Wissenschaftliches Publizieren:Wir zitieren A-1262-2007

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Wer soll all die Müller und Smith in der Forschungsliteratur auseinanderhalten? Nun wollen Datenbankbetreiber den Wissenschaftlern Nummern zuordnen. Doch auch dieses System hat Tücken.

Martin Enserink

A-1262-2007 und A-1270-2007 sind froh, Nummern zu sein - und sie glauben, ihren Kollegen wird es genauso gehen. Die beiden Wissenschaftler vom Medizinischen Zentrum der Universität Maastricht, deren richtige Namen Jochen Cals und Daniel Kotz lauten, finden es bizarr, dass es heute noch Probleme bereitet, alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen eines Autors zu finden.

(Foto: Foto: dpa)

Wer etwa in der Suchmaske des Pubmed-Dienstes, einer Datenbank für medizinische Aufsätze, "Smith J" eingibt, bekommt über 16.000 Treffer; "Müller M" führt zu 4000 Artikeln. Wer da sortieren will, wer was geschrieben hat, braucht viel Geduld.

Die wissenschaftliche Literatur ist voll von Beispielen, die für die Nummerierung der Autoren sprechen. So gibt es zwar nur einen veröffentlichten Forscher mit dem Familiennamen Varmus - den Medizin-Nobelpreisträger Harold Elliot Varmus -, aber sein Name erscheint auf seinen 349 Veröffentlichungen in sechs verschiedenen Schreibweisen, weil die Zeitschriften jeweils eigene Konventionen für die Angabe von Vor- und Mittelnamen haben.

Der französische Epidemiologe Antoine Flahault wiederum hat 237 Artikel verfasst, von denen 14 durch Tippfehler unter "Flahaut" erschienen sind. Probleme machen auch die Namen asiatischer Forscher, deren Länder andere Buchstabensysteme benutzen. Es gibt mindestens 20 verschiedene chinesische Namen, die ins Englische als Wang Kong übertragen werden. Die Vietnamesen benutzen zwar lateinische Buchstaben, aber 40 Prozent der Menschen heißen hier mit Nachnamen Nguyen. Dann heiraten Forscher auch oder lassen sich scheiden und ändern dann ihren Namen.

Ein universelles System, um Artikel Autoren zuzuordnen, würde vielen helfen. Wissenschaftler könnten leichter die Literatur verfolgen, wenn sie die Nummern ihrer Kollegen kennen. Universitäten und Geldgeber erkennen daran, wie produktiv einzelne Forscher sind.

Darum gibt es etliche Betreiber, die den Forschern Nummern anheften wollen. Einer davon ist der kostenlose Service ResearcherID, der seit Anfang 2008 offiziell läuft und 30.000 Mitglieder hat. Schon vorher aber wurden dort Nummern vergeben: Cals und Kotz aus Maastricht waren der 1262. und 1270., die sich 2007 einschrieben.

Dahinter steckt die Firma Thomson Reuters. A-1262-2007 und A-1270-2007 haben diesen Service auch schon öffentlich im Fachblatt The Lancet angepriesen, nicht weil er perfekt ist, wie sie betonen, sondern weil er schon da ist und global funktioniert. Wer sich anmeldet, kann sich die Artikel zuordnen, die Thomsons Software vorschlägt und weitere eingeben.

Größere Chancen als ResearcherID, sich als Standard durchzusetzen, hat aber nach der Meinung vieler Beobachter ein Konkurrenzprojekt namens ContributorID, das von CrossRef entwickelt wird, einer Organisation wissenschaftlicher Verlage - wenn auch nur deswegen, weil die Zeitschriften ihre Autoren im Zweifel zwingen können mitzumachen.

Andere meinen, das amerikanische National Center for Biotechnology Information (NCBI) habe gute Karten, weil es die Autorennummer in das hier betriebene Pubmed-System einweben kann. Zurzeit aber ist die Vielfalt ein Problem wie einst die vielen Formate von Videokassetten.

Elektronische Hilfsmittel sind noch überfordert mit der Zuordnung von Artikeln. Ihre Software analysiert neben dem Namen die Angaben zu Labor und Hochschule, Co-Autoren und Schlüsselwörter aus der Zusammenfassung. Diese Programme sind teuer und kompliziert zu entwickeln, darum verzichten sowohl Pubmed als auch Googles Dienst Scholar darauf. Der Medienkonzern Reed Elsevier nutzt aber eine solche Software in seinem Dienst Scopus.

Wie bei vielen solcher Services stellt sich aber auch die Frage nach dem Datenschutz, zumal die Nummern ja für lange Zeit in der wissenschaftlichen Literatur gespeichert bleiben sollen. "Ich würde mir große Sorgen machen, wenn ein einziger Verlag das System kontrollieren würde", sagt Clifford Lynch, Direktor der Coalition for Networked Information, die für Technologie in der wissenschaftlichen Kommunikation eintritt. Er fände es viel besser, "wenn die Datenbank von dem öffentlichen Institut NCBI oder dem CrossRef-Verbund betrieben würde".

Zudem ist unklar, wie die Betreiber den Missbrauch ihrer Systeme verhindern wollen. Niemand kontrolliert zurzeit, ob die Artikel, die sich jemand zuschreibt, auch wirklich von ihm oder ihr stammen. "Man kann sich einloggen und Anspruch auf jeden Artikel von Albert Einstein erheben und dann viel Spaß haben", sagt Lynch.

Dem widerspricht James Pringle, der bei Thomson Reuters für die Entwicklung von ResearcherID zuständig ist. Das System habe eine eingebaute Selbstkontrolle. Wenn sich jemand fremde Artikel aneigne, werde bald jemand protestieren. Für den Umgang mit Fördergeldern und Verlegern aber dürfte ein sicherer Zugang nötig sein, vergleichbar dem Einloggen beim Internet-Banking.

Dann gibt es noch das Problem, dass für Millionen Artikel die Autoren nicht mehr bei der Zuordnung zu einer Nummer helfen können, etwa weil sie schon gestorben sind. "Niemand hat die Zeit oder das Geld, um diese Detektivarbeit zu erledigen", sagt Lynch. "Das wird dann immer etwas ungenau bleiben." Man könne das Problem aber auch der Weisheit der Massen überlassen, sagt NCBI-Direktor David Lipman. Da es ja zu vielen obskuren Themen Menschen gebe, die Wikipedia-Seiten erstellen und pflegen, fänden sich vielleicht auch Liebhaber, die zwei Jahrhunderte wissenschaftlicher Literatur danach sortieren, wer wer ist.

Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe von Science erschienen, dem internationalen Wissenschaftsmagazin. Weitere Informationen www.sciencemag.org, www.aaas.org.

© SZ vom 28.03.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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