Wissenschaftliche Praxis:Meinungsforscher blamieren sich mit Studie über Homo-Ehe

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Nach einem kurzen Gespräch mit einem Schwulen änderten Konservative angeblich ihre Einstellung zur Homo-Ehe. An dieser Aussage gibt es nun starke Zweifel. Das Wissenschaftsmagazin "Science" hat die Veröffentlichung der Studie zurückgezogen.

Von Christopher Schrader

Die Ergebnisse waren offenbar zu schön, um wahr zu sein. Die Fachzeitschrift Science hat darum eine Studie über politische Meinungsbildung bei hochkontroversen Themen zurückgezogen, die sie im Dezember 2014 veröffentlicht hatte. Damals hatten die Autoren behauptet, konservative Bürger Südkaliforniens hätten ihre Meinung zum Thema Homo-Ehe geändert, nachdem ein Schwuler 20 Minuten lang mit ihnen an der Haustür geredet hatte.

Die Studie hatte dem gedruckten Text zufolge einige wichtige Qualitätskriterien der Wissenschaft erfüllt. So wurde angeblich durch Zufall bestimmt, ob homo- oder heterosexuelle Mitarbeiter einer Umfragefirma bei den Befragten klingelten und ob sie dann über die gleichgeschlechtliche Ehe oder Recycling sprachen. Nur wenn Schwule sozusagen in eigener Sache warben und sich zu erkennen gaben, änderten die Bürger der Studie zufolge ihre Meinung nachhaltig; der Effekt habe neun Monate lang angehalten.

Als ein anderes Team von Wissenschaftlern die Arbeit fortsetzen wollte, kamen Zweifel auf. Die Umfragefirma wusste zum Beispiel gar nichts von der Studie, berichtete die Los Angeles Times. Die Daten zeigten bei genauerer Betrachtung statistische Unregelmäßigkeiten.

Und dann konnte oder wollte einer der Autoren der Studie, Michael LaCour von der University of California in Los Angeles, die Originaldaten nicht herausgeben - auch nicht, als ihn sein Co-Autor, Donald Green von der Columbia University, dazu aufforderte. Der zog dann die Reißleine und bat Science, das Paper zu widerrufen.

LaCour räumt über seinen Anwalt einige Unregelmäßigkeiten ein, die die Finanzierung der Studie und die Entlohnung der Befragten betreffen. Ansonsten aber widerspricht er der Rücknahme seiner Arbeit.

Ergänzung am 2. Juni 2015

Michael LaCour hat am Wochenende eine 23-seitige Verteidigungsschrift veröffentlicht. Er entschuldigt sich darin dafür, über die finanziellen Aspekte die Unwahrheit gesagt zu haben. Er rechtfertigt sich aber dafür, dass er die Originaldaten nicht herausgeben wollte oder konnte: Er habe sie gemäß der Richtlinien seiner Hochschule vernichtet. Diese verlange, dass personenbezogene Informationen nicht aufbewahrt werden dürften, und seine Daten hätten Angaben über Namen, Adressen und Freunde von Befragten enthalten. Ob das so stimmt, ist zurzeit unklar. Laut New York Times erklärte der Forscher zudem, er habe entgegen früherer Angaben ein anderes Umfrage-Unternehmen beauftragt.

Zudem beklagt LaCour "unethisches Verhalten" der anderen Forschergruppe, die ihn als Erstautor der ursprünglichen Arbeit niemals direkt mit den Vorwürfen konfrontiert habe. LaCour hatte die Studie im Rahmen seiner Promotion erstellt und nach ihrer Veröffentlichung ein Jobangebot der Princeton University bekommen, berichten US-Medien. Demnach ruht die Berufung zurzeit aber, während die Vorwürfe gegen den Politologen von seiner jetzigen Universität untersucht werden.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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