. "Damals kam es nach einer Zeckenimpfung vereinzelt zu Fieberschüben, allergischen Reaktionen, und sogar zu Lähmungserscheinungen."

Inzwischen seien die Impfstoffe aber verbessert worden. "Heute ist eine Zeckenimpfung nicht riskanter als eine Grippeimpfung", sagt Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Instituts. Für Kinder gibt es einen eigenen Impfstoff, der niedriger dosiert ist als der für Erwachsene.

Eine Impfung ist nach Angaben von Süss ab dem ersten Lebensjahr möglich. Viele Experten, die eine Impfung von Kindern lange Zeit abgelehnt haben, empfehlen diese inzwischen. Früher war man der Ansicht, dass eine FSME-Erkrankung bei Kindern harmloser verläuft als bei Erwachsenen und dass die Risiken der Impfung deshalb größer seien als die der Erkrankung.

Gefährlicher ist als bisher angenommen

Doch inzwischen gibt es Hinweise, dass die Krankheit für Kinder gefährlicher ist als bisher angenommen. Unter anderem wird eine FSME-Infektion in der frühen Kindheit mit Aufmerksamkeitsstörungen in Zusammenhang gebracht.

"Kinder, die in Risikogebieten aufwachsen und der Gefahr eines Zeckenbisses ausgesetzt sind, sollten auf jeden Fall geimpft werden", sagt Reinhard Berner, Leitender Oberarzt der Universitätskinderklinik in Freiburg.

Doch letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er sich und seine Kinder gegen FSME impfen lassen will. Auf jeden Fall sollte der ganze Körper nach jedem Ausflug in die Natur gründlich abgesucht werden. Gefundene Zecken müssen sorgfältig entfernt werden.

Denn je eher der Blutsauger herausgezogen wird, desto geringer ist die Gefahr der Ansteckung mit FSME oder einer anderen von den Spinnentieren übertragenen Krankheit.

So kann jede fünfte Zecke in Deutschland den Erreger der Borreliose übertragen, ein Bakterium, das in schweren Fällen Entzündungen von Herzmuskel und Hirnhäuten sowie Lähmungen verursacht.

Auch ein Fall von Zeckenlähmung ist 2005 erstmals in Europa bei einem 47-jährigen Mann aus Rostock aufgetreten. Bis dahin war die Erkrankung nur bei Tieren vorgekommen sowie selten bei Kindern in Australien und in den USA.

Dabei ruft ein von den Zecken abgegebenes Nervengift Lähmungen und Doppeltsehen hervor. Wird die Zecke nicht entfernt, kann das Opfer an dem Nervengift sterben.

© SZ vom 17.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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